Hoher Anspruch an Außendienstler: Sie brauchen Fachwissen, Verkaufstalent, emotionale Intelligenz - und werden verzweifelt gesucht

Sie sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt wie kaum eine andere Profession. Doch ihr Ruf ist nicht der beste. Dampfplauderer, Klinkenputzer, Nervensägen - so stempelt man Vertriebler auch heute gern noch ab. "Bei den Hochschulabsolventen genießt der Job im Außendienst nicht unbedingt hohes Ansehen", sagt Christian Fiege, Chef der GKM-Recruitment AG, die auf Vertriebspositionen spezialisiert ist. Weit beliebter seien immer noch Marketing oder Controlling. Dem Verkauf haftet der Geruch von Anbiederung und Knochenarbeit an. "Aber das wandelt sich gerade", sagt Christian Fiege.

Auch weil die Praxis ganz anders aussieht. Thomas Mehls arbeitet in Berlin als Außendienstler im Bereich Licht für Philips. "Die Akquisition neuer Kunden läuft meist über Projekte", sagt der 40-Jährige. Die Termine spricht er vorher ab. Selten geht es um den schnellen Verkauf. Es gibt Projekte, die sich über mehrere Jahre hinziehen - zum Beispiel die Beleuchtung für einen neuen Bahnhof. Andere dauern immerhin noch einige Wochen. Nicht selten erarbeitet Mehls ganze Beleuchtungskonzepte gemeinsam mit dem Kunden.

Über die Jahre entwickelt sich oft ein enges Verhältnis zum Kunden

"Steht der Auftrag, ist der Außendienstler oft weiter eingebunden und kümmert sich um die Umsetzung", sagt Karin Lindroth von der Personalberatung Salesjob. Bei größeren Projekten entwickelt sich über die Jahre ein enger Kontakt zum Kunden. "Manchmal wird der Außendienstmitarbeiter sogar zum Abendessen dazugebeten", sagt Timo Holland, verantwortlich für den Vertrieb beim Versicherer HanseMerkur.

Viele Unternehmen suchen zurzeit händeringend solche Verkaufstalente. Nach der Krise wollten die Firmen jetzt verstärkt einstellen, sagt Karin Lindroth von Salesjob. Auf ein Gesuch komme aber meist nur eine Handvoll Bewerber. Ähnliches erlebt auch Fiege: "Gerade im technischen Vertrieb gibt es einen Engpass." Thomas Mehls zum Beispiel musste für seine Anstellung bei Philips noch nicht einmal eine Bewerbung schreiben. Er wurde vor gut einem halben Jahr direkt über das Online-Netzwerk Xing angeworben.

Gute Leute zu finden ist nicht zuletzt deswegen so schwierig, weil Vertriebler nicht bloß gute Verkäufer sein müssen, sondern auch gute Fachkenntnisse brauchen. Schließlich werden die Produkte der Firmen immer komplexer. "Dafür braucht man nicht selten hochqualifiziertes Personal", sagt Andreas Gögel von der Hanseatischen Akademie für Vertrieb und Führung in Hamburg. Thomas Mehls arbeitete vor seinem ersten Job im Außendienst zehn Jahre als Elektrotechniker. Er hat seinen Meister in der Tasche und ein Studium in Lichtanwendung absolviert.

Gern genommen werden Ingenieure, aber auch Betriebswirte. Eine technische Ausbildung zum Beispiel als Mechatroniker kann ebenfalls Basis für eine Karriere im Außendienst sein. Expertise zählt ebenso im Finanzbereich. "Quereinsteiger durchlaufen bei uns eine Ausbildung über 230 Unterrichtseinheiten zum Versicherungsfachmann", sagt Holland von HanseMerkur. So erlangten sie die nötige Sachkunde.

"Für viele Gebrauchsgüter kann man sich das nötige Wissen auch schneller aneignen", sagt Akademie-Leiter Gögel. Von vornherein stimmen muss allerdings die Persönlichkeit. "Schaumschläger sind nicht gefragt", sagt Fiege. Auf "laut und grell" würden viele Firmen geradezu allergisch reagieren. Redegewandtheit - aber verbunden mit Empathie - ist nach wie vor wichtig. Die Kunden von Lichtexperte Thomas Mehls sitzen in der Behörde, in Architekturbüros oder bei Betreibern von Beleuchtungsanlagen.

Verkäufer müssen emotional intelligent sein und ihren Kunden zuhören können

Täglich hat er drei bis fünf Termine vor Ort. Dabei muss er sich immer wieder auf andere Menschen einstellen. Der Verkäufer von heute kann zuhören und dem Kunden auch komplizierte Produkte erklären. "Der Auftritt muss ebenso stimmen wie die emotionale Intelligenz", sagt Timo Holland von HanseMerkur.

Verhandlungsgeschick und Abschlussstärke - ohne diese Eigenschaften kommt es am Ende nicht zum Auftrag. "Ausdauer, Beharrlichkeit und ein starker Erfolgswille sind dafür Voraussetzung", sagt Andreas Gögel von der Akademie für Vertrieb. Ebenso Organisationstalent und Selbstmotivation, schließlich bedeuten zehn Termine oft acht Absagen. Zudem muss der Vertriebler den Druck aushalten, sich immer wieder im Vergleich mit anderen am Umsatz oder der Zahl abgeschlossener Projekte messen zu lassen.

"Das eigenverantwortliche Arbeiten macht neben dem Kundenkontakt gerade den Reiz aus", findet Vertriebler Thomas Mehls. Viele lockt auch die ansehnliche Vergütung (s. Kasten). Ob die Termine mit den Kunden, die Prioritäten der Woche oder langfristige Strategien - Mehls organisiert seine Arbeit weitgehend selbstständig. Dabei bleibt viel Raum für Kreativität. Sein Arbeitstag beginnt und endet nicht zu festen Zeiten, sondern richtet sich nach Projekten und Anforderungen des Kunden. Am Ende zählt das Ergebnis.

Wer es in den Außendienst geschafft hat, dem eröffnen sich hiernach gute Aufstiegschancen. "Key Account Manager oder Vertriebsleiter wäre bei Philips die nächste Stufe", sagt Mehls. Auch in andere Produktsparten könne man wechseln sowie ins Marketing oder ins Produktmanagement. "Gerade bei der Entwicklung von Neuheiten werden Außendienstler gern eingebunden", sagt Mehls. Schließlich kennen sie die Bedürfnisse der Kunden wie kein Zweiter, um sie dann für die Innovationen von morgen zu übersetzen.