Wenn Beschäftigte kündigen, bitten Firmen zum Exit-Gespräch. Sie wollen wissen, warum sie die Rote Karte bekommen

Hamburg. Wer kündigt, zeigt seiner Firma die Rote Karte: "Mit dir nicht mehr!" Die Gründe für die Kündigung wiegen unterschiedlich schwer. Manche (Ex-)Mitarbeiter sind unzufrieden mit den Führungskräften, andere mit ihrer Aufgabe, wieder andere mit dem Gehalt oder den Entwicklungsmöglichkeiten. Unternehmen, die ihre Mitarbeiter einfach so ziehen lassen, werden es nie erfahren.

Andere fragen nach. "Etwa 30 Prozent der größeren Unternehmen nutzen bereits sogenannte Exit-Gespräche", schätzt Thomas Wüllner, Partner der Unternehmensberatung von Rundstedt HR Partners in Hamburg. Das seien zum einen diejenigen, die bereits einen gewissen Mangel an qualifizierten Fachkräften verspürten, erklärt der Berater. "Zum anderen sind es die Firmen, die ein Interesse daran haben, ihre Unternehmenskultur gespiegelt zu bekommen."

Wenn eine Führungskraft wieder geht, kostet das die Firma 30 000 Euro

Gute Mitarbeiter zu verlieren ist keine billige Angelegenheit. "Wenn eine Führungskraft das Unternehmen wieder verlässt, verursacht das Kosten von etwa 30 000 Euro", erklärt Dr. Carolin Fischer, Bereichsleiterin Newplacement bei der Managementberatung Kienbaum in Berlin. Ein wachsendes Interesse an Exit-Gesprächen stellt sie vor allem in den Branchen Chemie/Pharma, Maschinenbau, Elektrotechnik, Medien und Banken fest.

"Die Firmen wollen aus den Aussagen der ausscheidenden Mitarbeiter lernen", sagt Carolin Fischer. "In dieser Situation ist der Mitarbeiter frei von politischem Agieren", erklärt sie. "Die Firmen gehen davon aus: Er sagt uns die Wahrheit, warum er geht."

"Wenn das Thema Personalentwicklung kein Stiefkind ist, dann ist in den Unternehmen oft auch die Bereitschaft da, Exit-Gespräche zu führen", erläutert Kerstin Kölling, Personalberaterin in Berlin. Ein Unternehmen müsse mutig genug sein, sich auch Unangenehmes anzuhören. Meistens geht es um Führungsfehler, wenn ein Mitarbeiter kündigt. "Ich hätte mir gewünscht, dass mein Vorgesetzter mich besser informiert, stattdessen kam vieles über den Flurfunk", sei zum Beispiel in Exit-Gesprächen zu hören, sagt Kerstin Kölling. Außerdem werde kritisiert, dass sich Vorgesetzte nicht an die Vereinbarungen in Mitarbeitergesprächen halten oder dass es an der Möglichkeit mitzugestalten oder an Anerkennung für die eigene Leistung fehlt.

Exit-Gespräche werden in der Regel geführt, solange der Mitarbeiter noch im Unternehmen tätig ist, aber alle Formalitäten wie Urlaubsabgeltung, Auszahlung der Boni, Inhalt des Arbeitszeugnisses geregelt sind. Mit ihm spricht entweder ein Kollege aus der Personalabteilung oder ein externer Berater.

Gefragt wird nach Führungskultur, Vergütung, technischer Ausstattung

"Am besten, man arbeitet dabei mit einem Fragebogen", sagt Carolin Fischer von Kienbaum. So stelle man sicher, dass alle wichtigen Bereiche angesprochen werden. "Dazu gehören nicht nur die Fragen nach Unternehmens- und Führungskultur, sondern auch die nach der Zufriedenheit mit der Vergütung und der technischen Ausstattung."

Unternehmen versuchen, den Kontakt zum Ex-Mitarbeiter zu halten

"Das Signal, das ein Unternehmen beim Exit-Gespräch aussendet, heißt: Wir bedauern es, dass Sie gehen, reagieren aber nicht ablehnend darauf", erklärt Thomas Wüllner. Er rät dazu, den Kontakt zum ehemaligen Mitarbeiter zu halten, wenn man ihn geschätzt hat, zum Beispiel über ein Mentorenprogramm. "Dann besteht die Chance, dass der Mitarbeiter seinen Mentor anspricht, wenn es im neuen Unternehmen doch nicht so schön ist wie erhofft."

Bei den Mitarbeitern kommt die Einladung zum Exit-Gespräch in der Regel gut an, weiß Beraterin Kerstin Kölling. "Sie können sich was von der Seele reden." Dass es dabei auch mal emotional wird, gehört dazu. "Dann muss man den Mitarbeiter ausreden lassen, Verständnis zeigen und nicht dagegen argumentieren", empfiehlt Thomas Wüllner. "Auf der Sachebene erreicht man ihn in dem Moment nicht."

Und was macht das Unternehmen dann mit den gewonnenen Infos? "Man muss auf die Knackpunkte achten", sagt Carolin Fischer. "Auf Kritik, die wiederholt geäußert wird." Und dann auch handeln. Das heißt zum Beispiel: auf die kritisierte Führungskraft zugehen, Abläufe hinterfragen und eventuell ändern, das Gehaltssystem prüfen oder auch die Einstellungsverfahren unter die Lupe nehmen. "Letzteres zum Beispiel, wenn man feststellt, dass immer wieder Mitarbeiter kündigen, weil sie sich etwas anderes von ihrem Job versprochen haben", sagt Berater Wüllner.

Nicht zuletzt seien Exit-Gespräche ein Signal an die verbleibenden Mitarbeiter und eine Investition in die Zukunft, betont Carolin Fischer von Kienbaum: "Eine schlechte Trennung geht durch einen Betrieb wie Donnerhall. Da spürt man richtig, wie das Geld aus dem Unternehmen herausläuft."