Arbeitsverträge: Wachsende Zahl Beschäftigter arbeitet auf Zeit. Auch eine Familie zu gründen wird dadurch schwieriger

Seit vier Jahren arbeitet Antonia Mann (Name geändert) als Redaktionsassistentin bei einer Fernsehproduktionsfirma in Berlin. Die Arbeitsabläufe sind ihr vertraut. Ärger gab es nie, die Vorgesetzten äußerten sich stets positiv über ihre Fähigkeiten. Was auf den ersten Blick nach einem für beide Seiten erfreulichen Arbeitsverhältnis aussieht, hat einen Schönheitsfehler: Bislang blieb Antonia Mann eine Festanstellung verwehrt.

Der Arbeitsvertrag, den sie vor Kurzem abgeschlossen hat, ist auf ein halbes Jahr befristet - genau wie die acht Arbeitsverträge, die sie zuvor mit der Produktionsfirma abgeschlossen hat. Bei aller Unzufriedenheit hält Mann ihren Status dennoch nicht für einen Sonderfall: "Ich kenne persönlich niemanden, der in den vergangenen Jahren in der Medienbranche eine feste Anstellung gefunden hat", sagt die 42-Jährige.

"Zeitlich befristete Arbeitsverhältnisse sind stark im Kommen. Heute ist bereits jeder zweite neue Arbeitsvertrag auf einen bestimmten Zeitraum wie ein halbes Jahr oder ein Jahr begrenzt", bestätigt Matthias von Fintel, Tarif-Sekretär im Ver.di-Bundesvorstand. Befristete Verträge, die sich in einer Endloskette aneinanderreihen, seien keine Seltenheit.

Jeder vierte 20- bis 25-Jährige hat einen befristeten Arbeitsvertrag

Nach Meldungen des Statistischen Bundesamts hat die Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse seit 1980 deutlich zugenommen. Knapp neun Prozent der 30,7 Millionen Beschäftigten in Deutschland haben einen Vertrag auf Zeit. Besonders häufig betroffen sind jüngere Menschen. In der Altersgruppe der 20- bis 25-Jährigen arbeitete gut jeder Vierte mit befristetem Vertrag, bei den 15- bis 20- Jährigen lag der Anteil befristet Beschäftigter mit 40,7 Prozent am höchsten.

"Heute muss kaum ein Unternehmen befürchten, dass es für Bewerber unattraktiv wird, wenn es nur befristete Arbeitsverträge anbietet. Es gibt ja für Berufseinsteiger kaum Alternativen", sagt Claudia Weinkopf vom Institut für Arbeit und Qualifikation in Duisburg. "Es ist in vielen Fällen wichtig und richtig, dass es die Möglichkeit gibt, Mitarbeiter für einen begrenzten Zeitraum zu beschäftigen. Aber das darf nicht zum Dauerzustand werden", sagt sie.

"Wir beobachten, dass viele Firmen den Stamm der Festangestellten immer stärker ausdünnen lassen, während die Zahl der freien Mitarbeiter und der befristet Beschäftigten wächst", sagt Matthias von Fintel vom Ver.di-Bundesvorstand. Vonseiten der Arbeitgeberverbände wird dagegen eine weitere Lockerung der Gesetze angestrebt, da sie den Unternehmen Flexibilität ermöglicht - und so auch neue Arbeitsplätze geschaffen werden können.

"Wenn man die Zahl der Arbeitsplätze auf die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter bezieht, nimmt die Bedeutung von Teilzeitarbeit, Minijobs und befristeter Beschäftigung zu. Dieses Wachstum geht jedoch nicht zulasten der unbefristeten Vollzeitbeschäftigung. Der Anteil von Personen, die 2003 einen unbefristeten Vollzeitjob hatten, lag 2008 unverändert bei 78 Prozent", sagt Viktor Otto von der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitnehmerverbände. "Vielmehr profitieren Menschen, die zuvor keinen Job hatten, von flexiblen Beschäftigungsformen. Im Aufschwung 2003 bis 2008 sind viele flexible Stellen entstanden, die unqualifizierte Arbeitslose in Beschäftigung gebracht haben."

Außerdem würden befristete Arbeitsverhältnisse gerade Absolventen oft den Einstieg erleichtern. Diejenigen, die über einen längeren Zeitraum hinweg befristet beschäftigt sind, können der Arbeitsform aber meist wenig abgewinnen.

Endet der Einsatz nach wenigen Monaten, bekommt man nur Hartz IV

Erstrecken sich die Arbeitseinsätze immer nur über einen Zeitraum von einigen Monaten, wie es etwa in der Film- oder der Werbebranche üblich ist, haben die Mitarbeiter keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I. Nach Projektende müssen sie Hartz IV beantragen. Damit der Vertrag verlängert wird, müssen die Mitarbeiter erneut ein Bewerbungsverfahren durchlaufen. "So befinden sich auch langjährige Mitarbeiter immer wieder in einer Bewerberrolle, die keine gute Position ist, um etwa das Gehalt neu zu verhandeln", sagt Matthias von Fintel.

"Wer in einem begrenzten Arbeitsverhältnis steckt, hat meist auch nur eine begrenzte Zukunftsperspektive", sagt Claudia Weinkopf vom Institut für Arbeit und Qualifikation. "Wenn die Sicherheit fehlt, dann hat das Auswirkungen auf die Bereitschaft, eine Familie zu gründen, oder die Möglichkeit, einen Kredit für ein Haus zu bekommen."

Auch Antonia Mann würde "lieber heute als morgen" einen verbindlichen Arbeitsvertrag unterschreiben. "Auch wenn ich schon am eigenen Leib erfahren habe, dass man als Festangestellte gekündigt werden kann - es ist ein beruhigendes Gefühl, wenn zumindest die nächsten ein bis zwei Jahre finanziell gesichert sind."