Zahlreiche Veranstaltungen widmen sich 2011 dem Thema Frauenkarriere - und der Frage, wie mehr Managerinnen den Weg in die Vorstände schaffen.

"Es geht doch nicht darum, Frauen einen Gefallen zu tun!" Sylvia Tarves, Geschäftsführerin der Personalberatung Leading Women in Hamburg, wundert sich immer noch darüber, wenn unterstellt wird, Frauen ins Topmanagement zu bringen, sei nur eine großzügige Geste. "Es geht um den Wirtschaftsstandort Deutschland", sagt sie. "Unternehmen verzichten auf ein Riesen-Potenzial an Fähigkeiten und damit auch auf Gewinne, wenn sie weiter so viele Frauen außen vor lassen."

Seit die Telekom vor knapp einem Jahr die Frauenquote eingeführt hat, ist das Thema "Mehr Frauen ins Management" in Fahrt gekommen. Fürs Jahr 2011 sind diverse Veranstaltungen angekündigt: In Bonn steigt die Messe women@work, in Greifswald sind junge Akademikerinnen zum Absolventinnenkongress eingeladen, in Hannover soll auf dem Fachkongress "WoMenPower" gezeigt werden, "wie wichtig es ist, das Potenzial weiblicher Fach- und Führungskräfte zu nutzen". Auch in Hamburg stehen zwei Veranstaltungen an, die sich der Themen Frauenkarriere und "Gender Diversity" (Geschlechtervielfalt) annehmen (s. Kasten).

In vielen Firmen ist "gleiche Chancen für Frauen" nur ein Lippenbekenntnis

"Deutschland hat es nötig", betont Sylvia Tarves, Initiatorin einer dieser Veranstaltungen, der Mixed Leadership Conference. "Wir sind Entwicklungsland! Mit nur zwei Prozent Frauen in Entscheiderpositionen in deutschen Unternehmen liegen wir im internationalen Vergleich mit Indien auf einem hinteren Platz." In vielen Unternehmen sei "gleiche Chancen für Frauen" noch immer nur ein Lippenbekenntnis. "Wir müssen jetzt endlich vom Reden ins Handeln kommen", sagt Tarves.

Martina Plag, Seniorberaterin bei Hachenberg und Richter in Hamburg, ist Mitorganisatorin des Women's Business Day. Auch sie betont, dass Frauenförderung keine Frage von Freundlichkeit, sondern von Wirtschaftlichkeit sei. "Wir wollen doch einfach gute Mitarbeiter haben", sagt sie. Dafür müsse man aus dem Vollen schöpfen und dürfe keine Gruppe außer Acht lassen.

Aber wie? Mithilfe der Quote? "Meine Einstellung dazu hat sich in den letzten Jahren gewandelt", sagt Sylvia Tarves von Leading Women. "Mit der freiwilligen Selbstverpflichtung von Unternehmen sind wir nicht weitergekommen", resümiert sie. "Darum ist sanfter Druck durch eine Frauenquote im Sinne von uns allen."

Dr. Sonja Bischoff, BWL-Professorin an der Hamburger Uni, lehnt dagegen eine Frauenquote ab. Sie forscht seit Jahrzehnten zum Thema "Männer und Frauen in Führungspositionen" und sagt: "Geschlecht ist in diesem Bezug das falsche Kriterium". Studien zeigten: Wenn Führungskräfte im mittleren Management unzufrieden seien, dann zu einem hohen Prozentsatz aufgrund mangelnder Qualität ihrer Vorgesetzten. Bischoff: "Wir brauchen also generell bessere Führungskräfte, um das Potenzial im mittleren Management auszuschöpfen." Qualität sei das Kriterium, nicht ob Mann oder Frau.

