Mitarbeiter müssen sich entscheiden: langjährige Betriebstreue oder häufige Jobwechsel?

Michael Diekmann hatte es mit dem beruflichen Aufstieg nicht eilig. Erst studierte er neun Jahre, dann gründete er einen Buchverlag für Reiseführer. Erst im Alter von 34 Jahren nahm er eine Karriere-Position an. Bei der Allianz wurde er Assistent des Niederlassungsleiters in Hamburg. Nur zehn Jahre später hatte er es bis in den Vorstand geschafft - im gleichen Unternehmen. Heute ist er Vorstandschef des Versicherers.

Auch andere Berufswege verlaufen geradlinig, ohne Firmenwechsel. Klaus Gushurst, der gerade zum zweiten Mal zum Deutschlandchef des Beraters Booz & Co. gekürt wurde, absolvierte seine gesamte Karriere in diesem Unternehmen. Robert Friedmann ging ebenfalls einen solchen Weg - von der Hochschule zum Würth-Konzern, dort stieg er auf bis zum Sprecher der Konzernführung.

Diese Beispiele zeigen: Loyalität und Treue sind keineswegs out. "Mitarbeiter, die viele Jahre dabei sind, machen ein Unternehmen wertvoll", sagt Edmund Mastiaux vom Zentrum für Management und Personalberatung (ZfM) in Bonn. Für die Firma schafft das Beständigkeit und Kompetenz. Auch die Mitarbeiter profitieren. "So entstehen Sicherheit und berufliches Heimatgefühl."

Firmentreue kann für Mitarbeiter zur Sackgasse werden

Dass Treue aber auch ins Gegenteil umschlagen kann, zeigt der Weg von Martina Gensch (Name geändert). Sie stieg vor zwölf Jahren als Marketing-Assistentin bei ihrer Firma ein und auf. Seit ein paar Jahren macht sie die Arbeit einer Marketing-Leiterin - bezieht allerdings weder ein angemessenes Gehalt, noch darf sie sich so nennen. Ihre Karriere hat einen toten Punkt erreicht.

Ein Stellenangebot von außen reißt sie aus der Sackgasse: Die Konkurrenz meldet sich, bietet ihr die ersehnte Stelle der Marketingleitung an, ordentliches Gehalt und präsentablen Titel inklusive. Gensch geht mit dem Angebot zu ihrem Chef. Der wundert sich: "Ja, Sie haben recht. Warum sind Sie mit Ihrer Bitte nicht früher gekommen?" Weniger Wochen später ist Gensch Marketing-Leiterin - bei ihrer alten Firma.

"Richtig gemacht", kommentiert Stephan Penning von Penning Consulting diesen taktischen Schachzug: "Treue zu einem Betrieb ist okay, solange man nicht als Karriere-Schildkröte dasteht." Seine Faustregel für Ein-Unternehmens-Karrieren: Es soll stets ein Fortschritt erkennbar sein. "Auch die Schornstein-Karriere geht, wenn die Lernkurve anhaltend steil bleibt", sagt der Personalberater. Denn nur wer mehr Verantwortung, einen Aufstieg in der Hierarchie und angereichertes Wissen nachweisen kann, ist auch nach zehn Jahren in einer Firma noch für den Arbeitsmarkt interessant. Die Lehre daraus liegt auf der Hand: "Auf jeden Fall die Verantwortung für sich selbst übernehmen", betont Birgit Löding von der Beratungsfirma BLCI, "sich nicht ausnutzen lassen, auch wenn es ein tolles Arbeitsklima gibt."

Wird umstrukturiert, landen auch die Guten schnell mal auf der Abschussliste

Diese Empfehlung ist eine Versicherung. Denn in turbulenten Zeiten schneller Veränderungen können auch die Guten in einer guten Firma schon morgen auf der Abschussliste stehen. Beispiel: Wird ein Geschäft zur "Nicht-Kernkompetenz" erklärt, ist oft Verkauf, Stilllegung oder Outsourcing die Folge. Mitunter stehen die betroffenen Mitarbeiter von einem Tag auf den anderen vor dem Nichts.

Flexible Unternehmen setzen heute auf eine flexible Arbeitswelt - und die Berufstätigen sollten sich auf diese Anforderungen einstellen. "Ständig den eigenen Marktwert überprüfen, überlegen: Wo kann ich mich am besten weiterentwickeln", sagt Coach und Trainerin Löding. Sackgassen dürften sich nicht einstellen, zudem ist es ratsam, in Alternativen zu denken. "Wenn nicht bei meinem Arbeitgeber, wo hätte ich morgen eine gute Alternative?"

Doch selbst wenn der Schornstein-Aufstieg auch heute noch funktioniert - verlassen sollte man sich nicht darauf. Wenn die eigene Expertise anderswo mehr wert ist - warum dann nicht wechseln? "Der Schritt in ein anderes Unternehmen kann mit einem großen persönlichen Fortschritt verknüpft sein", sagt ZfM-Gründer Mastiaux.

Doch es gibt auch Grenzen für die Häufigkeit des Jobwechsels. Zwar sind sie in der Medien-, PR- oder Werbebranche alle zwei Jahre Standard. In anderen Berufen aber kommt es besser an, wenn sich das Job-Karussell nicht zu schnell dreht. In senioren Positionen etwa sehe es nicht gut aus, wenn im Lebenslauf alle 16 Monate ein neuer Arbeitgeber auftaucht. Denn: Je verantwortlicher die Position, desto länger braucht der Mitarbeiter, um überhaupt sichtbare Erfolge einzufahren. Diese nachzuweisen ist wichtig für den weiteren Aufstieg.

Deutschland ist konservativ, zu viele Jobwechsel sind nicht gern gesehen

In diesem Punkt, sagt der ZfM-Chef, sei Deutschland auch konservativer als die USA. In der Neuen Welt sind die Job-Hopper akzeptiert, in der Alten Welt weniger. Der Grund: "Manche Job-Hopper zeigen sich sehr selbstbewusst. Sie sind große Egoisten, die sich gut verkaufen können", schildert Mastiaux seine langjährige Erfahrung als Personalberater. Viele Personalabteilungen seien klug genug, die Job-Hopper, denen es nur um den kurzfristigen Karriere-Vorteil geht, zu enttarnen.

Rasche Wechsel hin oder her - was erwarten Personalabteilungen und zukünftige Arbeitgeber auf jeden Fall? "Es sollte ein roter Faden im Lebenslauf erkennbar sein", sagt Personalberater Mastiaux. Und jeder neue, qualifizierte Mitarbeiter solle vor allem für eins stehen: eine Problemlösung.