Gut gemacht bringen sie Mitarbeiter und Unternehmen gleichermaßen voran, vage formuliert sorgen sie für Streit

Hamburg. "Hindernisse sind diese furchterregenden Sachen, die du dann siehst, wenn du dein Ziel aus den Augen verlierst." Dieser Satz wird Henry Ford zugeschrieben. Ob Ökonom Peter F. Drucker gerade den Gründer der Autowerke im Sinn hatte, als er vor gut 40 Jahren das Führungsinstrument "Management by objectives" ersann, sei dahin gestellt. Allerdings hat er das Management mit dem Konzept "Führen durch Zielvereinbarung" ähnlich folgenreich beeinflusst wie Ford die Produktion.

"Es wird in Firmen immer populärer, Zielvereinbarungen einzusetzen", bestätigt Martina Cyriax, Trainerin und Dozentin aus Hamburg. "Zum Beispiel arbeiten schon alle DAX-orientierten Unternehmen so." Zielvereinbarungen seien ein leistungsorientiertes, aber mitarbeiterfreundliches Instrument.

Die Motive des Mitarbeiters werdenmit den Motiven der Firma verknüpft

Es gibt Ziele, die fürs Team gelten, Leistungsziele für den Einzelnen und persönliche Entwicklungsziele, die in einem festgelegten Zeitraum erreicht werden sollen. "Die Motive des Mitarbeiters werden verknüpft mit den Motiven des Unternehmens", erklärt Frank Kittel, Geschäftsführer des Instituts Eisberg-Seminare. "Zwischen beiden muss Balance herrschen. Das gelingt den meisten Unternehmen nicht."

Zielvereinbarungen werden in einem Mitarbeitergespräch festgezurrt. "Sich nur einmal im Jahr zusammenzusetzen, ist aber zu wenig", betont Cyriax. Die Trainerin rät mindestens zu Halbjahresgesprächen, "oder sogar zu noch enger angesetzten Meilensteingesprächen, damit man rechtzeitig Korrekturen vornehmen kann".

Unternehmen geben die Ziele häufig vor, doch im besten Falle werden Mitarbeiter in die Zielfindung eingebunden. Sonst hapert es schnell mal an deren Motivation. "Dieser Konflikt taucht immer wieder auf: Der Mitarbeiter versucht, Ziele niedrig zu halten, das Unternehmen will sie anspruchsvoll formulieren", sagt Beate Denker, Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Proveco. "Mitarbeiter haben viele Gründe, warum ein Ziel für sie nicht zu schaffen ist", erklärt sie. "Aufgabe der Führungskraft ist es darum, ihre Mitarbeiter zu motivieren und ihnen Wege aufzuzeigen."

Im negativen Fall erleben Beschäftigte Zielvereinbarungen als Kontrolle. Im positiven Fall nützt es ihnen selbst - etwa dadurch, dass sie die Strategie und Vorgehensweise ihrer Firma besser verstehen, mehr Handlungsspielraum und Selbstständigkeit gewinnen. Und natürlich bei Zielerreichung auch einen persönlichen Vorteil davon haben. Prämien zu vergeben oder das Gehalt teils erfolgsabhängig zu zahlen ist eine Möglichkeit. Frank Kittel, von Haus aus Pädagoge, findet es sinnvoll, erst zu ergründen, welche Motivation den Mitarbeiter antreibt. "Bei einigen wirkt Geld, bei anderen Anerkennung oder persönliche Befriedigung."

"Gerade im Vertrieb werden Boni als Anreiz eingesetzt", sagt Martina Cyriax. Aber auch andere Belohnungen seien denkbar. "Zum Beispiel Freizeitausgleich oder Weiterbildungsmaßnahmen." Auch Firmenwagen und Unternehmensanteile werden als Anreize eingesetzt. Oder Karriereschritte: "Aber zuvor muss man die Ressourcen klären", hebt Frank Kittel hervor. "Wenn schon drei junge Abteilungsleiter da sind, kann man diese Position nicht noch einem vierten versprechen."

Soll ein Grafiker "bessere Ideen"entwickeln, wird es schwierig

Dreh- und Angelpunkt erfolgreicher Zielvereinbarungen ist die Formulierung. "Man sollte möglichst objektive Kriterien nennen", sagt Beate Denker. Geht es darum, mehr zu verkaufen, ist das einfach - da können absolute Zahlen genannt werden. Soll aber ein Grafiker "bessere Ideen" entwickeln, wird es schwierig. "Da muss man in die Tiefe gehen", sagt Beate Denker. "Welche objektiven Kriterien gibt es für 'besser'?" Das könnte zum Beispiel sein, dass seine Entwürfe häufiger von den Kunden akzeptiert werden sollen. "Einer von dreien zum Beispiel."

Streit entsteht, wenn Kriterienfehlen, wann das Ziel erreicht ist

"Definieren Sie den Unterschied zwischen Ist und Soll", rät Frank Kittel von Eisberg-Seminare. "Ich muss fragen: Woran erkenne ich, dass wir am Ziel sind?", erklärt er. Solle zum Beispiel der Kundenservice optimiert werden, könne man dies an vier Merkmalen festmachen: Gibt es weniger Reklamationen? Wird die Bearbeitungszeit kürzer? Erhält man positiveres Feedback von den Kunden? Steigt der Umsatz? "Wenn darüber gestritten werden muss, ob ein Ziel erreicht wurde, liegt es in der Regel daran, dass man die Kriterien vorher nicht gut definiert hat."

"Rechtlich gesehen ist eine Zielvereinbarung ein Vertrag", erklärt Dr. Thomas Griebe, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner in der Kanzlei Taylor Wessing. "Hält eine Seite sich nicht daran, kann die andere vors Arbeitsgericht ziehen." Tatsächlich passiere das eher selten. "Meist nur dann, wenn man ohnehin dabei ist, sich zu trennen."

Der Anwalt rät dazu, schon in der Zielvereinbarung festzulegen, was passiert, wenn der Mitarbeiter das Ziel nicht erreicht - "und wer dann über den Grad der Zielerreichung zu befinden hat". Das könne ein Wirtschaftsprüfer sein oder jemand aus der Handelskammer. "Arbeitgeber neigen dazu, nachzugeben", so Griebes Erfahrung. "Ein solches Verfahren ist langwierig."

Zu viele Ziele zu vereinbaren ist übrigens genauso problematisch wie sie zu vage zu formulieren. Was "zu viel" ist, ist jedoch ganz individuell. Beate Denker hält fünf bis sieben Ziele aus unterschiedlichen Aufgabenbereichen pro Vereinbarung für vertretbar. Frank Kittel würde eher zu nur zweien raten.

Aber so oder so - hat ein Mitarbeiter Schwierigkeiten, ein Ziel zu erreichen, sollte er seinen Chef ansprechen. "Stellen Sie aber nicht das Ziel infrage, sondern zeigen Sie auf, was Sie zusätzlich brauchen, um es zu erreichen", rät Frank Kittel. "So stehen Sie nicht als Verweigerer dar."