Fachlich top, menschlich ein Flop? Wenn Techniker und Ingenieure Führungsaufgaben übernehmen, müssen sie oft an ihrer Sozialkompetenz feilen

Geht der Mitarbeiter zu seinem Vorgesetzten, einem Ingenieur: "Ich habe Fieber." Der Chef sieht kurz von seinem Rechner auf, konstatiert: "Ja, du siehst auch ganz blass aus." - und arbeitet in aller Ruhe weiter.

Für den Kommunikationspsychologen Friedemann Schulz von Thun steht das Beispiel für einen einseitigen Nachrichtenempfang: Der Empfänger stürzt sich auf die Sachseite einer Information, in diesem Fall das Fieber und vernachlässigt den Appell dahinter, "Ich möchte jetzt nach Hause gehen" - typisch für Männer und Akademiker.

In der Mehrheit sind Techniker immer noch beides, Männer und Akademiker, und sie stehen in dem Ruf, viel fachliche und wenig soziale Kompetenz zu besitzen: "Techniker denken in Zahlen, Daten, Fakten, ihnen fehlt es häufig an Empathie", sagt Thoralf Rapsch. Der Führungskräftetrainer ist selbst gelernter Elektroinstallateur, hat aber mit Mitte 20 die Psychologie entdeckt und sich inzwischen mit seinem Unternehmen "trainknowledgy" auf die Schulung technischer Teams und Führungskräfte spezialisiert.

"Wer eine technische Ausbildung wählt, will meist auch technisch arbeiten: berechnen, konstruieren, bauen", sagt Rapsch über seine Klientel. Mit zunehmender Personalverantwortung werden aber die rationalen Inhalte zweitrangig. Bei rund einem Viertel seiner Teilnehmer stellt Rapsch mangelnde Eignung für die Führungsposition fest. An dieser Quote sei auch das gängige Auswahlverfahren mittelständischer Betriebe schuld, das immer noch nach der Devise funktioniere: "Fachkompetenz reicht aus: Dann gibt es einen Klaps auf die Schulter - Meyer, Sie machen das schon." Immerhin: Rapsch kann von seinen Trainings und Beratungen ganz gut leben, und dass er damit inzwischen sogar sieben freiberufliche Mitarbeiter beschäftigt, macht deutlich: "Die Sensibilität ist gewachsen. Gerade große Unternehmen suchen nach prozessorientierten Lösungen in der Führungskräfteentwicklung."

Die Lufthansa Technik ist so ein Unternehmen, und für Peter Schürholz, Leiter Personalrekrutierung, ist der gefühlskalte Eigenbrötler ein Klischee: "Das hat mit unserer Wirklichkeit nicht viel zu tun." Schließlich arbeiten die Techniker überwiegend in Teams, nicht selten interdisziplinär und international zusammen. Auf diese Projektarbeit hat Lufthansa Technik seine besten Praktikanten bisher in Soft Skill Trainings vorbereitet. Seit die gestuften Studienordnungen Präsentations- oder Kommunikationstrainings zur Pflicht machen, rückt das Projektmanagement stärker in den Fokus.

Ob und wie Schlüsselkompetenzen überhaupt vermittelt werden können, ist umstritten. "Was du in den nächsten zwei Monaten nicht anwendest, brauchst du jetzt auch nicht zu lernen", gibt Thomas Hohlfeld, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Ribbon & Partner zu bedenken. Zwar begrüßen Personaler wie Anne-Kristin Knufinke von der Firma Jungheinrich die Trainingsangebote, bedauern aber gleichzeitig die Reduzierung von Praxisanteilen. "Wenn die praktische Erfahrung fehlt, bleibt die Rhetorik oft statisch".

Teamarbeit und Projektlernen von Anfang an bilden die Grundlagen für eine spätere Führungsrolle der Ingenieure. Damit die Zusammenarbeit besser klappt, müssten aber auch die Nichttechniker in Marketing, Personal oder Einkauf ihren Beitrag leisten und die Leistungen der technischen Abteilungen anerkennen, betont Unternehmensberater Hohlfeld. "In der Technik arbeiten sehr zuverlässige sach- und leistungsorientierte Menschen", so der frühere Bankkaufmann. Weil die Technikabteilung in vielen Dienstleistungsunternehmen nicht zu den Ertragsbringern zähle, werde sie nur wahrgenommen, wenn etwas nicht funktioniere.

"Bindet die Techniker von Anfang an in eure Projekte ein, lobt sie und erhöht den Frauenanteil." Das vermeide Projektkrisen, einen rüden Umgangston und die Verknöcherung im Job, sagt Hohlfeld, der eine Lanze brechen will für die älteren Chefs und dabei auch die jüngeren Mitarbeiter sowie Anwender in die Pflicht nimmt. "Nehmt nicht alles gleich persönlich, fragt nach und kommuniziert deutlich." So könnte der Mitarbeiter in unserem Eingangsbeispiel selbst für mehr Klarheit sorgen: "Chef, ich habe Fieber, ich gehe jetzt zum Arzt, Kollegin Schmidt weiß über den aktuellen Projektstatus Bescheid."