Wer Standardsituationen im Job wie ein Sportler trainiert, reagiert souveräner auf Zwischenfälle, erklärt der Psychologe

Hans Eberspächer coacht Berufstätige, die zum richtigen Zeitpunkt eine Topleistung bringen wollen. Er nutzt seine Erfahrungen als Sportpsychologe.

Hamburger Abendblatt:

Als Sportpsychologe können Sie uns sicher sagen, wie Sportler es schaffen, punktgenau zum Wettbewerb beste Leistung zu bringen.

Hans Eberspächer:

Das Thema ist nicht nur für Sportler relevant, auch Piloten, Mediziner, Manager, praktisch jeder Berufstätige muss sich so organisieren, dass genau dann alles klappt, wenn es darauf ankommt. Dabei spielt der Kopf eine große Rolle. Erfolg fängt im Kopf an. Misserfolg auch. Es hilft, eine klare Vorstellung von dem zu haben, was zu tun ist, und in der Lage zu sein, diese Vorstellung umzusetzen. Solche Vorstellung von einer Handlung muss man trainieren. Ich verwende dafür das Symbol einer Landkarte: Im Prinzip erfüllen unsere Vorstellungen die Funktion einer Landkarte. Und auf deren Basis lassen sich mentale Navigationssysteme entwickeln und trainieren, um bestimmte Ziele sicher zu erreichen.

Piloten oder Fußballer haben ja Standardsituationen, die sie trainieren können. Wie ist das in anderen Berufen?

Eberspächer:

Nehmen wir einen Operateur - das Herz ist in der Regel links, die Leber rechts. So gibt es überall unveränderliche Größen, auf die man sich einstellen kann. Dann hat man Kapazitäten frei, um sich für die veränderbaren Variablen etwas einfallen zu lassen.

Wie lernt man zum Beispiel, bessere Präsentationen zu halten?

Eberspächer:

Zunächst muss man von dem, was man präsentiert, überzeugt sein. Und man muss es überzeugend präsentieren. Dazu gehört eine unterstützende Körpersprache. Das fängt damit an, dass man bei einer Präsentation auf beiden Beinen steht. Klingt banal, aber beobachten Sie mal, wie die Leute dastehen, wenn sie vortragen sollen! Eine andere scheinbare Banalität ist, dass man seine Zuhörerschaft bei einer Präsentation anschaut. Die wenigsten verstehen, dass die Botschaft vom Redner kommt und nicht von PowerPoint.

Wie bereiten Sie sich selbst vor?

Eberspächer:

Bevor ich einen Vortrag halte, gehe ich nach Möglichkeit in den leeren Saal und schaue mir an, wo ich stehen und gehen kann, Unterlagen ablege und wie die Zuhörer sitzen. Wer sich darauf nicht vorbereitet und mit etwas Unvorhergesehenem konfrontiert wird, könnte überrascht und unprofessionell reagieren. Auch unzweckmäßige Kleidung kann eine Falle sein: Wer etwa Sachen trägt, die schlecht sitzen, ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Auch so etwas vorzubereiten gehört zu einem guten Navigationssystem.

Wie schafft man es, neue Aufgaben als Herausforderung anzunehmen?

Eberspächer:

Das hängt davon ab, wie man eine Situation bewertet. Wer Angst vor Hunden hat und beim Joggen eine Dogge auf sich zukommen sieht, empfindet das als Bedrohung und reagiert in der Regel mit Angst. Bewertung der Situation - Gefühl, das ist die Abfolge. Genauso ist das im Job. Bedrohliches löst das Gefühl Angst, eventuell Panik aus. Wer dagegen eine Situation als profitabel oder als Chance für sich bewertet und sich auf seine Stärken besinnt, sieht darin eher eine Herausforderung.

Aber wie ändert man die Perspektive?

Eberspächer:

Bedrohung entsteht als Konstruktion im Kopf des Betrachters, befeuert durch die Konzentration auf Schwächen und auf gefährliche und schädliche Konsequenzen. Will man eine Situation als Herausforderung sehen, muss man trainieren, sich auf seine Stärken zu besinnen - und damit auf seine Chancen. Diesem Kampf raus aus der Bedrohungsecke hin zur Herausforderung müssen sich Sportler immer wieder stellen. Aber das müssen auch diejenigen, die in anderen Berufen etwas leisten wollen. Top-Leister sind für mich Menschen, die sich in dem Moment, in dem es darauf ankommt, mit einem klaren mentalen Navigationssystem auf ihre Kompetenz, ihre Stärken besinnen und nicht ständig über Konsequenzen grübeln, die im Falle des Misserfolgs eintreten.