Kaufleute mit SAP-Wissen könnte sie gleich doppelt vermitteln: Karin Pitschel von “Arbeit und Mehr“ spricht im Interview über ihre Branche.

An Fachkräften fehlt es inzwischen auch in den kaufmännischen Berufen. Wer SAP, MS-Office und Englisch beherrscht, hat darum gute Chancen - eigentlich. Wer aber seine Qualifikation im Vorstellungsgespräch nicht glaubhaft transportieren kann, scheitert trotzdem. Karin Pitschel von der (Zeit-)Arbeitsvermittlung "Arbeit und Mehr" sieht sich als Türöffner für Jobsucher.

Hamburger Abendblatt:

Frau Pitschel, wie steht es im kaufmännischen Umfeld mit dem Fachkräftemangel?

Karin Pitschel:

Den kennen wir sehr gut. Solide ausgebildete Kaufleute mit Englisch- und SAP-Kenntnissen könnten wir doppelt und dreifach unterbringen, und vor allem mittelständische Unternehmen suchen händeringend Mitarbeiter mit diesen Qualifikationen. Trotzdem erwarten Arbeitgeber, dass die Kandidaten passgenau ihren Anforderungen entsprechen.

Mangel an Fachkräften bedeutet, dass wir es mit einem sehr arbeitnehmerfreundlichen Markt zu tun haben. Warum sollten Bewerber den Umweg über Zeitarbeit nehmen?

Pitschel:

Wegen der Unterstützung, die unsere Branche bietet. Mal ehrlich, wer ist beim Vorstellungsgespräch nicht mehr oder weniger nervös? Wir bieten denjenigen Hilfestellung, die sich selbst nicht gut vermarkten können. Um das Klischee zu bemühen: Buchhalter - und die sind aktuell sehr gesucht - sind oft nicht die extrovertiertesten Menschen und treten auch nicht immer im feinsten Zwirn auf, sind aber hervorragend in ihrem Job.

Und wenn ein Buchhalter dann durch Zeitarbeit den Job hat ...?

Pitschel:

... stehen ihm alle Türen offen. Er kann sich mit seiner Fachkompetenz unentbehrlich machen. 53 Prozent wechseln nach ihrem Arbeitseinsatz in das Unternehmen. Und er hat Zugang zu internen Stellenausschreibungen, um in anderen Positionen voranzukommen. Oder er durchläuft mehrere Einsätze und sammelt so wertvolle Erfahrung. Zeitarbeit kann ein echtes Karrieresprungbrett sein.

Wohin können die kaufmännischen Kandidaten denn springen?

Pitschel:

Von der Bürohilfe bis zum Controlling in verschiedensten Branchen, von der Spedition bis zur Privatbank, und das in einem Zwei-Mann-Unternehmen oder einem Weltkonzern. So lassen sich leicht fünf oder sechs Unternehmen aus unterschiedlichen Bereichen kennenlernen und wertvolle Qualifikationen ansammeln. Damit steigt der Wert des Mitarbeiters quasi nach jedem Einsatz.

Ihrer Branche wird ja vorgeworfen, Zeitarbeiter arbeiten unter Wert - also für weniger als fest angestellte Kollegen.

Pitschel:

Wir bezahlen in der Regel übertariflich. Das müssen wir auch, sonst bekämen wir keine Bewerbungen, Stichwort Fachkräftemangel. Der hat übrigens auch dafür gesorgt, dass die Gehälter für kaufmännische Berufe in den letzten zehn Jahren kontinuierlich gestiegen sind. Dennoch ist es schon so, 70 Prozent der Zeitarbeit-Tätigen verdienen weniger als ihre Kollegen, aber die Abstände sind nicht groß. Oft bewegt sich das im Bereich von 100 oder 150 Euro im Monat, und das, denke ich, ist eine durchaus vertretbare Investition in die eigene Zukunft. Eben weil die Einsätze vielfältige Chancen bieten.

Was muss man denn mitbringen, um seine Chancen wahrzunehmen?

Pitschel:

Fachlich suchen wir nach Menschen mit guter kaufmännischer Ausbildung und positiven Bewertungen im Laufe ihrer Karriere. Wer Positionen im Projekt- oder Personalmanagement oder im Bereich Finanzdienstleistungen anstrebt, sollte ein Studium im Wirtschaftsumfeld mitbringen.

Erhöhen "große" Arbeitgebernamen im Lebenslauf die Chancen?

Pitschel:

Wenn eine Position in einem entsprechend großen Unternehmen angestrebt wird, dann wahrscheinlich schon. Ein kleineres Unternehmen könnte jedoch durch Konzernerfahrung abgeschreckt werden. Denn Mitarbeiter von Großunternehmen sind oft klare Strukturen und Hierarchien gewöhnt, während ein Kleinunternehmer vielleicht jemanden sucht, der anpackt, wo immer es nötig ist.