Mit Pionierarbeit, Innovationen und Wagnissen schufen die Zwillinge Gerrit und Freddy Braun das Miniatur Wunderland.

Reichlich Ideen hatten die Zwillinge Gerrit und Frederik Braun schon immer, auch wenn einige davon Außenstehenden kurios erscheinen mögen, wie etwa ein Doppelhaus mit einem gemeinsamen Keller für die Miniatur-Eisenbahn im XXL-Format. "Die Eisenbahn haben wir uns erfüllt", sagt Gerrit Braun, der zusammen mit seinem Zwillingsbruder vor zwölf Jahren das Miniatur Wunderland in der Speicherstadt auf die Beine stellte - mit 1300 Quadratmeter Fläche, 13 000 Meter Gleisen und 14 450 Waggons gilt es als größte Modelleisenbahnanlage der Welt.

Der Hang zum Exzessiven zeichnete sich bereits in ihrer Kindheit ab. Mit zehn Jahren hatten beide den Plan, eine der größten "Micky Maus"-Heft-Sammlungen der Welt aufzubauen. Um die günstigsten Exemplare aufzuspüren, klapperten die Brüder am Wochenende frühmorgens Flohmärkte ab und verkauften doppelte Hefte mit Gewinn weiter. Auch die Jagd nach Autogrammkarten von Sportstars, Kronkorken und Knibbelbilder in den Deckeln von Colaflaschen betrieben sie mit gleicher Hartnäckigkeit - und stets im Duo.

"Gerrit war immer eher rational und hat meine überschäumenden Ideen in realistische Bahnen gelenkt", sagt Frederik Braun, der sich als euphorischer Optimist ohne Stopptaste beschreibt. "Als Techniker und Programmierer muss ich im Vorfeld die Probleme erkennen", sagt Gerrit Braun, der die ausgeklügelte Computersteuerung im Wunderland managt. Die charakterlichen Anlagen für seinen Beruf prägen ihn auch darüber hinaus. Jede Idee des Bruders stoße sofort eine Art Fehlersuchprogramm in seinem Kopf an. Dieses Zusammenspiel hat sie in ihren Unternehmungen von Erfolg zu Erfolg geführt. "Jeder für sich allein hätte das nie geschafft", betonen beide.

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Auch wenn es zuerst nicht danach aussah. Während Gerrit Braun das Gymnasium mit Einser-Abitur abschloss, fiel Frederik durch. "Ich hatte damals andere Interessen ", sagt der um wenige Minuten Jüngere. Sein Nebenjob als Discjockey vertrug sich schlicht nicht mit dem Abitur. "Wäre es anders gelaufen, säßen wir heute sicher nicht hier", sagt Gerrit Braun, der nach dem Abitur ein Studium der Wirtschaftsinformatik startete. Sein Bruder hingegen begann Partys im großen Stil aufzuziehen, schnell mit dem Ziel einer eigenen Diskothek. 1992 mieteten sie den Freitag im Voilà an, zwei Jahre später übernahmen sie die Diskothek komplett, auch Gerrit Braun engagierte sich mehr und mehr im Voilà und brach das Studium ein Semester vor Ende ab. "Wir wollten das Nachtleben revolutionieren", sagt er und grinst. Mottopartys, Einladungen gedruckt auf Eiskratzer oder aufgenommen auf CDs und damals völlig neu: per SMS.

Anders sein als andere, diese einfache Formel funktionierte auch sonst. "Bei jedem Projekt stand immer der Spaß an der Sache im Vordergrund, nie das Geld", sagen beide unisono. Dabei konzentriert sich jeder auf seine Stärken. So baute Gerrit Braun sein technisches Können aus, etwa indem er eine Abrechnungssoftware für die Gastronomie programmierte; zurzeit entwickelt er gerade ein neues Einlass- und Ticketsystem für das Wunderland.

