Experten erklären, auf welche Formulierungen Mitarbeiter achten sollten. Schlechte Noten bekommen sie auch aus Unwissenheit der Vorgesetzten

Frauen, die gern flirten, bekommen ins Arbeitszeugnis geschrieben: "Für die Belange der Belegschaft bewies sie stets Einfühlungsvermögen." Und dem Kollegen, der auch mal ein Glas zu viel trinkt, wird attestiert: "Er trug durch seine Geselligkeit zur Verbesserung des Betriebsklimas bei." Die Klischees kennt jeder, der mal einen Ratgeber dazu gelesen hat. Verena Janßen, Inhaberin der VeJa-Zeugnisberatung in Hamburg, schüttelt den Kopf: "Das findet man nicht in Arbeitszeugnissen, nur in den Büchern zum Thema. Es gibt keine Liste von Phrasen, die eine bestimmte negative Bedeutung haben."

Das sieht Dr. Thorsten Knobbe, Geschäftsführer der Managerberatung Leaderspoint.de in Dortmund ähnlich. "Diese sogenannten Geheimcodes wie 'bemühte sich redlich' kommen selten vor. Wenn kritisiert wird, dann wird im Zeugnis etwas weggelassen." Wolle der Arbeitgeber zum Beispiel deutlich machen, dass es an der Führungsqualität hapert, fehle eine entsprechende Aussage dazu. Er erlebe es immer wieder, dass wichtige Tätigkeiten nicht angeführt werden, sagt Knobbe.

Leerstellen im Zeugnis sagen genauso viel wie eine schlechte Bewertung

Verena Janßen nennt das Leerstellentechnik - "das Schweigen zu etwas, das man erwarten würde". Zum Arbeitseinsatz des Mitarbeiters etwa oder seiner Kommunikation mit Kunden. Allerdings müsse man immer in Erwägung ziehen, dass der Verfasser des Zeugnisses den entsprechenden Passus einfach nur vergessen haben könnte, schränkt Janßen ein. Eine böse Absicht würde sie pauschal nicht unterstellen.

Nichtsdestotrotz lohnt es sich für den Empfänger eines Zeugnisses natürlich, kritisch unter die Lupe zu nehmen, was der ehemalige Chef ihm so zuschreibt - ohne sich allzu lange Zeit dafür zu lassen. Starre Fristen für einen Widerspruch existierten zwar nicht, sagt Zeugnisberaterin Janßen - "es gibt Urteile, die sehen den Anspruch auf Änderungen schon nach vier Monten als verwirkt an, andere erst nach zehn Monaten". Um auf der sicheren Seite zu sein, sollte man aber möglichst innerhalb von drei Monaten reklamieren, was einem nicht gefällt.

Thorsten Knobbe beschreibt den klassischen Aufbau eines Arbeitszeugnisses: Erst die Einleitung mit Namen und Tätigkeit, dann folgen die Beschreibung der Aufgaben, die Beurteilung des Fachwissens, anschließend der Leistung - "das darf gern auch ausführlicher ausfallen" -, dann die Beurteilung des Verhaltens, und am Ende folgt die Schlussformel. "In der Einleitung sollte nicht stehen, dass der Mitarbeiter bei der Firma 'beschäftigt' war", betont Knobbe. Es müsse "tätig" heißen - "denn das klingt viel aktiver".

Schreibt der Arbeitgeber in den zusammenfassenden Sätzen über die Arbeit seines ehemaligen Mitarbeiters die Formel "stets zu unserer vollsten Zufriedenheit", ist das eine Top-Bewertung. "Lautet die Beurteilung nur 'zu unserer Zufriedenheit', wäre das das andere Ende der Skala", erklärt Führungskräfteberater Knobbe. Merkmal eines hervorragenden Zeugnisses sei es, dass in den zusammenfassenden Sätzen Superlative gebraucht würden.

"Die Zeugnissprache ist eine ganz eigene", sagt Verena Janßen. "Arbeitgeber sind verpflichtet, Zeugnisse sowohl wohlwollend als auch wahr zu formulieren. Aus diesem Spagat hat sich die Zeugnissprache entwickelt." Doppelte Verneinungen etwa seien - anders als in der normalen Sprache - immer negativ gemeint: "nicht unerheblich, tadellos, außer Zweifel", nennt Janßen ein paar Beispiele.

Auch in der Reihenfolge der genannten Tätigkeiten verstecke sich mitunter ein Hinweis auf die Qualität des Mitarbeiters: "Wenn zum Beispiel bei einer Sekretärin wenig qualifizierte Tätigkeiten wie die Ablage nach vorn gestellt werden, anspruchsvolle Aufgaben wie Reise- oder Eventorganisation erst am Ende genannt werden. Dann kann man davon ausgehen, dass die Mitarbeiterin in den schlichteren Tätigkeiten besser war", erklärt Verena Janßen.

Das Wichtigste an einem Zeugnis indes bleibt die Abschlussformel: "Für seinen weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir Herrn K. alles Gute und weiterhin viel Erfolg." Fehle das "weiterhin", bedeute das, der Mitarbeiter habe in seinem alten Unternehmen keinen rechten Erfolg gehabt, sagt Thorsten Knobbe.

Referenzen könnten zukünftig wichtiger sein als Zeugnisse

Ein Minenfeld, die Zeugnissprache. Manche sehen darum im Arbeitszeugnis auch ein Auslaufmodell. "Es gibt Alternativen", betont Karriereberater Thomas Landwehr aus Seevetal. Die persönliche Referenz zum Beispiel. "Die kennen wir aus England schon lange." Oder soziale Netzwerke. Landwehr: "Es gibt kaum einen Personaler, der nicht im Netz recherchiert." Und das alles habe deutlich mehr Aussagewert als die oft von den Mitarbeitern selbst geschriebenen Zeugnisse.

Das Selbstschreiben findet Landwehr generell problematisch: "Wenn man ein Zeugnis liest, schafft das ein Bild von dem Menschen. Versucht derjenige, sich selbst zu beschreiben, entsteht da oft eine Diskrepanz." Der Personalentscheider im Bewerbungsgespräch bekomme das Gefühl: "Das ist gar nicht der, der vor mir sitzt." Ein schlechter Einstand fürs Interview.

Doch dahin muss man erst einmal kommen. "Finden sich Ungereimtheiten im Zeugnis, kann das zur Stolperfalle werden", sagt Verena Janßen. "Denn im ersten Stadium mache ich mir als Personaler nicht die Mühe, ein Zeugnis zu hinterfragen - wenn ich genügend unkritische Bewerbungen habe."