Kandidaten im Bewerbungsgespräch: Kleidung unpassend, Verhalten unhöflich, Antworten unbedacht - alles kann zur Stolperfalle werden

Hambu. Seine Prüfung beginnt schon, wenn der Bewerber noch gar nicht darauf gefasst ist: "Sind Sie gut angekommen?" So etwas fragen Personaler und Entscheider gern, wenn sie den Kandidaten zum Jobinterview begrüßen. Um das Eis zu brechen, um eine angenehme Atmosphäre herzustellen - aber auch, um daraus erste Schlüsse zu ziehen.

"Der Personaler will auf diese Frage nichts von Bahnstreiks oder anderen Schwierigkeiten bei der Anfahrt hören", sagt Gabriele Lindner, Bewerbungsberaterin in Berlin. "Selbst wenn Sie wirklich Stress hatten, erzählen Sie besser nichts davon." Wer bei der erstbesten Gelegenheit zu jammern anfängt, macht keinen guten Eindruck.

Denn 70 bis 80 Prozent der Entscheidung für oder gegen einen Kandidaten sind emotionaler Natur, glaubt die Hamburger Business-Trainerin Susanne Sehrt. Die Psychologin hat jahrelang als Führungskraft gearbeitet und selbst Personalentscheidungen gefällt. "Und ich habe nie denjenigen eingestellt, der dem Profil nach am besten war." Qualität sei die eine Sache, sagt sie. Die Gunst der Stunde die andere.

"Man kennt das ja auch aus dem privaten Bereich - es gibt einfach so etwas wie spontane Sympathie oder Abneigung." Jemand, der die gleichen Präferenzen zeige, und sei es nur in der Kleidung, werde positiver wahrgenommen als jemand, zu dem man eine Kluft verspüre. Das Standardisieren von Interviewfragen, um Bewerber besser vergleichen zu können, helfe da kaum.

Arbeitgeber erwarten, dass Bewerber ihre Firma schon gut kennen

Heißt das dann, Bewerber sollten sich lieber anpassen, als sich ehrlich als das Individuum zu präsentieren, das sie sind? "Unternehmen erwarten vom Mitarbeiter, dass sie mit dem Kopf des Adressaten denken", erklärt Claus Peter Müller-Thurau, Coach und Personalentwickler aus Hamburg. Das bedeute, der Kandidat müsse sich auch Gedanken darüber machen, wie sein Auftreten und seine Kleidung wohl beim Gegenüber ankommen.

"Jeder Mitarbeiter trägt schließlich zum äußeren Erscheinungsbild des Unternehmens bei", sagt Müller-Thurau. Gerade wenn derjenige Außenkontakte hat, müssen auch die Grundlagen der Etikette sitzen. Hired by ability, fired by personality - der in der Consultingbranche geprägte Spruch habe immer noch seine Bedeutung, sagt Claus Peter Müller-Thurau.

"Viele Bewerber verzetteln sich, wenn sie im Bewerbungsgespräch aufgefordert werden, sich selbst zu präsentieren", hat Elke Zuchowski, Bewerbungs- und Karriereberaterin in Essen, beobachtet. "Sie nennen zahlreiche berufliche Stationen oder Kenntnisse, die für die aktuelle Stelle gar nicht relevant sind", kritisiert sie. "Dabei geht es in diesen wenigen Minuten der Eigenpräsentation vor allem darum herauszustellen, dass das eigene Profil ideal zu der ausgeschriebenen Stelle passt."

Bestens über das Unternehmen informiert zu sein, gehöre zur Vorbereitung unbedingt dazu, mahnt Zuchowski. Der Bewerber sollte dazu dessen Pressemitteilungen lesen, Produkte und Personalien kennen und wissen, wer die Konkurrenten am Markt sind. "Vielleicht werden Sie gefragt: Was glauben Sie, ist das schwerwiegendste Problem oder die größte Herausforderung für unsere Branche? Es hinterlässt einen sehr schlechten Eindruck, wenn Sie als Bewerber da gar nichts einbringen können", hebt die Karriereberaterin hervor.

Sich zu informieren sowie auf seine Selbstpräsentation und mögliche Fragen vorzubereiten, hält auch Heidrun Jürgens, Inhaberin der gleichnamigen Personalberatung in Hamburg, für wichtig. Vom Auswendiglernen der einschlägigen Fachliteratur rät sie aber dringend ab. "Durch die ganzen Ratgeber werden Bewerber zu Fachidioten", sagt sie. "Als Personaler will ich nicht, dass mir jemand ein Bewerbungsbuch vorträgt. Ich will doch erfahren, wer da vor mir sitzt!" Wen sie vor sich haben, versuchen Personaler unter anderem mit der Frage "Was ist Ihnen wichtig?" herauszufinden. "Antwortet der Bewerber als erstes mit 'ein harmonisches Umfeld', disqualifiziert er sich sofort", sagt Jürgens. "Was ist mit Verantwortung? Mit anspruchsvollen Aufgaben? Damit, seine Kreativität einbringen zu können?" Wer die "Kuschelnummer" suche, komme bei Personalern nicht an.

Bei Fragen nach Schwächen nicht zu ehrlich sein

Bei Bewerbern seit jeher unbeliebt ist die Frage nach ihren Schwächen. "An dieser Stelle brechen viele ein", weiß Coach Müller-Thurau. "40 Prozent sagen, ich bin ungeduldig. 45 Prozent, ich bin perfektionistisch." Das seien Standardantworten, von denen Bewerber glauben, sie werfen dennoch ein gutes Licht auf sie. "Der Rest will witzig sein und antwortet: Schokolade." Müller-Thurau findet das lächerlich.

Bewerbungsexpertin Lindner auch. "An dieser Stelle 'Gummibärchen' zu sagen, löst eher Unmut aus", sagt sie. Ihre Alternative: "Überlegen Sie, was Ihren Partner am meisten nervt und wie Sie das im Job einsetzen können." Seien Sie ehrlich, aber nicht zu ehrlich: "Wenn Sie Langschläfer sind, können Sie das zugeben - aber nur, wenn Sie in diesem Job Gleitzeit arbeiten können." Tabu seien etwa Zahlenschwächen bei Buchhaltern oder Schwierigkeiten bei administrativen Aufgaben im Sekretariat.

Erfolg im Bewerbungsgespräch ist aber auch eine Einstellungssache. "Eine Frage der Perspektive", sagt Bewerbungstrainerin Susanne Sehrt. "Wenn man etwas nicht als Problem sieht, ist es auch keines", behauptet sie. Ob 50-plus-Bewerber, Mutter mit Kind oder Langzeitarbeitsloser: "Wer sich sagt, er werde keinen Erfolg haben und sowieso abgelehnt werden, der wird auch scheitern." Was tun? Den eigenen Fokus vom "Problem" nehmen. "Und sich mal klarmachen, worin man wirklich gut ist", sagt Sehrt. "Das Maß, in dem ich glaube, ich schaffe das, ist das Maß, in dem ich das auch tatsächlich schaffe."