Marketing-Trick oder echte Fürsorge? Wenn Unternehmen soziale Verantwortung übernehmen, helfen sie im Idealfall anderen und sich selbst

Hamburg. "Einfach nur Geld spenden wollten wir nicht", sagt Tobias Boehncke, Vorstand des Hamburger Emissionshauses MPC Capital. Mehrmals war bei seinem Unternehmen angefragt worden, ob es nicht die eine oder andere Organisation unterstützen könnte. "Aber wir wollten etwas machen, was wirklich zu uns passt."

MPC sitzt in Altona, einem Bezirk mit relativ hohem Ausländeranteil. Das Thema Bildung und wie man sie fördern kann lag nahe. "So ist die Idee zur Elbstation entstanden", sagt Boehncke. Ein Medienprojekt mit eigenen Räumen an der Palmaille, in dem sich jährlich 25 Siebtklässler von Gesamtschulen in den Bereichen Radio, Film und Schauspiel ausprobieren können. Betreut werden sie von vier Fachleuten. Vor Kurzem wurde fünfjähriges Bestehen gefeiert.

"In den ersten Jahren sind wir mit dem Projekt wenig an die Öffentlichkeit gegangen. Wir wollten erst mal etwas haben, was man vorzeigen kann", sagt der MPC-Vorstand. Ein Weg, den Moritz Blanke, Projektmanager bei der Bundesinitiative "Unternehmen: Partner der Jugend" (UPJ) für absolut richtig hält. "Sein gesellschaftliches Engagement kommuniziert man erst, wenn etwas passiert ist", erklärt er. Bekommt die Öffentlichkeit den Eindruck, das Unternehmen mache nur Eigenwerbung, wird ihm das negativ ausgelegt. Das sind die Fallstricke des "CSR".

Tue Gutes und rede darüber. Auf diesen Nenner lässt sich das Konzept der Corporate Social Responsibility (CSR) bringen. Als "verantwortliche Unternehmensführung" könnte man es ins Deutsche übersetzen. "CSR ist ein Beitrag der Unternehmen zu einer nachhaltigen Entwicklung in der Gesellschaft", erklärt Moritz Blanke. Die Felder, auf denen Unternehmen tätig werden, reichen von Aus- und Fortbildung über betrieblichen Umweltschutz bis zum Engagement in der örtlichen Community (s. Text rechts). "CSR hat einen gesellschaftlichen Nutzen und einen fürs Unternehmen. Diese Win-win-Situation ist ihr Kernbestandteil."

Ein ökologisches Gewissen zieht gleich gesinnte Kunden an

Dass sich nachhaltiges Agieren für eine Firma auszahlt, stellt auch Thomas Becker fest. Er ist Goldschmied im Grindelviertel, hat fünf Angestellte. Becker arbeitet mit ökologisch gewonnenen und fair gehandelten Materialien, verbraucht möglichst wenig Energie und setzt wenig Chemikalien ein. Er produziert lieber Erbstücke als kurzlebigen Modeschmuck. "Meine Mitarbeiter und ich sind Überzeugungstäter, CSR ist für uns kein Marketinginstrument", sagt Becker. Dementsprechend wirbt er auch nicht offensiv mit seinem Arbeitsstil, sondern setzt auf Mundpropaganda. "Die Außenwirkung ist da", sagt er. Seine verantwortungsvolle Betriebsführung bringt ihm mehr Aufträge. "Gerade war ein Kunde aus Dänemark bei mir", erzählt der Goldschmied. "Weil er von unserer ganzheitlichen Art zu arbeiten gehört hatte."

