Vom Köhler bis zur Dampflok: Sonderausstellung im Miniatur Wunderland macht Geschichte erlebbar. Details sind penibel recherchiert.

Speicherstadt. Das typische Erkennungszeichen eines Miniatur-Wunderland-Mitarbeiters ist dieses seltsame, stets glückliche Lächeln. Bei Sebastian Drechsler ist das genauso, obwohl er gestern Abend zum ersten Mal so richtig aus dem Schatten seiner Brüder Frederick und Gerrit heraustrat, als er bei Currywurst und Bier die Sonderausstellung "Die Geschichte unserer Zivilisation" der Öffentlichkeit vorstellte - und dabei erstmals eine Rede halten musste.

Dieses Lächeln kann man leicht erklären: Es rührt unter anderem daher, dass die bodenständigen Erbauer der künstlichen Welten des Miniatur Wunderlandes wissen, dass sie mit ihrer Arbeit Jahr für Jahr mittlerweile über 1,3 Millionen Besuchern pro Jahr nichts anderes als Freude bereiten.

Sebastian Drechslers Wangen glühen beinahe, als er dem Abendblatt eine private Führung durch die vergangenen 7000 Jahre deutscher Zivilisationsgeschichte gewährt. Das Prinzip der Ausstellung ist ebenso einfach wie genial: Jedes "Diorama" ist ein fiktives Stück Land, das durch einen Fluss geteilt wird. Die Ausstellungsbesucher können in insgesamt acht zeitlichen Schritten miterleben, wie die einzelnen Epochen dieses Land verändern - landschaftlich, architektonisch, kulturell und sogar ökologisch, denn wer genau hinschaut, dem wird auffallen, dass die Farbe des Flusses sich vom Jungsteinzeitalter 5500 v. Chr. bis zur Industrialisierung (1840) von blau zu schmutzig braun ändert. Noch dreckiger geht es dem Fluss dann im Jahre 1942, als auf Deutschland die Bomben der Alliierten fielen und die Welt in Trümmern liegt.

"Ich bin sehr glücklich über dieses Projekt", sagt der 30-jährige Drechsler, der für das Ausstellungskonzept verantwortlich war. "Aber nach 14 Tagen hab ich unsere Modellbauer dann lieber in Ruhe gelassen. Die hatten sich inzwischen so dermaßen tief in die Geschichte eingearbeitet, dass ich wahrscheinlich nur gestört hätte. Und jetzt kann ich sagen: Wir alle haben unglaublich viel gelernt - zum Beispiel, ab welcher Epoche es Regenrinnen gab."

Das lag vermutlich auch an den zahlreichen wissenschaftlichen Beratern, die mit den peniblen Modellbauern des Wunderlandes eng zusammenarbeiteten, "und denen wir allen sehr dankbar sind - vor allem Sabine Bamberger-Stemmann, der Leiterin der Landeszentrale für politische Bildung", sagt Drechsler.

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Die Profibastler aus der Speicherstadt setzten bildlich (korrekt: modellbautechnisch) nur um, was sich historisch-wissenschaftlich belegen ließ. Zwar bewegt sich in den "Dioramen" nichts, doch dafür sind die einzelnen Epochen mit bedeutenden historischen Ereignissen, aber auch zeitgemäßen Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen gespickt. Von der Hexenverbrennung bis zu Heinrich Heine, vom Köhler bis zur Dampflokomotive, von Luthers Thesen bis hin zur Mobilmachung im Kaiserlichen Deutschland von 1914 - diese Liste ließe sich schier endlos weiterführen. "Ich glaube, es ist uns gelungen, einen großen Teil unserer Geschichte erlebbar zu gestalten", sagt Drechsler, "denn historische Fakten lassen sich besser über unterhaltende Elemente transportieren."

Ein Clou der Ausstellung ist übrigens die integrierte Videoführung: für diejenigen, die noch tiefer in die Zivilisationsgeschichte eintauchen wollen.