Start ins Studium: Mehr Studenten suchen psychologische Beratung. Zur Vorbeugung Stress mindern

Hamburg. Studenten kennen das Klischee: Studium ist wie Urlaub, nur mit noch mehr Freizeit. Doch wer das denkt, hat garantiert noch nie einen Vorlesungssaal von innen gesehen. Spätestens nach zwei Wochen ist klar: Studieren ist keine Party ohne Pause.

"Schon die ersten Tage an der Uni können für Erstsemester Stress bedeuten, denn sie kennen noch niemanden und finden sich nicht zurecht", weiß Christoph Wendt, Diplom-Psychologe bei der Zentralen Studienberatung der Technischen Universität Harburg. "Deshalb ist es umso wichtiger, Ansprechpartner kennenzulernen, sich Unterstützung zu holen und ein soziales Netzwerk an der Uni aufzubauen."

Um den "Erstis" den Einstieg zu erleichtern, hat die Hochschule das Programm "StartING@TUHH" ins Leben gerufen, bei dem Studenten der höheren Semester den Neuen zur Seite stehen. "In den alten Studiengängen hatte man noch Zeit, sich erst einmal an der Uni einzuleben. Heute gehören abschlussrelevante Prüfungen vom ersten Semester an dazu", beschreibt der Psychologe den Druck, der gleich zu Beginn auf vielen Studenten lastet.

Tatsächlich verzeichnen Hochschulen seit der Einführung der neuen Bachelor- und Master-Studiengänge einen Anstieg der sogenannten Erstkontakte mit psychologischen Beratungsstellen um bis zu 20 Prozent. "Wir können feststellen, dass Studenten zunehmend unter Stressphänomenen leiden, die das Studium erschweren und manchmal sogar gefährden", sagt Jürgen Allemeyer, Geschäftsführer des Studierendenwerks an der Uni Hamburg. "Da spielen sehr persönliche Situationen eine Rolle, zum Beispiel die Dreifachbelastung durch Kinder, Studium und Job oder auch Krankheiten."

Ein überladener Stundenplan und die ständige Angst, keinen Masterplatz zu bekommen sind nur zwei von vielen Faktoren. "Stress hat zahlreiche Gründe, deshalb gilt es erst einmal zu klären, woher er kommt", sagt Psychologe Christoph Wendt. "Bei einigen sind es die Prüfungen, bei anderen die Organisation des Uni-Alltags, wieder andere Studenten jobben nebenbei und haben dadurch Stress."

"Viele Studenten neigen dazu, sich keine Pausen zu gönnen und einen 14-Stunden-Arbeitstag zu haben", sagt der Psychologe. "Aber keiner kann permanent in einer Dauerüberforderung studieren." Wendt rät dazu, Arbeitszeit und Freizeit vernünftig zu mischen.

Bernd Nixdorf ist Diplom-Psychologe in der psychologischen Beratung der Universität Hamburg. Auch er weiß, dass zu hohe Selbstansprüche häufig eine Ursache für Stress sind. "Wenn jemand schon 20 Stunden arbeitet und dazu noch 40 Stunden studieren will, dann kann das nicht funktionieren." Dann müsse man sich fragen, ob die Arbeit oder das Studium reduziert werden könne. "Bei einer Doppelbelastung aus Familie oder Job und Studium kann es zum Beispiel sinnvoll sein, einen Teilzeitstudienstatus zu übernehmen."

Wichtig sei außerdem, eine Struktur zu entwickeln, mit der man gut leben und arbeiten könne. "Das muss nicht unbedingt diejenige sein, die auch für den Kommilitonen die beste ist", sagt TU-Psychologe Christoph Wendt.

Vivian Wendt, Leiterin der Studentischen Telefonseelsorge Hamburg, hält einen sinnvollen Ausgleich zum Studium für wichtig, um den Stress zu kompensieren. "Das kann ein Ehrenamt sein oder etwas anderes, das mir Freude macht und mich wachsen lässt", sagt die Pastorin.

Ob Geige spielen, Seidenmalerei, Sport - "jemand, der viel Leistung bringt, muss auch viel dafür tun, um sich zu regenerieren. Das gilt für Hochleistungssportler und Studenten gleichermaßen", sagt Psychologe Nixdorf. Und noch etwas möchte er Studenten mit auf den Weg geben: "Nirgendwo steht, dass Sie Ihr Studium tatsächlich in der Regelstudienzeit schaffen müssen!" So kämen regelmäßig Studenten zu ihm in die Beratung, die Angst hätten, mit 23 schon zu alt für den Arbeitsmarkt zu sein. "Dabei muss man sich gar keinen Stress machen", sagt der Psychologe und schmunzelt. "Auch mit Mitte zwanzig ist noch niemand zu alt."

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