Kommunikation: Kleine Verzögerungen beim Reden machen Eindruck. An Helmut Schmidt kann man sich hier ein gutes Beispiel nehmen

Die Unternehmensberater können das Schweigen kaum ertragen. Warten ohne eine Antwort ist fast wie Folter. Denn der Kunde hätte längst reagieren müssen. Schon vor Wochen hatten die Berater den Vorschlag für das Projekt abgegeben. Viel Arbeit hatten die Consultants aufgebracht - und genau zum Termin abgegeben.

Mit diesem Beispiel erklärt Manfred Piwinger, wie Schweigen wirkt. "Funkstille ist auch Kommunikation", sagt der Unternehmensberater: "War unsere Offerte schlecht? Oder hatte der Kunde noch keine Zeit, unsere Arbeit anzusehen?", fragten sich die Berater. Die Nicht-Information bewirkte vor allem eines - die Berater waren verwirrt. Ob der Kunde in Piwingers Geschichte aus taktischen Gründen schwieg, ist ungewiss. Am Ende meldet er sich nach vier Wochen. Er findet das Angebot toll.

Geschwiegen wird oft. Manchmal sitzt der Chef einfach da und gibt keine Antwort. Oder der Redner legt sein Manuskript ab, unterbricht den Vortrag, lässt seinen Blick über die Zuschauer schweifen. Beim Gegenüber löst solches Verhalten mal Hoffnung, mal Respekt aus - mitunter aber auch Angst.

Lässt sich Schweigen zielgerichtet einsetzen? "Ja, unbedingt", sagt Rolf H. Ruhleder, Rhetoriktrainer und Inhaber des Management Instituts Ruhleder (MIR). Aber als Machtmittel haben es bislang wenige Führungskräfte erkannt: "Top-Manager reden viel zu viel." Der Redebedarf sei mitunter so groß, dass sogar nicht gestellte Fragen beantwortet würden. Schweigen als Mittel der Kommunikation dagegen werde selten bewusst eingesetzt. Ruhleder rät Führungskräften, es mal mit der Methode Helmut Schmidt zu versuchen. Der Alt-Bundeskanzler setzt Schweigen oft gezielt ein. Ob bei Reden oder vor TV-Kameras: In Schmidts Pausen passt ein langsam gesprochenes "eins, zwei, drei" hinein. Erst dann setzt er zum nächsten Gedanken an.

"Die Pause ermöglicht Erholung beim Zuhörer. Er kann das Gehörte verdauen", sagt Manfred Piwinger. Außerdem unterstreicht der Ex-Kanzler mit seinem Schweigen das Gesagte. Die Logik dahinter erklärt Kommunikationstrainer Harry Holzheu: "Nach einem wichtigen Statement sollte der Redner eine überlange Pause machen. Die stärkt noch einmal die Aussage."

Auch im Gespräch mit Kunden oder im Team hat Schweigen seinen Platz: Es macht die Zustimmung der Gegenseite möglich. Wenn die Argumente genannt sind, sollte der Redner durch eine Pause einen gedanklichen Punkt machen. Dieser ermöglicht es dem Gesprächspartner, sich eine Meinung zu bilden. Vertriebsprofis vergessen diese Pausen mitunter. Der Verkäufer redet einfach weiter, wenn der Kunde schon längst bereit für das Ja ist. "So werden Aufträge zerredet", sagt Rhetorik-Experte Ruhleder und mimt den glücklosen Verkäufer: "Ich habe noch so viele Argumente. Bitte jetzt noch keinen Auftrag!"

Der Redefluss von Vertrieblern zeigt: Ein paar Sekunden schweigen, Pausen machen - das ist leichter gesagt als getan. Harry Holzheu hat deshalb ein großes Pappschild mit der Aufschrift "Pause!" gebastelt. Das hält er hoch, wenn Sprecher, die er coacht, ihren Redefluss unterbrechen sollen. "Es dauert bis zu drei Monate, bis das mit den Schweige-Sekunden sitzt", sagt er.

Ohne Training geht es also nicht. "Besonders unter Druck gelingt das rhetorische Schweigen oft nicht. Gerade dann fühlen sich die meisten Menschen wohler, wenn sie reden", sagt Matthias Schranner, der darauf spezialisiert ist, Manager im Verhandeln zu trainieren. "Üben, üben, üben", rät er.

Das gilt auch für die richtige Länge der Pause. Dieser Aspekt ist wichtig, denn vielen Vortragenden kommt das Zeitgefühl abhanden. Rhetoriktrainer Ruhleder etwa lässt seine Schüler die Uhr abnehmen. Dann sollen sie sagen, wann eine Minute zu Ende ist. "Der letzte meldet sich nach 35 Sekunden."

Matthias Schranner erinnert daran, dass Redner und Zuhörer in der Regel eine andere Wahrnehmung für Zeit haben. "Für den Vortragenden wirkt die Pause immer länger als für den Zuhörer." Wer den Stil von Altkanzler Helmut Schmidt nachahmen will, ist deshalb gut beraten, Pausen bewusst zu setzen - und jedes Mal in Gedanken langsam zu zählen: "Eins, zwei, drei."