Von Beruf Trendforscher. Die Wissenschaftler versuchen zu ergründen, was den Käufer der Zukunft bewegt

Hamburg. "Die Zukunft ist schon da. Sie ist nur ungleich verteilt." Dieser Ausspruch wird dem Science-Fiction-Autor William Gibson nachgesagt. Für Patrick Schenck, Trendforscher vom Trendbüro in Hamburg, beschreibt dieses Zitat ganz gut seinen Arbeitsalltag. "Wir achten auf Veränderungen: Warum sind Apps so erfolgreich? Warum Bio-Lebensmittel? Wir arbeiten die Motive heraus", sagt der 32-Jährige.

Was Verbraucher noch in zehn, 15 Jahren wollen, ist wichtiges Wissen für Unternehmen. Gerade Automobil-Konzerne sind darauf angewiesen, dass ihr neues Modell auch dann noch den Geschmack der Zeit trifft. Denn zwischen Entwicklung und massentauglicher Fertigung vergehen schließlich einige Jahre.

Psychologen, Linguisten, Tourismusexperten, Designer oder Kulturwissenschaftler gehören zum Team des Trendbüros. Patrick Schenck untersucht Märkte, die in bestimmten Bereichen beispielhaft sind. Er analysiert sogenannte Lead-User, also die Käufer, die als erste ein neues Produkt ausprobieren und damit als Vorbild für andere gelten. Er führt Interviews, spricht mit Experten. Die Definition eines Trends fällt dann aber doch ganz nüchtern aus. "Ein Trend ist ein gesellschaftlicher Anpassungsmechanismus an veränderte Rahmenbedingungen", erklärt Schenck. Wer die großen Treiber für diese Veränderungen ausmacht, kommt der Zukunft ein Stück näher.

Für die Automobil-Industrie ist es vor allem der durch den Klimawandel gewachsene Effizienzdruck. Nicht mehr die reine PS-Zahl ist für einen Kauf entscheidend. Vielmehr steht die Effizienz im Vordergrund. Als Statussymbol verliert das Auto allerdings an Bedeutung. "Bei vielen hat das Smartphone den Wagen als Statussymbol überholt", sagt Schenck. Der Nutzungsaspekt des Autos wird wichtiger, ebenso flexibel zu sein, gut von A nach B zu kommen. Auch die Freude an der Fahrt wird als Wert an sich betrachtet.

Je weiter er in die Zukunft denkt, desto unsicherer werden Schencks Prognosen. Ab dem Jahr 2030 spricht er nur noch von Gedankenexperimenten - etwa dazu, wie die Mobilität zu diesem Zeitpunkt aussehen könnte. Auch regionale Unterschiede müssen bei den Prognosen bedacht werden. Ein Konzept kann sich unter Umständen in der Stadt durchsetzen, auf dem Land hingegen scheitern.

Trendforscher sind nicht unbedingt die Entdecker der nächsten großen Sache. Agenturen und Forschungsinstitute würden häufig als Lieferanten von signifikant Neuem missverstanden, schreibt der Autor und Zukunftsforscher Matthias Horx. Doch Wandel ginge meist graduell und langsam vonstatten. Die Folge sei eine Inflation von Trendbegriffen zu Phänomenen, die immer marginaler und irrelevanter würden.

Eine bestimmte Grundhaltung muss man als Trendforscher mitbringen. "Offenheit für Veränderungen ist unerlässlich", sagt Nadine Endress, Trendforscherin beim Automobilkonzern Audi. "Wer denkt, dass früher alles besser war, ist da nicht gut aufgehoben." Bei Audi arbeiten Betriebswirte neben Psychologen und Designern. Sich über Fachgrenzen und Ländergrenzen hinweg auszutauschen, ist für den Beruf erforderlich.

Nadine Endress ist mit ihrem Team auf der Suche nach Megatrends - Themen, die über viele Jahre hinaus die Diskussion dominieren werden. Einfachheit ist ein solches Thema. Endress untersucht andere Marken und Unternehmen. Wie gehen sie mit dem Thema um? Was bedeutet Einfachheit für Google, Apple oder den Hersteller von Bionade? Mit ihren Kollegen aus unterschiedlichen Bereichen des Konzerns versucht sie, die großen Trends auf das Produkt, die Kommunikation oder die Marke herunterzubrechen. Sie setzt dabei auf Zusammenarbeit in Workshops oder übers Intranet. "Wir sind Dienstleister im Unternehmen. Was zählt, ist die konkrete Lösung für den Kunden von morgen. Dabei beraten wir die Fachbereiche", erklärt Endress.

Die Suche nach einem Trend kann auch mit einer Frage beginnen: Was bedeutet "Premium" für die Zukunft? Für einen Autokonzern, der sich als Premium versteht, ist das eine entscheidende Frage. Auch bei Audi ist man zu dem Schluss gekommen, dass nicht nur die Größe eines Wagens das Prestige bestimmt. "Selbstverwirklichung und Zeit, das sind Werte, die wichtiger werden", sagt Endress. Solche Werte können auch zu Kleinwagen passen. Gut möglich, dass Autobauer eines Tages dazu übergingen, nicht mehr das Auto selbst, sondern Mobilität als Ganzes als ihr Produkt zu verstehen, sagt Trendforscher Patrick Schenck.