Thomas Becker ist ein Musterbeispiel für CSR, findet Andreas Rönnau, Leiter des Bereichs Mittelstands- und Handwerkspolitik bei der Hamburger Handwerkskammer. "Anderen kleinen Unternehmen ist noch gar nicht richtig bewusst, was sie eigentlich gesellschaftlich leisten." Das reiche von der Freistellung von Mitarbeitern, um ihr Ehrenamt beim Technischen Hilfswerk wahrzunehmen, über Familienfreundlichkeit bis hin zu Hygienemaßnahmen bei der Lebensmittelherstellung, die übers gesetzliche Maß hinausgehen. "So etwas ist kaum mal auf der Internetseite eines Betriebes zu finden." Dabei sei CSR ein wichtiges Argument bei der Gewinnung von Fachkräften und Auszubildenden. "Außerdem ist es eine gute Identifikationsmöglichkeit für die vorhandenen Mitarbeiter", sagt Rönnau.

"Dass man ein Unternehmen ist, das verantwortlich geführt wird, muss sich in der gesamten Kommunikation widerspiegeln", erklärt Klaus Rainer Kirchhoff, Vorstandsvorsitzender der Agentur Kirchhoff Consult in Hamburg. Einzelne Aktionen, mit denen die Firma an die Öffentlichkeit geht, helfen also nicht viel - vor allem nicht, wenn dabei auch noch getäuscht wird. "Greenwashing" nennen Experten das.

Noch stecke wenig Substanz, aber viel PR dahinter, kritisiert der Experte

"Wenn zum Beispiel ein Unternehmen berichtet, es habe seine Emissionswerte gesenkt, sagt das wenig aus. Schließlich kann es sein, dass die Werte durch die Stilllegung von Betriebsstätten verbessert worden sind." Die dafür notwendige Entlassung von Mitarbeitern stehe aber dem Gedanken von CSR entgegen. "Noch steckt hinter CSR oft wenig Substanz und viel PR", kritisiert Kirchhoff.

Die Motivation, verantwortlich zu handeln, sieht Projektmanager Blanke von UPJ bei Großunternehmen vor allem im Druck von außen, etwa wenn man sich mit spritsparenden Autos neue Geschäftsfelder erschließen könne. Im Mittelstand, gerade in inhabergeführten oder Familienbetrieben sieht er oft eine persönliche Motivation der Geschäftsführung. "Wir sind hier verwurzelt und wollen uns regional engagieren", sei oft der Ansatz.

Eine solche Idee stand auch am Anfang von Elbstation und Lotsenprogramm bei MPC Capital. "Wir haben ein Bewusstsein für unsere Umgebung", sagt Vorstand Tobias Boehncke. Und für die Mitarbeiter sei der Kontakt mit den Jugendlichen eine Bereicherung. Von ihrem Leben und ihren Problemen zu erfahren und sie ein Stück weit unterstützen zu können, "relativiere vieles andere", sagt Boehncke. "Es öffnet unseren Blick."

www.upj.de

www.csr-in-deutschland.de

www.elbstation.de

Die Handwerkskammer bietet einen Leitfaden an; Suchbegriff "CSR-Handbuch": www.hwk-hamburg.de

Info

Hier engagieren sich Unternehmen

Die Mehrheit der drei Millionen Unternehmen in Deutschland engagiert sich für die Gesellschaft, sagt Moritz Blanke, Projektmanager der Bundesinitiative "Unternehmen: Partner der Jugend" (UPJ). Doch nicht alle wüssten schon, dass sie damit für sich als Arbeitgeber, Produzent oder Dienstleister werben könnten.

Vier Felder können bei Aktionen im Rahmen der Corporate Social Responsibility (CSR) unterschieden werden.

Markt In diesem Bereich geht es zum Beispiel um vertrauensvolle Beziehungen zu Kunden und Zulieferern, ökologische Produktionsbedingungen und den Verbraucherschutz.

Umwelt Es dreht sich um Naturschutz und das Umweltbewusstsein der Mitarbeiter.

Mitarbeiter/Arbeitsplatz Hier wird etwa die Vereinbarkeit von Job und Familie, Weiterbildung und Mitarbeiterbeteiligung aufgegriffen.

Gemeinwesen Verantwortliches Handeln bezieht sich dort zum Beispiel auf die Freistellung von Mitarbeitern für bürgerschaftliches Engagement (z.B. als Mitglied einer Feuerwehr), Spenden und Sponsoring.