Jugendliche mit Migrationshintergrund haben bei der Ausbildungsplatz-Suche noch immer mit Vorurteilen zu kämpfen

Dogan Öztürk kann sein Glück gar nicht fassen. Mithilfe der Beratungs- und Vermittlungsstelle BQM (Beratungs- und Koordinierungsstelle zur beruflichen Qualifizierung von jungen Migrantinnen und Migranten) hat der in Hamburg geborene Sohn türkischer Eltern endlich einen Ausbildungsplatz gefunden. Im September beginnt der 21-Jährige aus Bergedorf, der mittlerweile einen deutschen Pass hat, seine Ausbildung zum Industriekaufmann mit Schwerpunkt Außendienst bei British American Tobacco. Den zu ergattern, hat ihn viel Mühe gekostet. Rund 50 Bewerbungen hat er geschrieben, etwa zehn Bewerbungsgespräche absolviert. Doch lange Zeit hagelte es nur Absagen - und das, obwohl er mit einem Notendurchschnitt von 2,0 zu den Besten in seiner Klasse an der Höheren Handelsschule Anckelmannstraße gehört. "Irgendwann habe ich schon gar nicht mehr daran geglaubt, einen Ausbildungsplatz zu finden. Ich hatte immer stärker das Gefühl, dass die Absagen viel mit meiner Herkunft zu tun haben", erzählt Dogan. "Komische Blicke" habe er oftmals in den Bewerbungsrunden wahrgenommen. Und auch in den Gesprächen mit Mitschülern sei immer wieder deutlich geworden, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund es enorm schwer haben, bei gleicher Qualifikation ein Ausbildungsunternehmen von sich zu überzeugen.

Diese Erfahrung hat auch Parinaz Sanjabi ,24, gemacht. Vor allem männliche Ausbildungsplatz-Suchende mit Migrationshintergrund würden Frust schieben, weil immer wieder Absagen eintrudeln. Die gebürtige Iranerin selbst hat sich gegen die große Konkurrenz durchgesetzt. Sie wird Kauffrau für Spedition und Logistikdienstleistungen bei Kühne + Nagel, ist jetzt in ihrem ersten Ausbildungsjahr. Wie auch Dogan musste die Farmsenerin rund 70 Bewerbungen schreiben. Einladungen zu Vorstellungsgesprächen erhielt sie fast überhaupt nicht - dafür gab es Unterstützung und Vermittlung durch BQM. Bei ihrem jetzigen Arbeitgeber fühlt sie sich pudelwohl. "Unter den Auszubildenden sind viele verschiedene Nationalitäten, zum Beispiel Polen, Afghanen und Brasilianer. Da herrscht ein tolles, offenes Miteinander, man fühlt sich unglaublich respektiert", so die Erfahrung von Parinaz. An der Schule sei das oft anders gewesen: In religiösen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Belangen hätte es häufig Vorurteile gegeben.

BQM-Referentin Hülya Eralp kennt diese Probleme aus ihrer Beratungstätigkeit. "Noch immer denken viele Unternehmensvertreter, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund nicht so geeignet und qualifiziert wie deutsche Jugendliche sind", hat sie beobachtet. Das müsse sich ändern - vor allem angesichts der Tatsache, dass der Fachkräftemangel die deutsche Wirtschaft zunehmend belastet.

Zu den Hamburger Unternehmen, die unter ihren Nachwuchskräften mehrere Auszubildende mit ausländischen Wurzeln haben, gehört Schacht & Westerich: "Drei unserer fünf Auszubildenden haben ihre familiären Wurzeln in der Türkei, Venezuela und Kasachstan. Damit tragen sie einen großen Teil zur interkulturellen Vielfalt in der Belegschaft bei. Wir sind mit den jungen Leuten sehr zufrieden", sagt Ausbildungsleiter Claus Rosenbladt. Michel Rothgaenger, Ausbildungsleiter bei Kühne + Nagel, ist überzeugt davon, dass kulturelle Vielfalt ein strategischer Vorteil ist: "Unser globales Netzwerk wäre ohne Sprachkenntnisse und Offenheit anderen Kulturen und Ländern gegenüber undenkbar." Auch bei British American Tobacco denkt man ähnlich. "Unsere Geschäftspartner im Handel haben oft selbst einen Migrationshintergrund. Daher ist es von Vorteil, wenn auch unsere Vertriebsmitarbeiter über einen ähnlichen Hintergrund verfügen und somit auf gleicher Wellenlänge und in gleicher Sprache mit unseren Handelspartnern kommunizieren und auch neue Kundensegmente erschließen können", erläutert Thorsten Otto-Lehthaus, Geschäftsführer Personal bei British American Tobacco.

Dass zukünftig mehr Kinder von Migranten eine Chance auf dem Arbeitsmarkt bekommen, das wünschen sich sowohl Dogan als auch Parinaz. "In meiner Klasse sind viele Mitschüler, die bislang noch keine Lehrstelle gefunden haben", bedauert Dogan. Er hofft, dass in Zukunft noch mehr Unternehmen umdenken, toleranter werden und eventuell bestehende Vorurteile ablegen. Er freut sich auf die neuen Herausforderungen bei British American Tobacco: "Das wird bestimmt spannend. Mal schauen, was mich da erwartet."