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Neben der spielerischen Freude, vorgegebene Bahnen zu verlassen, bestimmt ihr Perfektionismus die Vorhaben. "Wir haben immer alles mit Herzblut gemacht ", sagt Frederik Braun, der heute auf eine 60-Stunden-Woche kommt, sein Bruder auf noch mehr. Auf seinem Nachttisch lag früher ein Block, um auch kurz vor dem Einschlafen noch Eingebungen zu notieren; heute tippt er sie ins Handy.

"Die Disco lief gut, aber alt werden wollte ich nicht im Nachtleben", sagt Frederik Braun. Seine ersten beiden Vorschläge für ein neues Vorhaben schmetterte der Bruder jedoch ab. Auf einer Reise nach Zürich kam ihm dann vor einem Modellbahnladen die Idee zur weltgrößten Modelleisenbahn. Diesmal überzeugte er den Bruder sowie Partner Stephan Herz - und kurz darauf den Kundenbetreuer der Bank, der ihnen ein Startkapital von zwei Millionen Euro zusagte.

Im Sommer 2000 begannen die Arbeiten an der Miniaturwelt in der Speicherstadt, ein Jahr später war Eröffnung. "Dazwischen waren wir schon nervös, aber es hat eine gesunde Verdrängung stattgefunden", sagt Gerrit Braun. Nach dem Motto: Läuft es schief, geht das Leben weiter. Und zu zweit lasse sich Ungewissheit ohnehin besser aushalten.

Heute gehört das Wunderland zu den wichtigsten Touristenmagneten Hamburgs. Anerkennung und Lob bedeuten beiden viel, insbesondere von der Stadt. Eine Expansion in andere Länder reizt sie nicht. Investoren aus Dubai, die einen zweistelligen Millionenbetrag für den Nachbau boten, erhielten eine Absage. Ebenso alle anderen, darunter die Anfrage, im neuen World Trade Center ein Miniatur Wunderland zu eröffnen. "Wir möchten unsere ganze Kraft in unser Hamburger Wunderland stecken und bei dem bleiben, was wir gut können", sagt Gerrit Braun. Delegieren jedenfalls gehöre nicht zu ihren Stärken.

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Der Glaube an ein Projekt treibt sie an. "Ob es finanziell funktionieren kann, prüfen wir erst danach", sagt Gerrit Braun. Wie etwa die Sonderausstellungen "Geschichte der Welt" oder "Utopia", die jeweils mit 200 000 Euro zu Buche schlugen. "Da denke ich nicht an Kosten oder Gewinn, sondern bin einfach begeistert", sagt Frederik Braun. Gleichzeitig werde das Produkt so ehrlicher und echter. Den Charme des Wunderlandes jedenfalls machen auch die vielen liebevollen Details aus, wie die Bank, aus deren Fenster zwei Einbrecher an einem Laken flüchten, und der Alarmknopf daneben, mit dem Besucher eine Sirene und Suchscheinwerfer auslösen können.

Der Idealismus scheint anzustecken. "Unsere 286 Mitarbeiter stehen genauso 110-prozentig hinter jedem Projekt wie wir", sagt Frederik Braun. Ohne diesen Enthusiasmus aller würde der Erfolg ausbleiben. "Ein Geistesblitz reicht nicht, man braucht motivierte Leute für die Umsetzung." Dafür lassen die Brauns ihren Mitarbeitern viel Freiheit. Außer Zielen geben sie wenig vor, Kreativität darf ausgelebt werden. "Aus der Hälfte der Einfälle wird später meist ein cooles Ding", sagt Frederik Braun. Den familiären Umgang mit dem Personal sehen beide als einen ihrer wichtigsten Erfolgsfaktoren. Die Tür der 44 Jahre alten Chefs stehe immer für alle offen. "Vier, fünf Stunden am Tag hören wir uns Probleme und Anregungen von Mitarbeitern an", sagt Frederik Braun. Das koste zwar viel Zeit, aber nur wer sich ernst genommen fühle, sei zu Höchstleistungen bereit. Und letztendlich färbe die Zufriedenheit der Mannschaft auch auf die Gäste ab.