Fragen und Antworten: Wann wollen Firmen junge Bewerber, wann sind Berufserfahrene gefragt? Das erklärt Soziologin Gabriele Korge.

Offen gesagt wird es nicht, doch wenn in Stellenanzeigen Bewerber mit "zwei bis drei Jahren Berufserfahrung" gefragt sind, heißt das: unter 30.

Hamburger Abendblatt:

Werden Jobs für Akademiker ausgeschrieben, sind oft Leute mit zwei bis drei Jahren Berufserfahrung gesucht. Haben 40-jährige Bewerber da schon keine Aussichten mehr?

Gabriele Korge:

Die Frage ist, ob man eine Chance hat, wenn man nicht voll auf eine Stellenausschreibung passt. Die wenigsten Bewerber passen zu 100 Prozent. Man muss also selbstbewusst genug sein, um zu sagen: Das kann ich, und da bewerbe ich mich auch. Die etwas Älteren können mit Erfahrung punkten - damit, auch ohne lange Einarbeitungszeit schnell voll einsatzfähig zu sein. Selbstständig zu arbeiten, Entscheidungen zu fällen. Es kommt auch darauf an, wie ein Team strukturiert ist. Gibt es viele Mitarbeiter, die 40 oder über 40 sind? Dann wird man eher Jüngere einstellen, um eine bessere Durchmischung zu erreichen. In vielen jungen Teams ist man dagegen auch mal froh über jemanden, der etwas älter und erfahrener ist.

Nun stellen ja einige Unternehmen, die vorwiegend Ältere beschäftigen, auf einmal fest: Da haben wir es verpasst, uns zu verjüngen ...

Korge:

Ja. Teilweise machen Betriebe Altersstrukturanalysen und wollen plötzlich das Durchschnittsalter auf Teufel komm raus senken und stellen möglichst viele Jüngere ein. Besser ist es, auf eine ausgewogene Mischung zu achten, also auf eine Normalverteilung des Alters. Wenn ein Unternehmen Lücken im mittleren Alter feststellt, ist es gut beraten, auch 40-Jährige einzustellen. Bei all dem kommt es aber auch sehr auf die Branche an.

Haben Sie Beispiele?

Korge:

Die Informations- und Kommunikationsbranche etwa ist insgesamt stark gealtert. Einige Firmen haben ein überraschend hohes Durchschnittsalter. Sie suchen eher Jüngere, die die neuen Programmiersprachen besser beherrschen. Oder sie suchen Über-50-Jährige, die die ganz alten Maschinensprachen beherrschen. In Branchen, die stark auf Erfahrung setzen, zum Beispiel im Journalismus, ist das Alter nicht so wichtig. Auch im Wissenschaftsbereich kommt es sehr auf die Projekterfahrung und den Schwerpunkt an; das Alter ist hier wenig entscheidend.

Wie attraktiv sind Firmen, in denen die mittlere Generation fehlt, für Jüngere?

Korge:

Solche Unternehmen können sehr attraktiv sein, weil Jüngere dort bessere Chancen auf einen schnellen Aufstieg haben. Oft sind ältere Kollegen viel ruhiger und offener für verändernde Vorschläge. Mehr jedenfalls als die Kollegen mittleren Alters, die selbst noch versuchen, etwas zu werden oder ihren Platz zu finden.

Welche Rolle spielt die Vergütung?

Korge:

Wenn sich Leute mit sehr klaren Gehaltsvorstellungen bewerben, die etwas älter sind, Familie und einen entsprechenden Bedarf haben, kommt es schon vor, dass ein Personaler sagt: Ich kann es mir gerade erlauben, einen Jüngeren einzuarbeiten, der weniger Gehalt verlangt. Wenn ein Erfahrener keine exorbitanten Gehaltsvorstellungen hat, ist eher die Frage entscheidend: Brauche ich jemanden, der sehr schnell eigenständig etwas übernehmen kann, oder habe ich Zeit, jemanden einzuarbeiten.

Selbst wer Berufserfahrung hat, bekommt oft nicht mehr als einen Zweijahresvertrag. Schreckt das Leute mit Ende 30 ab, sich beruflich neu zu orientieren?

Korge:

Ganz klar. Wenn ich schon einige Zeit gearbeitet habe, habe ich einen gewissen Anspruch auf einen Folgevertrag, einen Arbeitsplatz. Den gebe ich natürlich nicht auf. Mit dem Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber verzichte ich auf diese Sicherheit. Ob ich dazu bereit bin, muss ich mir genau überlegen.