Besuche bei Ärzten, Fahrerei, Gesundheitspolitik erklären - der Job des Pharmaberaters ist anstrengend. Erfolg zeigt sich am Verkauf über Apotheken

Hamburg. "Als Pharmareferent ist man für den Arzt ein Scout im Informationsdschungel", sagt Judith Kramer, Chefin der Marken- und Wissenschaftskommunikation bei der Pharmafirma Sanofi-Aventis. Das sei ein Job, der fachlich fordere und viel Verantwortung mit sich bringe. Die studierte Ernährungswissenschaftlerin arbeitet seit mehr als 30 Jahren in der Pharmabranche.

Sechs Jahre war sie im Vertrieb aktiv. "Ich möchte keine Minute missen. Das war eine Schule des Lebens und ein Adventskalender pur", resümiert Kramer. Wenn man die Praxis eines Arztes betrete, wisse man nie, auf wen man treffe oder wie die Stimmung gerade sei. Man lerne, mit Menschen umzugehen und dabei auch sehr viel über sich selbst. "Der Erfolg der Arbeit bemisst sich unter anderem am Abverkauf der beworbenen Medikamente in den Apotheken des Gebiets", erklärt Kramer. Die Zahlen liefere der Pharma-Dienstleister IMS. Das Unternehmen erfasse die Auslieferungen des Großhandels zu den einzelnen Apotheken.

Rund acht Termine absolvieren Pharmareferenten pro Tag

"Abhängig von der Gebietsgröße und den zu vermarktenden Medikamenten absolvieren unsere Pharmaberater etwa acht Termine pro Tag", erklärt Torsten Boethin, Vertriebsleiter der Rottapharm Madaus GmbH und Chef von mehr als 100 Außendienstlern. "Rund 200 Arbeitstage sind sie bei Ärzten, mehr als die Hälfte der Zeit entfällt an diesen Tagen allerdings auf Autofahrten und Wartezeiten." Natürlich versuche man, Termine bei den Ärzten zu machen, aber man störe den regulären Ablauf in den Praxen und werde deshalb oft dazwischengeschoben, wenn es dem Arzt gerade passe. Neben der Zeit im Außendienst entfielen noch 20 bis 30 Arbeitstage pro Jahr auf Büroarbeiten und Schulung, sagt Boethin.

Die Einteilung der Gebiete nehmen Pharmafirmen abhängig von Medikament und Zielgruppe vor. "Bei unseren Produkten für Orthopäden und Allgemeinmediziner haben wir die Bundesrepublik in 45 Gebiete aufgeteilt, bei Medikamenten für Urologen und Gynäkologen sind es 35 Gebiete, 20 bei Substanzen, die rezeptfrei über Apotheken vermarktet werden", erläutert Vertriebsleiter Boethin. Jedes Gebiet werde von einem Berater betreut.

Reiz und Fluch des Berufes liegen dicht beieinander: Pharmareferenten sind Manager des eigenen Gebietes und des eigenen Erfolges. Dienstwagen, Handy, PC und Navigationssystem werden zwar vom Unternehmen gestellt, Organisationstalent und Selbstdisziplin müssen die Pharmaberater aber selbst mitbringen. Es geht für sie darum, zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Produkten den richtigen Arzt zu besuchen. Nicht jedes Gespräch wird ein Erfolg.

Bedingt durch den zunehmenden Kostendruck im Gesundheitswesen ist das klassische Berufsbild des Pharmareferenten dabei, sich zu verändern. Ging es früher hauptsächlich darum, Informationen der Pharmaunternehmen an Ärzte und Apotheker weiterzugeben, sind Pharmaberater heute gefordert, zusätzlich komplexe wirtschaftliche und gesundheitspolitische Zusammenhänge zu vermitteln. Das liegt daran, dass immer mehr Ärzte in Netzwerken oder medizinischen Versorgungszentren organisiert sind, die von einem Management geführt werden, das auch die Behandlungsleitlinien bestimmt. Statt der Ärzte ist das Management der Ansprechpartner.

Die klassische Ausbildung zum Pharmareferenten gilt in der Branche aber immer noch als gute Basis. Danach sollten sich die Berater weiter qualifizieren. An der Fachhochschule Hannover zum Beispiel wird das nach eigenen Angaben bundesweit einzigartige Weiterbildungsstudium zum "Health Manager Pharma" angeboten. In 13 Monaten werden dort Gesundheitspolitik, -ökonomie, BWL und juristische Themen gelehrt.

Dass sich das Berufsbild verändert, bestätigt auch der Sprecher des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI) Joachim Odenbach: "Der Arbeitsmarkt für Pharmaberater alter Schule wird kleiner, weil sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändert haben." Im Rahmen von Rabattverträgen mit Herstellern legen Krankenkassen jetzt zentral fest, welche Generika (Anm. der Red.: wirkstoffgleiche Kopien von nicht mehr patentgeschützten Medikamenten) erstattet werden.

Einige Zeitarbeitsfirmen sind auf Verleih von Pharmaberatern spezialisiert

Das reduziert die Entscheidungskompetenz der Ärzte, da die Auswahl der Generika durch die Apotheker im Einklang mit den Rabattverträgen erfolgt. Als Ansprechpartner verlieren Ärzte für Pharmafirmen damit an Bedeutung. Statt eigene Außendienste zu unterhalten, greifen Pharmaunternehmen deshalb vermehrt projektbezogen auf Personaldienstleister zurück.

Unternehmen wie zum Beispiel die Beratung Marvecs und der Dienstleister Quintiles bieten Leih-Außendienste an. "Bekommen wir Zulassungen für neue Medikamente und benötigen temporär fachlichen Sachverstand, buchen wir dort Personal", sagt Judith Kramer von Sanofi-Aventis. Für qualifizierte Zeitarbeiter bestünden allerdings durchaus gute Übernahmechancen.

Über die Tätigkeit als Pharmaberater den Einstieg in die Branche zu finden sei noch immer sehr lohnend, weil man Teil einer innovativen und zukunftsweisenden Branche sei, findet BPI-Sprecher Odenbach. "Das, was man in diesem Job lernt, sind Qualitäten, die eine gute Grundlage für die weitere Karriere sind", bestätigt Judith Kramer, die es über viele Karrierestufen hinweg bis zu Leitung der Business-Unit Marketing und Vertrieb bei Sanofi-Aventis gebracht hat, bevor sie in die Kommunikationsabteilung wechselte.