Die Uni Kiel vergibt schlechte Noten für Karriereseiten von Unternehmen. Experten raten zu mehr “echten Menschen“ und weniger PR-Strategie.

Berlin. Nur ein paar Klicks trennen die Bewerber vom Unternehmen. Doch diese paar Klicks müssen die potenziellen Mitarbeiter erst einmal tun: Im Kampf um kompetente Köpfe ist es für Unternehmen wichtig, die Chance nicht zu vergeben, Bewerber auch online auf sich aufmerksam zu machen. "Dabei kann vor allem eine gute Karrierewebsite helfen", sagt Michael Palmen, Gründer und Personalvorstand der Hamburger Firma milch & zucker, die sich auf Personalmarketing und E-Recruiting spezialisiert hat.

Die Karriereseite ist inzwischen bei vielen großen Firmen zum Dreh- und Angelpunkt im Personalmarketing geworden. "Hierüber lernt uns der Großteil der Bewerber kennen", sagt Stefanie Hirte, Bereichsleiterin Personalentwicklung und Personalmarketing beim Handelskonzern Otto. Entsprechend wichtig sei dieser Kanal für die Außenwerbung in eigener Sache. Dazu gehöre es auch, auf die Vielfältigkeit bei Otto aufmerksam zu machen. "Längst nicht alle wissen, dass wir auch Jobs im IT-Bereich, im E-Commerce und im Controlling bieten."

Auf Seiten kleiner Firmen finden Kandidaten oft veraltete Jobangebote

Doch nicht überall wird Wert auf eine Karriereseite und deren hohe Qualität gelegt. "Die Großunternehmen haben längst eine, kleinere Firmen tun sich oft noch etwas schwer damit", sagt Marketing-Experte Palmen. Doch selbst wenn vorhanden, dann stehen auf den Seiten nicht selten nur ein paar alte Stellenangebote oder ein schlichter Hinweis auf Ansprechpartner und Adresse. Dabei eröffne dieser Weg gerade Mittelständlern eine Chance, sich - gegenüber den von Hochschulabsolventen oft bevorzugten Großkonzernen - mit emotionalen und informativen Inhalten zu positionieren.

"Aber auch bei vielen Konzernen gibt es Raum für Verbesserung", sagt Martin Grothe, Experte für den digitalen Arbeitgeberauftritt und Geschäftsführer der Unternehmensberatung complexium, Berlin. Oft fehle Authentizität. "Glaubwürdigkeit lässt sich nicht mit austauschbaren Modelfiguren und plakativen Werbetexten erreichen." Den Unterschied zur Konkurrenz mache dann nur das Firmenlogo aus.

"Happy Talk und Textwüsten vermeiden", rät Palmen. Denn sie ermüden den Leser und führen zum Verlassen der Seite. Auch sonst offenbart die Sprache oft Mängel - zu diesem Ergebnis kommt eine an der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel durchgeführte Studie. Dabei wurden die Karriereseiten von 20 deutschen Großunternehmen unter die Lupe genommen. Grammatisch korrekt war nicht einmal die Hälfte der Seiten. Einen schlechten Stil mit Bandwurmsätzen und abgedroschenen Phrasen bescheinigten die Wissenschaftler 16 von den 20 Unternehmen. "Einige der untersuchten Websites sind in sprachlicher Hinsicht nur als mangelhaft zu bezeichnen", so das vernichtende Urteil vom Leiter der Studie, Professor Markus Hundt.

Solch eine Einschätzung kann weite Kreise ziehen. "Alle Aktivitäten auf der Karriereseite beeinflussen die Arbeitgebermarke", sagt Michael Palmen. Dient die Seite doch als Aushängeschild und wird nicht nur von Bewerbern begutachtet. Bei Otto schauten sich seit Januar 2011 rund 220 000 Besucher zwischen Mitarbeiterstorys und Stellenangeboten um. Entsprechend ernst nahm man im Handelsunternehmen die Gestaltung des Karriereauftritts. "Der initiale Aufwand des Launches war sehr hoch", sagt Personalentwicklerin Hirte. Zu Recht: "Man sollte sich unbedingt genug Zeit nehmen, die Besonderheiten des Unternehmens klar herauszustreichen", sagt Berater Martin Grothe. Werte und Leitbild seien jedoch nicht immer klar definiert und müssten deshalb oft erst in intensiver Diskussion erarbeitet werden.

Steht das Gerüst, geht es an die Umsetzung. Erstes Gebot: "Unbedingt echte Mitarbeiter als Botschafter einsetzten", sagt Palmen. Dabei geht es nicht nur um das Foto von Azubi und Vertriebschef, sondern auch um authentische Texte. Denn die Interessenten wollen die Mitarbeiter kennenlernen. "Der Auszubildende sollte selbst seinen Erfahrungsbericht schreiben und nicht die PR-Abteilung", sagt Grothe.

Bewerber wollen auch die menschliche Seite des Unternehmens kennenlernen

Für die Glaubwürdigkeit zählen ehrliche Aussagen und nicht solche, die penetrant positiv klingen. Gefragt seien bei Bewerbern außer Informationen zu Aufstiegschancen und Auslandseinsätzen auch Angaben zur menschlichen Seite des Unternehmens: Wie steht es mit der Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern? Ist das Betriebsklima gut? Wie ticken die Kollegen in spe?

Inzwischen nehmen bei der Kontaktaufnahme zum Kandidaten die sozialen Netzwerke eine immer größere Bedeutung ein. Otto zum Beispiel hat seine Karriereseite mit Twitter, YouTube und Facebook vernetzt. So erreichen Unternehmen auch Kandidaten, die aktuell gar nicht auf Jobsuche sind. Weiterer Vorteil: Die Annährung findet in einer anderen Sprache und mit einem gewissen Unterhaltungsfaktor statt. Zurzeit kommen etwa 1,5 Prozent der Besucher der Otto-Karriereseite über die Facebook-Fanpage. "Unsere Zielgruppe, unter anderem Uni-Absolventen, Young Professionals, IT- und E-Commerce-Spezialisten sind heute verstärkt in den Social-Media-Bereichen unterwegs", sagt Hirte.

Verknüpfungen mit sozialen Netzwerken, Blogs, Animationen, Videos - die Möglichkeiten, eine Karriereseite bunt zu machen, sind fast unbegrenzt. Aber wie so oft: Weniger ist mehr. "Wichtiger als die gesamte Klaviatur zu bespielen, ist der Nutzen des Tools für den Bewerber", sagt Agentur-Berater Palmen. Zu überfrachtet vergrault die Bewerberseite die Kandidaten nur.