In den neuen Medien für sich zu trommeln kann Firmengründern Kunden bringen. Experten warnen aber vor sinnloser Twitterei

Rund 150 Businesspläne aus der Medienwirtschaft gehen pro Jahr über den Schreibtisch von Gründungsberater Jürgen Mehnert in der Handelskammer Hamburg. In diesen Konzepten stecken ebenso viele Ideen, wie die Gründer in sozialen Online-Netzwerken für sich werben wollen. "Es besteht eine sehr große Affinität zwischen diesen Gründern und den Netzwerken", sagt der Starthelfer. Die Kammer begrüßt das: "Social Media ist ein kostengünstiges Instrument der Kundenbindung", sagt René Lauber vom Geschäftsbereich Innovation. Auch immer mehr etablierte Mittelständler würden nach Informationen dazu fragen.

Ein paar Häuser weiter, in der Handwerkskammer Hamburg, herrscht ein anderes Bild: "Man sollte sich genau überlegen, was man da reinstellt, das kann sonst nach hinten losgehen", warnt Betriebswirt Marco Bockwoldt. Außerdem sagt er: "Handwerk funktioniert regional, das eignet sich nicht für das globale Netzwerken." Der Gründungsberater hat eine klare Media-Marschroute für Handwerksmeister parat: "Du brauchst Präsenz in Fachzeitschriften, auf Messen und eine vernünftige Internetseite." Damit die Homepage auch gefunden wird, käme noch Suchmaschinenmarketing hinzu.

Manche sind skeptisch: Sind soziale Medien auch für Handwerker sinnvoll?

Das sieht Markus Willnauer, Geschäftsführer der Hamburger Agentur Cohen + West, anders. Firmengründungen sichtbar machen, das könnten vor allem soziale Netzwerke. "Was früher die Gelben Seiten waren, sind heute Xing, Facebook oder Twitter." Was ist Ihnen Ihre Kundenbindung wert?, fragt Willnauer alle Neustarter, die meinen, fürs Netzwerken mit Kunden und solchen, die es werden sollen, keine Zeit zu haben. "Aber die Positionierung muss authentisch sein: Wer bin ich, wofür stehe ich - man sollte sehr viel Sorgfalt in das eigene Profil stecken."

Für den Berliner Kommunikationsberater Dietrich Boelter ist es nur eine Frage der Zeit, wann auch Handwerker ihre Zukunft online sehen: "Der junge Tischler, der heute in Charlottenburg seinen Betrieb aufbaut, weiß, dass er sich vernetzen muss, um überleben zu können." Ihm rät Bölter zur Einrichtung eines Blogs, auf dem tages- oder wochenaktuell, das neueste Möbelstück, Tipps und Berichte veröffentlicht werden. Der Vorteil der Blogs: Suchmaschinen finden die textlastigen Seiten besonders schnell. "Der Unternehmensblog macht auch für Freiberufler und Gründer im Business-to-Business-Bereich Sinn", sagt Markus Willnauer.

Inhalte aus dem eigenen Blog oder seinen Online-Profilen kann man auf Empfehlungsnetzwerke wie Facebook übertragen und dort eine eigene Fanseite aufbauen. Zumindest für Gründer, die sich an Endverbraucher richten, kann das sinnvoll sein, sofern sie mit den dort herrschenden Kommunikationsgewohnheiten - locker, authentisch, spamfrei - vertraut sind, betont Willnauer. "Das ist keine statische Webseite, das ist ein kommentierter Nachrichtenstrom. Wer sich 24 Stunden daraus ausblendet, redet auch so lange nicht mit."

Im Anschluss verschickt der Jungunternehmer den Hinweis auf seine Fanpage an Freunde, die den Tipp, so die Hoffnung, an ihre Freunde weiterleiten. "Das ist das Schneeballsystem", sagt Berater Boelter. Wie viele Fans eine Seite hat, ist die Währung bei Facebook. Um sie zu halten, benötige der Gründer "eine Social-Media-Dramaturgie": Dem Gewinnspiel folgen drei Monate Zeit, um die gesammelten Adressen abzuarbeiten, dann startet man die nächste Aktion. Wichtig sei es, aktiv zu sein, und Meldungen in immer neuen Varianten zu veröffentlichen. Synergien sollten genutzt werden, erläutert Bölter: Statusmeldungen in Facebook und Twitter, dem dritten großen Social-Media-Instrument, lassen sich geschickt verknüpfen.

Wer viel twittert, erweckt leicht den Eindruck, zu viel Zeit zu haben

"Facebook bietet die Basis für Vernetzung und Inhalte, Twitter ist das Schnellboot, das Medium für Adhoc-Impulse", sagt der Kommunikationsexperte. Fotografiert und "twittert" etwa der Tischler auf der Messe ein besonders interessantes Möbelstück, stelle er damit seine Expertise unter Beweis. Dranbleiben ist wichtig: Wer groß in die Kommunikation startet und dann nichts mehr unternimmt, entfacht nur Strohfeuer. Das sei kontraproduktiv, sagt Agenturchef Willnauer.

Jeder Unternehmer muss sich bei seiner Gründung fragen: Bin ich bereit für die sozialen Medien? Treffe ich dort überhaupt meine Kunden? "Facebook und Twitter sind sehr persönlich, und man erweckt schnell den Eindruck, Zeit im Überfluss zu haben", gibt Jungunternehmerin Corinna Bende zu bedenken. Sie hat Chartwerk, eine Agentur für Powerpointpräsentationen, gegründet. Xing, Linkedin, Facebook und Twitter - überall ist sie mit ihrer Firma vertreten. Kundenakquise sei aber gar nicht das Ziel: "Ich möchte Aufgeschlossenheit gegenüber den neuen Medien demonstrieren, sachlich, kurz und knapp über mein Unternehmen informieren."

Die größte Resonanz erzielte die Gründerin denn auch nicht in den sozialen Medien, sondern mit einem klassischen Mailing, dem sie einen USB-Stick mit ihrem Logo beifügte. "Das bietet den Kunden einen echten Mehrwert", findet Bende. Gute Idee, meint auch Social-Media-Berater Willnauer. Aber das sei eben einmalig und verpuffe schnell: "Im Netz kannst du die Aktion noch weitertreiben, in diesem Fall zum Beispiel Powerpointfolien bewerten lassen. Social Media und klassisches Marketing sind keine Gegensätze, das lässt sich wunderbar kombinieren."