Karriereberater Martin Wehrle: So steigern Mitarbeiter ihr Gehalt

Martin Wehrle ist Karriereberater. Er trainiert Beschäftigte für ihre Gehaltsverhandlung. Sein Rat: Gute Argumente zurechtlegen, den richtigen Moment abpassen, die eigene Leistung ins rechte Licht rücken.

Hamburger Abendblatt: Die Gehaltsunterschiede in den Unternehmen sind oft auch innerhalb der einzelnen Hierarchieebenen gewaltig. Was muss man tun, um erfolgreich beim Gehaltspoker zu sein?

Martin Wehrle: In der Regel sind die Gehaltsfürsten nicht etwa diejenigen, die der Firma über Jahre treu verbunden sind, sondern jene, die häufig den Arbeitgeber wechseln. Wenn sie geschickt verhandeln, schlagen sie oft Gehaltserhöhungen von zehn bis 20 Prozent raus. Über die Jahre summiert sich das. Solche Ungerechtigkeiten im Gehaltsgefüge gibt es in den meisten Unternehmen. Wer weniger verdient, ist nicht schlechter oder fauler, sondern lediglich bescheidener. Im Grunde wird man nicht schlecht bezahlt, man lässt sich schlecht bezahlen.

Muss jeder, der angemessen entlohnt werden will, selbst aktiv werden?

Wehrle: Unbedingt. Und zwar am besten von Anfang an. Wenn man schon zu Beginn der Berufslaufbahn wenig verdient, dann zieht sich das oftmals wie ein roter Faden durch das weitere Berufsleben. Dieses Phänomen betrifft oft Frauen, die noch immer im Durchschnitt ein Viertel weniger verdienen als Männer.

Wie sieht denn eine geschickte Taktik bei Gehaltsverhandlungen aus?

Wehrle: Wichtig ist, dass das Anliegen klar und selbstbewusst formuliert wird und dass man dem Vorgesetzten gute Argumente für eine Gehaltsanpassung liefert. Wenn ich deutlich machen kann, dass ich in den vergangenen Monaten viel geleistet habe und bereit bin, auch in der nächsten Zeit viel zu leisten, wird eine Gehaltserhöhung zu einer Investition in die Zukunft. Nicht nur für mich, sondern auch für das Unternehmen. Ich darf meinen Chef in dieser Situation nicht als meinen Feind sehen, sondern als einen Verbündeten, mit dem ich ein Ziel erreichen will.

Was hilft noch?

Wehrle: Auch praktische Aspekte spielen eine Rolle. So ist das Timing entscheidend für das Gelingen. Ende des Jahres stehen die Mitarbeiter oft Schlange. Wenn der Chef bereits vier Kollegen ein Lohnplus zugesichert hat, habe ich als fünfter schlechte Karten. Eine gute Vorbereitung ist das A und O. Es ist sinnvoll, das Gespräch vorher einzuüben. Außerdem hat es sich bewährt, eine Leistungsmappe anzulegen. Das sind ein oder zwei Blätter, auf denen man festhält, welche Erfolge man in den letzten Monaten verzeichnen konnte. Die Mappe kann man seinem Chef dann anschließend überlassen.

In Stellenanzeigen liest man häufig den Begriff "leistungsgerechte Vergütung". Wie oft wird tatsächlich "leistungsgerecht" vergütet?

Wehrle: Wenn dieser Begriff in einer Stellenanzeige betont wird, ist meiner Erfahrung nach immer Vorsicht geboten. Gerade in solchen Firmen kommt es vor, dass ein Mitarbeiter im Papierkorb die Gehaltsabrechnung eines Kollegen findet, der in derselben Hierarchieebene bei gleicher Qualifikation rund 200, 500 oder 800 Euro mehr verdient. Die Grundgehälter haben in deutschen Firmen nichts mit der Leistung der Mitarbeiter zu tun.

In vielen Unternehmen blocken Chefs Gehaltsverhandlungen mit dem Argument: "Der Firma geht es aber gar nicht gut" von vornherein ab.

Wehrle: Das ist das klassische Argument. Doch wenn im Unternehmen überhaupt kein Geld vorhanden wäre, wäre es pleite. Was dort fehlt, ist die Bereitschaft, Geld in die Mitarbeiter zu investieren. Auch in Branchen, in denen tendenziell keine allzu hohen Gehälter gezahlt werden, lohnt es sich, das Gehalt neu zu verhandeln.