Alleine arbeiten ist langweilig: In sogenannten Co-Working-Centern teilen sich Selbstständige und Firmen Büros und Infrastruktur.

Grafiker und Marketingexperten, Coaches und Personalberater, Texter, Werbe- und PR-Fachleute - im Office Point One am Hans-Henny-Jahnn-Weg 53 sollen künftig Freiberufler, Selbstständige und junge Start-up-Unternehmer nebeneinander- und unter einem Dach sitzen. Im Januar wurde das Bürocenter mit Mieträumen ab 15 Quadratmetern Größe, einem Loungebereich, Konferenzräumen, Intranet, Gartenterrasse und Kaffee-Tresen, eröffnet.

Matthias Gipp vom Immobilien-Anbieter Team Situs, ist überzeugt, dass es in der Metropole Hamburg große Nachfrage nach günstigen Büroräumen und Co-Working-Räumlichkeiten gibt: "In Hamburg arbeiten Zehntausende Kreative und Freelancer anderer Branchen, die keine Lust haben, den ganzen Tag allein zu Hause zu sitzen. Die möchten mit anderen plaudern, zusammenarbeiten und Netzwerke aufbauen."

André Scheja ist Personalberater, spezialisiert auf die Finanzbranche. Nach sechs Jahren in verschiedenen Großunternehmen gründete er vor zwei Jahren die Firma King of Job. Zusammen mit drei Mitarbeitern sitzt der 36-Jährige seit sechs Wochen im Office Point One. "In dieser frühen Phase meiner Selbstständigkeit möchte ich vor allem meine Flexibilität erhalten", sagt Scheja. Das könne er am besten in einem repräsentativen, aber günstigen Büro - monatlich zahlt er 545 Euro netto - mit kurzen Kündigungsfristen und Expansionsmöglichkeiten im Haus.

"Wenn wir wachsen, kann ich quasi über Nacht das Büro neben uns dazumieten." Das könnte er in etablierten Business-Center-Ketten wie Excellent oder Regus auch - allerdings zu weitaus höheren Preisen. Die umfangreichen Dienstleistungspakete, die diese professionellen Vermieter gegen vielerorts saftige Zusatzkosten anbieten, benötigen aber nur wenige Einzelkämpfer und Mini-Unternehmer. Sie brauchen höchstens einmal einen IT-Service oder Schreibdienst.

In Hamburg gibt es verschiedene Formen solcher Büro-WGs. Dazu gehören beispielsweise die Friendsfactory an der Königstraße in Altona und das Betahaus an der Lerchenstraße auf St. Pauli. In Letzterem können Protagonisten der Web-2.0-Generation einen Schreibtisch sogar nur für Stunden mieten. Wände zwischen den Arbeitsplätzen gibt es nicht. Offenheit ist gewollt. Für André Scheja wäre das nichts: "In unserem Business ist Diskretion das Wichtigste. Deswegen brauche ich ein abschließbares Büro." Aber auch nicht jeder Texter, Journalist oder Grafiker freut sich, wenn man ihm auf seinen Laptop schaut.

Die neue Büro-Szene ist Ausdruck einer veränderten Arbeitswelt: Großunternehmen haben in den vergangenen Jahren viele Jobs ausgelagert, "outgesourct". Der Trend hält an. Eine Folge: Immer mehr Tätigkeiten, die früher von den eigenen Mitarbeitern des Unternehmens erledigt wurden, werden heute von externen Dienstleistern gestemmt. Das ist für die Unternehmen billiger und beschert dem Heer der Freien zum Teil attraktive Aufgaben. Kein Wunder, dass die Zahl der Hamburger steigt, die in zeitlich begrenzten Projekten arbeiten.

Einher geht die zunehmende Dezentralisierung von Tätigkeiten mit einer Welle von Existenzgründungen. Hamburg und Berlin sind auf diesem Gebiet Deutschlands Hauptstädte. Jungunternehmer müssen in der Regel auf jeden Euro achten und sind deswegen froh, ihre ersten Schritte in einem Billig-Büro oder an einem Co-Working-Schreibtisch planen zu können. Ideal für sie sind Center, in denen sie sich weder um Einrichtung noch Equipment wie Telefone und Internet-Anschluss kümmern müssen, weil diese das Motto "all-inclusive" haben.

Wichtig ist den mobilen Arbeitern des 21. Jahrhunderts allerdings die Lage ihrer Büros. Zentral soll es ein, nahe der Alster, in der City oder im Schanzenviertel. "Auf der grünen Wiese funktioniert ein Bürocenter für Freelancer nicht", weiß Immobilienexperte Matthias Gipp. "Wer jung, flexibel und mobil sein will, möchte Einkaufsmöglichkeiten, Bahnhöfe, Restaurants und Szeneläden um die Ecke haben."

Arbeitswissenschaftlerin Ursula Vranken ist sicher, dass der Bedarf an solchen Arbeitsplätzen noch wachsen wird: "Vor allem bei Tätigkeiten ohne Kundenkontakt sind diese Büro-WGs zudem ideal, um soziale Kontakte zu pflegen und um das berufliche Netzwerk zu erweitern."