Lampenfieber: Ob als Redner oder Prüfling - wer im Rampenlicht steht, bekommt schnell weiche Knie. So verhindern Sie den Blackout

Hamburg. Das Ziel ist klar: Einen perfekten Auftritt möchte man hinlegen. Doch dann läuft alles schief. Kaum richten sich die Augen der Zuhörer auf einen, da beginnt man sich in den sorgfältig zurecht gelegten Sätzen zu verhaspeln. Die Stimme klingt plötzlich dünn und die Knie werden weich. Plötzlich wird man sich nur allzu bewusst, wie viel Fehler man jetzt gleich begehen kann ... In diesem Moment hat man plötzlich ein ganz neues Ziel vor Augen: Man möchte den Auftritt einfach nur noch hinter sich bringen. Egal wie.

Sich vor anderen zu zeigen gehört zu den zentralen Ängsten der Menschen

Lampenfieber ist ein emotionaler Zustand, mit dem jeder, der mal vor einem Prüfungskomitee saß oder eine Rede halten musste, Bekanntschaft gemacht hat. "Sich vor anderen zeigen zu müssen gehört zu den zentralen Ängsten der Menschen. Das gilt ganz besonders für Situationen, in denen man etwas gewinnen oder verlieren kann", sagt Christiane Weinreich. Die Journalistin und Veranstaltungsmoderatorin arbeitet als Mediencoach. Sie berät und trainiert Führungskräfte, aber auch Menschen, denen der erste Auftritt in einer Fernseh-Talkshow bevorsteht.

"Die meisten meiner Klienten haben bereits sehr unangenehme Erfahrungen gemacht", sagt sie. Einige haben bei Vorträgen den roten Faden verloren oder einen Blackout erlebt. Plötzlich waren sie nicht mehr in der Lage, eine einfache Frage zu beantworten.

Keine Spur mehr von Intelligenz, Esprit, Humor oder Souveränität - stattdessen das Gefühl, ein hundertprozentiger Versager zu sein. "Wir leben in einer Welt, in der es von zentraler Bedeutung ist, wie man sich gegenüber anderen präsentieren kann, und in der man sich Fehlern gegenüber intolerant zeigt. Dieses Wissen haben viele verinnerlicht", sagt Weinreich. Wer bei einem Auftritt schlechte Erfahrungen gemacht hat, hat Angst vor dem nächsten. Irgendwann gesellt sich auch noch die Angst vor der Angst dazu. Ein wahrer Teufelskreis.

"Bei mir geht die Sache mit dem Lampenfieber los, wenn ich vor mehr als 20 Menschen sprechen muss", sagt Vivien Manazon, Vertriebstrainerin und Coach aus Berlin. Zu ihrem Berufsalltag gehört es, die Mitarbeiter von Reisebüros zu schulen. "Vor kleinen Gruppen zu reden macht mir überhaupt nichts mehr aus. Aufregend finde ich es aber nach wie vor, wenn ich einen neuen Vortrag entwickelt habe und ihn zum ersten Mal einem Publikum vorstelle."

Eine gute Vorbereitung vor einem öffentlichen Auftritt ist, wie Experten wissen, das A und O. "Ob es sich um einen Vortrag, ein Referat oder eine Prüfung handelt - wer fachlich sattelfest ist, gerät nicht so schnell aufs Glatteis", sagt Dennis Rabensdorf, stellvertretender Schulleiter der privaten Rackow-Handelsschule in Berlin.

Sinnvoll ist ein Probelauf vor Freunden, gerade für unerfahrene Redner

Als Lehrer und als Mitglied von Prüfungskommissionen hat er schon zahlreiche aufgeregte Schüler gesehen. Sinnvoll findet er es, wenn gerade unerfahrene Redner ihr Referat zunächst einmal Freunden vortragen. "Bei solch einem Probedurchlauf merkt man recht deutlich, an welchen Stellen und Argumentationen es klemmt oder hakt", sagt Rabensdorf.

Mediencoach Weinreich rät ihren Klienten, sich außerdem darüber bewusst zu werden, welche Rolle sie vor einem Auftritt im Fernsehen oder vor einem Vortrag einnehmen. Was wird von mir erwartet? Welche Botschaft möchte ich transportieren? "Solche Fragen sind wesentlich und können helfen, den Blickwinkel auf den Auftritt zu verändern", sagt sie.

Wer etwa davon ausgeht, als Bewerber in einem Vorstellungsgespräch eine unterwürfige Rolle spielen zu müssen, hat große Schwierigkeiten, einen souveränen Eindruck zu hinterlassen. Freut man sich dagegen, dass man zu dem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde und bereits einige Mitbewerber abgehängt hat, dann kann man den anderen positiver gegenübertreten.

Menschen, die unter Lampenfieber leiden, entwickeln oft eine negative Selbstwahrnehmung. Bei jedem kleinen Versprecher rechnen sie damit, von den anderen ausgelacht oder gar ausgebuht zu werden. Wie übertrieben solche Befürchtungen sind, hat auch Vivien Manazon am eigenen Leib erfahren. Als sie vor Jahren ein Seminar für Präsentationstechniken besuchte, wurde sie gebeten, eine kurze Rede vorzubereiten und zu halten. Während des Vortrags begann sie zu stocken. "Ich hatte das Gefühl, minutenlang kein Wort herauszubringen - der Super-Gau", erinnert sie sich. Später sah sie sich einen Mitschnitt der Rede an und machte eine Entdeckung: Statt mehrere Minuten hatte sie ihre Rede nur für Sekunden unterbrochen. "Für mich war dieses Erlebnis ausgesprochen heilsam. Lampenfieber empfinde ich heute nicht mehr als unangenehm, sondern sogar als anregend."