Die Professorin stellt darüber hinaus infrage, ob genügend passende Frauen parat stünden, um eine Quote zu erfüllen. "Frauen richten sich mit ihrem Studium nicht nach der Nachfrage", sagt Bischoff. Man müsse bedenken, dass 80 Prozent des Managementnachwuchses über Abschlüsse als Ingenieur, Natur- oder Wirtschaftswissenschaftler verfügen.

"Aber nur 36 Prozent der Frauen machen in diesen Bereichen ihr Examen." Und selbst wenn sie es täten: "Wenn sie Naturwissenschaften studieren, dann zu 50 Prozent Biologie." Oder wenn sie die Ingenieurwissenschaften wählten, schrieben sie sich eher für Architektur als für Maschinenbau ein.

Nein zur Quote sagt auch Karin Bäck, Vorstandsvorsitzende des Vereins Career-Women in Motion, Köln. Gesetzliche Frauenquoten seien ein Eingriff in die freie Marktwirtschaft. "Das erzeugt ein schlechtes Betriebsklima - womit beiden Seiten nicht geholfen wäre." Außerdem missfällt ihr das Etikett Quotenfrau. "Frauen haben mehr zu bieten." Auch ohne Quote kämen Frauen künftig zum Zuge, glaubt sie. Bäck: "Die Sterne - Stichwort Fach- und Führungskräftemangel - stehen günstig für Frauen. Wenn sie gut und richtig qualifiziert sind, dann stellen sie demnächst die Forderungen beim Einstellungsgespräch und nicht umgekehrt."

Doch Karin Bäck gesteht auch zu: "Eine gläserne Decke existiert noch." Dieser Begriff beschreibt die Tatsache, dass Frauen nur selten höher als ins mittlere Management aufsteigen - eine unsichtbare Barriere behindert sie. Thomas Sattelberger, Personalvorstand des Quoten-Vorreiters Telekom, glaubt auch, dass die gläserne Decke Frauen beim Aufstieg stört. Sogar dass "männliche Seilschaften" schuld daran sein könnten, dass Frauen von hohen Positionen im Management ferngehalten werden, schließt er nicht aus.

"Die Welt im Topmanagement funktioniert nach Männerspielregeln", sagt Personalberaterin Sylvia Tarves dazu. "Doch das ist kein böser Wille", streicht sie heraus. "Es ist bislang einfach so, dass Frauen da, wo die Entscheidungen getroffen werden, kaum vorkommen." Sie sieht darum keine Alternative zur Quote.

Unternehmensberaterin Martina Plag ebenso wenig: "Flexible Arbeitszeiten, Kinder- und Seniorenbetreuung, Frauenbeauftragte - das ist alles schon da. Aber es hat nicht zu qualitativen Veränderungen geführt." Sie sagt Firmenchefs: "Wenn ihr es wirklich wollt, dann fangt im Topmanagement an, Frauenförderung umzusetzen."

Gibt es nur männliche Kandidaten für einen Posten, läuft etwas falsch

Soll ein Posten besetzt werden und wieder einmal sind nur fünf männliche Kandidaten im Gespräch, müsse der Vorstand einschreiten und zusätzlich Kandidatinnen einfordern. "Nur so sehen das mittlere Management und die Personalleitung, dass es das Unternehmen ernst meint", betont Plag.

Allerdings müssen Frauen auch ihren Teil des Kuchens einfordern. "Sie könnten mutiger sein", findet Sylvia Tarves. Die Beobachtung hat auch Martina Plag gemacht: "Männer laufen los und sagen 'Klar, mach ich!' Genau das will ein Chef hören." Frauen dagegen fehle oft der Mut, sich ins kalte Wasser zu werfen. "Sie arbeiten fleißig - und wollen sich entdecken lassen." Ein weiteres Hemmnis beim Aufstieg.

Martina Plags Rat an Frauen, die Karriere machen wollen, heißt deshalb: "Lernen Sie, sich selbst besser zu präsentieren, schmieden Sie Netzwerke und ertragen Sie auch mal Niederlagen - sie sind nicht persönlich gemeint."

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