Personalberaterin Andrea Gensel fordert mehr Initiative von Frauen. Sie lehnt staatliche Vorgaben ab

Frauenquote? Darüber kann sich Andrea Gensel heftig aufregen. Als Geschäftsführerin der Personalberatung Job-Campus besetzt die 48-Jährige Managementpositionen bis zur Vorstandsebene.

Hamburger Abendblatt: 52 Prozent der Teilnehmer einer Forsa-Umfrage fürs "Handelsblatt" forderten kürzlich eine gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote. 32 Prozent hielten demnach sogar einen 50-Prozent-Anteil von Frauen in Führungspositionen für richtig. Was sagen Sie zu solchen Ergebnissen?

Andrea Gensel: Das ist nicht realisierbar, das ist geträumt von Menschen, die nicht täglich mit Personalauswahl und den Sorgen des Fach- und Führungskräftemangels konfrontiert sind.

Wäre das Ergebnis dann anders?

Gensel: Absolut. Wir haben doch gar nicht mehr die Auswahl zwischen mehreren Kandidaten. Der Fachkräftemangel ist so groß, dass selbst Personalberater froh sind, für eine vakante Position überhaupt eine fachlich und persönlich geeignete Führungskraft zu finden.

Das bedeutet, Sie könnten oft gar keine gleich geeignete Frau präsentieren, um der Frauenquote Genüge zu tun?

Gensel: Wie denn? Bewerbungen von Frauen für Geschäftsführungs- oder Bereichsleiterposten liegen bei ein bis zwei Prozent, im technischen Bereich bei nur 0,5 Prozent. Aktuell suche ich drei Geschäftsführer für Hamburger Elektronikunternehmen. Bislang habe ich keine einzige Bewerbung einer Frau. Tatsache ist, dass eine staatlich aufgezwungene Quote die Wirtschaft ausbremsen würde. Nicht geeignete Frauen in Positionen zu heben, die sie weder fachlich noch persönlich ausfüllen können, würde die Wettbewerbsfähigkeit und viele Arbeitsplätze gefährden.

Dem männlich dominierten Management wird gern unterstellt, es würde Frauen ausschließen oder gezielt behindern. Ist das so?

Gensel: Das ist Unsinn. Die Frage ist eher, ob wirklich so viele Frauen in Führungsjobs wollen wie gesellschaftlich angenommen. Die Frauenquotenforderung ist ein Angriff auf alle Manager. Diese Forderung impliziert, dass es möglich wäre, 30 bis 50 Prozent der Führungspositionen mit Frauen zu besetzen. So wird unterstellt, dass Männer bewusst keine Frauen dorthin wählen - eine Unterstellung auf Basis eines grundsätzlich negativen Männerbildes.

... das Sie offenbar nicht teilen?

Gensel: Nein, es gibt doch überhaupt keinen individuellen oder kollektiven Anreiz für einen Mann, so frauenfeindlich zu handeln. Ich weiß, dass viele männliche Chefs gern Frauen ins Management holen würden, wenn es diese denn gäbe oder sie geeignet wären.

Nun wird gern argumentiert, dass Frauen eben anders ticken: Sie seien selbstkritischer und bescheidener und deshalb zögerlicher als Männer.

Gensel: Für Bescheidenheit und Zurückhaltung wird eine Führungskraft nicht bezahlt. Neben der fachlichen Eignung müssen Führungskräfte über Durchsetzungsvermögen und die Bereitschaft, Präsenz zu zeigen, verfügen. Bei Widerständen müssen sie in die Offensive und Kommunikation gehen können und in der Lage sein, Grenzen zu setzen und Entscheidungen zu treffen. Der Spiel- und Siegtrieb aus alten Jagdzeiten von Männern ist manchmal für die Wettbewerbsfähigkeit ein Vorteil. Frauen sollten nicht darauf warten, in eine Führungsposition "gebracht" zu werden. Sie müssen sich selbst aktiv dorthin begeben, sonst ist man ohnehin nicht geeignet.

Tragen aber nicht vor allem Frauen die Doppelbürde von Karriere und Kindern?

Gensel: Natürlich ist es schwierig, beiden Rollen gerecht zu werden. Es fehlt massiv an familienfreundlichen Maßnahmen von Politik und Unternehmen. Aber das kann ich doch nicht pauschal den Männern vorwerfen! Wenn eine Frau heute Karriere machen möchte, liegt es in ihrer eigenen Hand. Will ihr Partner die Kindererziehung nicht teilen, sollte sich die Frau fragen, ob das wirklich der richtige Partner für ein gemeinsames Leben ist. Sie ist doch nicht Opfer des Mannes. Sie muss eine Entscheidung treffen und dafür dann bitte die Verantwortung übernehmen. Egal ob für oder gegen Karriere. Manche machen eben keine Karriere. Weil nicht jeder gut genug ist. Das gilt genauso für Männer. Nur können diese später nicht sagen, sie hatten keine Möglichkeit.