Exklusiv: Managementdenker Reinhard K. Sprenger kritisiert Boni-Exzesse und Selbstbedienungsmentalität. Lohn nur noch für echte Leistung.

Hamburg. Wer vielen dient, wird reich; wer wenigen dient, bleibt arm. Auch wenn es Ausnahmen von dieser Regel gibt - sie ist evident bei Spitzensportlern, aber nicht bei Managern. Bei Managern scheinen einige reich zu werden, indem sie sich selbst dienen und niemandem sonst. Das aber ist nicht der einzige Grund, weshalb große Teile der Öffentlichkeit die geschätzten 60 Millionen Dollar Einkommen (2010) des Tennisspielers Roger Federer kaum infrage stellen, bei Managern aber gerne Lohnobergrenzen sähen.

Wettbewerb und transparente Ergebnisse legitimieren offenbar hohe Einkommen. Und genau das wird bei der Manager-Leistung bezweifelt. Man vermutet (nicht ganz zu Unrecht), dass da eine Hand die andere wäscht. Zudem ahnt man, dass die Manager die Leistungsindikatoren beeinflussen können (anders als die Spitzensportler, sieht man einmal von Doping ab). Sie verfügen gegenüber Aufsichtsrat und Aktionären über Informationsvorteile, können besser vorausschauen, wie sich Märkte entwickeln, welche Ziele erreichbar sind und welche nicht.

Überdies kennen sie sich bestens in der Komplexität von Vergütungssystemen aus und wissen sie zu ihren Gunsten zu gestalten. Denn was immer man misst, ob es nun um relative oder absolute Leistungsindizes geht, sie können immer beeinflusst werden. Wissenschaftlich gut gestützt ist daher die wachsende Neigung der Manager, das Unternehmen als Beute zu nehmen. Selbst Moralathleten unter den Managern werden sich der Möglichkeit exponentiellen Geldverdienens nicht verweigern. Das Ergebnis sind ständig steigende Manager-Gehälter.

Wie kann man die Möglichkeit der Selbstbedienung und damit die Korrumpierung beschränken? Viele Jahre hat man nach dem heiligen Gral der Vergütungspraxis gesucht. Und sicher ist auch so mancher Unternehmer versucht, bei Engpässen auf den Personalmärkten mit Boni zu locken.

Aber es ist Zeit einzugestehen: Alles spricht für fixe Managementgehälter, zumindest vermeiden sie die größten Kollateralschäden. In der Praxis heißt das: Ein hohes Fixgehalt umschließt den Arbeitsplatz-Wert, den Arbeitsmarkt-Wert und die Seniorität (Unternehmenszugehörigkeit). Es ist vorteilhaft, auch die individuelle Leistung als viertes Element der Einkommensgerechtigkeit dem Fixgehalt zuzuschlagen. Die entsprechende Vergütung sollte einen breit gefächerten Leistungsbegriff abbilden. Sie sattelt also auf Bewertung, nicht (nur) Messung, und ist daher an das Interpretationsmonopol der Führungskraft zu binden. Der individuelle Leistungslohn sollte insgesamt nicht höher als die anderen drei Teile sein. Dabei kann das totale Fixgehalt auch in schlechten Zeiten hoch sein. Grundsätzlich sollte es höher als die heutigen Grundlöhne sein, aber tiefer als die aktuellen Gesamteinkommen.

Zum Fixgehalt kann ein variabler Einkommensbestandteil (Bonus) kommen, der das Unternehmen als Leistungs- und Solidargemeinschaft reflektiert. Er ist in den meisten Unternehmen mit durchschnittlicher hierarchischer Einkommensspreizung relational zum Fixgehalt zu staffeln. Insgesamt aber sollte er eher zurückhaltend gestaltet sein. Dieser variable Bonus-Bestandteil kann auch als Krisenreaktionsventil funktionieren. Damit wäre eine Partnerschaft im Plus und Minus definiert, ohne das Unternehmerrisiko unangemessen auf die Mitarbeiter zu verlagern. Der Verrentung der Boni kann man mit einem einfachen Informationssystem entgegenwirken, das die Geschäftsentwicklung für jedermann nachvollziehbar macht.

Das sind die wesentlichen Vorteile:

Der Leistungsbegriff wird in seiner ganzen Breite angewendet: Auch Nicht-Messbares, aber Wichtiges und daher Bewertbares kann einbezogen werden. Ebenso Zukunftsweisendes, Qualitatives, Relatives.

Das Management konzentriert sich auf Leistung im Sinne langfristiger Überlebenssicherung des Unternehmens, nicht auf das Management einzelner Leistungs-Indikatoren.

Informationsvorteile des Managements gegenüber dem Eigentümer/Aufsichtsrat entfallen.

Extreme Boni und Gehaltsexzesse würden vermieden.

Das also ist das Grundgesetz einer verführungsfreien Entgeltpolitik: Zahlen Sie Ihre Leute gut und fair - und dann tun Sie alles, damit sie das Geld vergessen. Das wäre nicht nur die - partielle - Wiedereinführung des menschlichen Maßes in die Unternehmen, sondern die Wiedereinführung des Menschen in die Vergütungspraxis überhaupt (der sich bisher hauptsächlich die Gewerkschaften widersetzen).

Wer sagt "Wo bleibt der Leistungsanreiz?", dem sei geantwortet: Es gibt keine einzige Studie weltweit, die eine dauerhafte Leistungssteigerung durch Anreizsysteme nachgewiesen hätte. Nur bei körperlich einfachen und leicht zurechenbaren Arbeiten gibt es dafür Hinweise - und eine solche Klassifizierung wollen Manager sicher nicht für sich gelten lassen. Bei komplexen und geistig herausfordernden Arbeiten ist der Zusammenhang sogar negativ: Je schwieriger die Aufgabe, desto kontraproduktiver der Leistungsanreiz. Zudem gibt es bisher keine einzige Untersuchung, die eine signifikante Konvergenz zwischen der Entgeltsumme im Management und der Performance des Unternehmens nahelegte.

Wer nun sagt, unter diesen Bedingungen bekäme er nicht die besten Manager, der sollte sich fragen: Wer sind die Besten? Die Einkommensmaximierer auf den Personalmärkten? Die Spielertypen mit hoher Risikoneigung? Und wenn sie kämen, die Freude währte nicht lange: Wer für Geld kommt, der geht für Geld.

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