Personalberater Ibrahim Çifçi will, dass sich Arbeitgeber und türkische Bewerber besser kennenlernen. Er organisiert Firmenbesuche.

Deutsche Arbeitgeber und türkische Bewerber wissen zu wenig voneinander, meint Ibrahim Çifçi. Aus diesem Grund haben junge Migranten selbst mit hervorragenden Abschlüssen Probleme bei der Jobsuche. Das will der 34-Jährige, Mitinhaber der Personalberatung Career Job Agents, ändern.

Abendblatt:

Was ist das größte Problem für Absolventen aus Migrantenfamilien?

Ibrahim Çifçi:

Sie haben ein Studium - aber noch keine praktische Erfahrung. Teilweise finden sie über Jahre hinweg keine adäquate Arbeit. Da wird es mit der Zeit nur noch unwahrscheinlicher, dass eine Bewerbung mal erfolgreich ist. Viele sind dann perspektivlos, weil sie das Gefühl haben, sie hätten jede Möglichkeit genutzt - aber es trotzdem nicht geschafft.

Warum sind Arbeitgeber an ihnen weniger interessiert?

Çifçi:

Das hat unterschiedliche Gründe. Oft fehlen ihnen trotz akademischen Titels die wirklich relevanten Praktika, insbesondere bei renommierten Unternehmen. Ich habe aber auch schon mal vor einigen Jahren in meiner früheren Tätigkeit als Angestellter einer gemeinnützigen GmbH erlebt, wie Bewerber wegen ihrer Herkunft nicht berücksichtigt wurden. Zu sagen, Ressentiments spielen eine Rolle, wird der Sache aber nicht gerecht. Das Problem ist: Die erste Generation der Türken wurde immer nur als Gäste angesehen. Das Türkisch-Sein war nicht mit positiven Attributen besetzt. Das hat sich bei vielen leider bis heute gehalten - trotz Globalisierung.

Wie reagieren die frustrierten Bewerber?

Çifçi:

Die Erfolglosigkeit wirft grundlegende persönliche Fragen auf. Viele sagen sich: Wenn mir meine Qualifikation in Deutschland keine Karriere ermöglichen kann, gehe ich in die Türkei - dort werde ich dafür geschätzt. Doch aus Firmensicht ist es ein Fehler, sie gehen zu lassen - gerade angesichts des Fachkräftemangels.

Das Institut zur Zukunft der Arbeit hat festgestellt, dass Bewerber mit türkischen Nachnamen weniger Einladungen zu Bewerbungsgesprächen bekommen.

Çifçi:

Diese Studie hat verifiziert, was ich erlebe. Vor allem einige kleine und mittelständische Firmen haben Vorbehalte. Man darf aber nicht resignieren. Deutschland ist ein offenes und multi-ethisches Land. Wir müssen zusehen, dass wir die Leute, die wir hier haben, gewinnen - für Deutschland.

Sie müssen sich doch sehr darüber ärgern, dass Unternehmen immer von Vielfalt reden - aber nicht danach handeln.

Çifçi:

Global gesehen, in einem Konzern, ist Diversität ja vorhanden. Bei einer deutschen Großbank in Frankfurt spielt es keine Rolle, ob ein Mitarbeiter aus Deutschland, Indien oder der Türkei kommt. Hier wird die unterschiedliche Herkunft als Bereicherung angesehen um eine produktivere Gesamtatmosphäre im Unternehmen zu erreichen. Beispielsweise habe ich vor einem Jahr einen türkischstämmigen Top-Manager bei einer Schweizer Bank platziert, der ein Team von 20 Spezialisten übernommen hat. Sobald man sich aber eher regional bewegt, sieht das anders aus. Warum gibt es beispielsweise in Blankenese praktisch keine türkischstämmigen Immobilienmakler oder Bankkaufleute?

Heißt das, Sie raten Jugendlichen dazu, sich eine spezialisierte Nische zu suchen?

Çifçi:

In erster Linie hilft die Fachkompetenz. Aber was ich wirklich glaube ist, dass wir die Leute zusammenbringen müssen. Darum organisiere ich Betriebsführungen für Migranten. Sie sollen einen Einblick in die Unternehmen bekommen, sehen, wie facettenreich die Berufe sein können, wie die Unternehmen ticken und Projekte umsetzen. Und die Entscheider in den Unternehmen sehen, welche Softskills die Migranten mitbringen.

Welches Feedback bekommen Sie von den Unternehmen?

Çifçi:

Sehr gutes. Die Hamburger Sparkasse zum Beispiel ist sehr interessiert daran, Kandidaten mit Migrationshintergrund kennenzulernen. Sie will ihre Kunden zielgruppengerecht ansprechen. Das heißt, etwa für die türkischstämmige Klientel haben sie ein spezielles deutsch-türkisches Beraterteam. Für türkische Jugendliche ist das ein Ansatzpunkt: Hier können sie ihren kulturellen Background und die zusätzlichen Sprachkenntnisse einsetzen.

Diese Veranstaltungen organisieren Sie ehrenamtlich. Was ist Ihre Motivation?

Çifçi:

Ich möchte jungen Menschen den Weg zu den Entscheidern ebnen. Was der Einzelne dann daraus macht, liegt bei ihm selbst. Wir müssen die Migranten als einen Teil des zukünftigen Deutschlands sehen und ihre gesellschaftliche Integration forcieren. Daher gehe ich auch als Mentor in die Schulen. Junge Leute brauchen Vorbilder. Es ist einfacher, wenn man zu jemandem aufschauen kann und sich sagen kann: Der hat das geschafft, ich kann das auch.