Karrierewege: Wie Pekka Viljakainen vom jugendlichen Computerfreak zum erfolgreichen IT-Unternehmer und weltweit gefragten Berater wurde.

Sie nennen ihn "Bulldozer". Diesen Spitznamen hat ihm Microsoft-Chef Steve Ballmer verpasst. Er ist auf jeden Fall eine nette Planierraupe. Pekka Viljakainen vibriert vor Energie, als er die Abendblatt-Redaktion besucht. Mit einer ledernen Aktentasche in der Hand marschiert der leicht übergewichtige Finne flink durch die Gänge. Keine Assistenten, keine Allüren. Der Mann wartet geduldig, bis unser Fotograf seine Blitzanlage aufgebaut hat und folgt gut gelaunt den Anweisungen für die richtige Pose. "Nutzen Sie Photoshop, und machen Sie George Clooney aus mir", scherzt Viljakainen.

Der blonde Finne war bis 2010 Chef des finnischen IT-Dienstleisters Tieto und verantwortlich für 18 000 Mitarbeiter. Inzwischen berät er die russische Regierung beim Aufbau von Skolkovo, dem Moskauer Silicon Valley. Doch vom selbstgefälligen Statusgehabe mancher Wirtschaftsbosse ist Viljakainen weit entfernt. Er ist jener Typ Finne, der gern Witze über Dunkelheit, Mücken und depressive Männer in seiner Heimat macht und mit dem man gern am Abend ein paar Biere trinken würde. Fast zwangsläufig reden wir uns mit den Vornamen an. So ist das internationale IT-Geschäft - locker, statusbefreit, aber enorm zielorientiert.

Hinter dem fröhlichen Wesen steckt ein brillanter Stratege mit mittlerweile 25 Jahren Erfahrung als Unternehmer. Dabei hat Pekka am Freitag vor einer Woche erst seinen 40. Geburtstag gefeiert. Seine Karriere als Unternehmer begann bereits 1986. Mit nur 14 Jahren kaufte er sich einen Volvo Amazon, engagierte einen Chauffeur, da er selbst nicht fahren durfte, und ließ sich zu seinen Kunden fahren. Er erklärte Unternehmen und Privatleuten, wie man die damals aufkommenden Heimcomputer gebraucht.

Pekkas Weg als Geschäftsmann in der IT-Welt war genetisch vorgezeichnet. "Von meinem Urgroßvater, einem Gebrauchtwarenhändler, erbte ich den brennenden Wunsch, etwas zu verkaufen. Mein Großvater Kyösti war Ingenieur und gab mir reges Interesse an Technologie und Wirtschaft mit. Ich war erst sieben Jahre alt, als er begann, mit mir zusammen finnische Wirtschaftszeitschriften zu lesen und mir zu erklären, wie man Geschäfte abschließt", erzählt Viljakainen. Sein Großvater war übrigens Vizepräsident und einer der Gründer der Firma Televa Oy, die später zu Nokia wurde.

Im Elternhaus erwarb Pekka eher soziale Kompetenz: "Mein Vater Seppo war Psychologe und meine Mutter Raija eine Krankenschwester in der Psychiatrie. Über Dinge wie Unternehmensmanagement, Unternehmertum oder Personalentwicklung wurde bei uns zu Hause nie gesprochen." Die Familie lebte zurückgezogen auf dem Familienlandsitz im Wald nahe der Grenze zur Sowjetunion. Als kleiner Junge, so erinnert sich Pekka, wollte er immer auf einer Bühne auftreten und entweder Zirkusdirektor oder Rockmusiker werden.

Wie er dann den Weg zur IT-Karriere fand, klingt so skurril wie das Drehbuch zu einem Aki-Kaurismäki-Film: "Als ich zwölf oder 13 war, sagte mir ein Lehrer einmal, dass junge Leute eigentlich ein Hobby haben sollten. Da wir mitten im Wald wohnten, gab es keine große Auswahl. Ich beschloss, in die Bibliothek zu gehen. Dort fragte ich die Bibliothekarin nach Büchern über Hobbys, und sie führte mich zu einem Regal mit rund einem Dutzend Büchern. Die Wälzer über Garten und Jagd interessierten mich überhaupt nicht, also griff ich schließlich nach dem Handbuch für einen Tandy-80-Computer. Ich las es, es faszinierte mich, und so wurde ich ein Computernarr."

Auch manche Weltkarrieren fangen banal an. "Wie alle richtigen Computerfreaks hatte ich Pickel, trug lockere, schlecht sitzende Hosen und kämmte mich grundsätzlich nie." Pekka Viljakainen gehört wie die eine knappe Generation älteren Steve Jobs und Bill Gates (beide Jahrgang 1955) zu jener eher seltenen Spezies von IT-Experten, die ihr technisches Genie mit gesundem Geschäftssinn paaren. Bereits Mitte der 90er-Jahre hatte Viljakainens Firma Oy Visual Systems Ltd 50 Mitarbeiter und machte Gewinne.

"Ein riesiger Glücksfall trat ein, als meine Firma den Zuschlag für die Entwicklung eines Online-Banking-Systems der ersten Generation erhielt", sagt Pekka. Für den Kunden, eine finnische Großbank mit 11 000 Mitarbeitern, bedeutete dieser Auftrag einen radikalen Wandel sowohl im Umgang mit den Kunden als auch in der internen Organisation. "Wir waren zahllose Tage lang als Wanderprediger unterwegs, die den Leuten die Auswirkungen der bevorstehenden Veränderungen nahebrachten."

Das Projekt verlief erfolgreich, Oy Visual Systems wuchs rasch auf 150 Mitarbeiter an und rollte bald auch bei Geldinstituten anderer Länder seine Online-Banking-Software aus. Im Jahr 2000 fusionierte die Firma mit der Tieto-Gruppe, die inzwischen zu den führenden Dienstleistern für IT-Services in Europa zählt und mehr als 18 000 Experten in 30 Ländern beschäftigt. Tieto Deutschland hat seinen Sitz in der Hamburger HafenCity.

Gesundheitliche Probleme stoppten im Juni 2009 einen Mann, der seine Hubschrauber eigenhändig zu Terminen steuert. Intensivstation macht nachdenklich, selbst einen Turbo-Manager. 2010 legte Pekka Viljakainen den Chefposten bei Tieto nieder und gibt seither als Berater und Redner seine Erfahrungen als Chef internationaler IT-Expertenteams weiter. In dem internationalen Bestsellerbuch "Digital Cowboys" (erschienen im Wiley Verlag) beschreibt der agile Finne, wie man die Generation PlayStation führt. "Mit den Methoden traditioneller Führung und hierarchischem Denken kommst du da nicht weiter", sagt Pekka. Sein Credo lautet "No fear" (keine Furcht) - dazu betreibt er eine eigene Internetseite mit Blog (http://nofear-community.com).

"Furcht vor Fehlschlägen und eine ungesunde Distanzierung der Führungskräfte von der Front sind ein Krebs, der das Wachstumspotenzial und die Wettbewerbsfähigkeit aufzehrt. Der Westen - ganz besonders Europa - kann im globalen Wettbewerb nicht durch Demografie oder Kostenstrukturen bestehen. Wir stehen einer überwältigenden Armee von Fachkräften gegenüber. Wir müssen fähig sein, die Arbeit einer Stunde in 15 Minuten zu erledigen, und zwar besser als die anderen. Wir müssen zielstrebig und furchtlos vorwärtsschreiten." Wer die Leidenschaft erlebt, mit der Pekka seine Vision verkündet, begreift, warum der Mann Bulldozer heißt.