Persönlichkeitstests und standardisierte Interviews verraten nicht alles über Bewerber. Psychologen plädieren fürs offene Gespräch.

"Es gibt einfach keine 100-prozentige Sicherheit in der Personalauswahl", sagt Claus Peter Müller-Thurau, Personalentwickler aus Hamburg. Gerade deswegen versuchen Unternehmen, sich mit Technik abzusichern. Standardisierte Intelligenz-, Konzentrations- und Persönlichkeitstests gehören bei der Stellenbesetzung zum Programm.

In der Vorauswahl Rechtschreibung, kaufmännische Fähigkeiten oder Kombinationsgabe zu prüfen, hält Müller-Thurau zwar für sinnvoll. Persönlichkeitstests kommen bei dem Psychologen aber gar nicht gut weg. "Und es gibt genug Kollegen, die auch nichts von Psychotests halten", sagt er. Die wahre Persönlichkeit könne man damit nicht erfassen. "Kein vernünftiger Bewerber würde doch auf eine Aussage wie 'Ich nutze andere aus' mit 'Ja' antworten."

"Man kann die Tests durchschauen", sagt Coach und Karriereberater Tom Diesbrock. "Und wenn ich weiß, in welche Richtung eine Frage zielt, kann ich die sozial gewünschte Antwort geben." Generell hält er die Aussagekraft von Tests für beschränkt. "Sie sind ja für Laborbedingungen konzipiert, aber das Auswahlverfahren ist eine Stresssituation für die Bewerber", sagt Diesbrock. "Wer nervös ist, schneidet schlechter ab, wer eher stressresistent ist, hat bessere Chancen auf ein gutes Ergebnis." Trotz bester Testergebnisse könne es aber immer noch passieren, dass der Kandidat im Team nicht funktioniert. Warum dann trotzdem so viel Technik in der Auswahl? Personalexperte Müller-Thurau glaubt: "Man hat einen Schuldigen, wenn die Auswahl falsch war: Die Instrumente haben etwas anderes angezeigt."

Ist der Falsche eingestellt, wird es teuer. "Dann entstehen Konflikte im Team", sagt Personal- und Organisationsentwicklerin Beate Denker. Zum Beispiel, wenn der Neue sich aus Sicht der Kollegen zu wenig engagiert oder versucht, den Ton anzugeben. "Mit einem Kollegen, bei dem es auf der menschlichen Ebene passt, arbeiten Mitarbeiter auf Sachebene konstruktiver zusammen." Muss sich das Team aber ständig mit Problemen auf der Beziehungsebene beschäftigen, hemmt das die Produktivität, sagt Denker.

"Insbesondere wenn eine Führungsposition falsch besetzt ist, verursacht das hohe Kosten", sagt Personalentwickler Müller-Thurau. "Die Fluktuation wird größer, die guten Leute aus dem Team gehen." Schlimmstenfalls nähmen die Mitarbeiter eine "Geschieht ihm doch recht"-Haltung ein, wenn dem Chef etwas misslingt. "Aber auch ein falsch eingesetzter 'normaler' Mitarbeiter im Team verursacht einiges an Kosten, weil alle frustriert sind und nur noch mit halber Kraft arbeiten." Müller-Thurau kennt das aus seiner Zeit als Personalleiter. "Mein eigener Flop", erinnert er sich. "Ein Bewerber - Diplom-Kaufmann und Ingenieur - mit hervorragenden Noten, eine Koryphäe. Aber im Berufsalltag stellte sich heraus, dass er im Wolkenkuckucksheim lebte." Als man sich nach einem halben Jahr wieder trennte, erzählten die Mitarbeiter, die Koryphäe habe nicht mal selbstständig Brötchen holen können.

Organisationsexpertin Beate Denker sieht die Tücken der Personalauswahl eher in der menschlichen Komponente: im Jobinterview, das sich den Tests anschließt. "Wenn ich als Personalentscheider von der Persönlichkeit her etwa sehr beziehungsorientiert bin, mag ich auch solche Bewerber - und stelle sie eventuell bevorzugt ein." Sicher sei die Sympathie wichtig, "aber ich muss immer im Auge behalten, welche Persönlichkeit auf dieser bestimmten Position eigentlich gebraucht wird". Für einen Qualitätsmanager etwa sei es schließlich vorteilhafter, detailverliebt als beziehungsorientiert zu sein.

Strukturierte Interviews sollen helfen, persönliche Vorlieben von Personalern und Vorgesetzten außen vor zu lassen. Da tut sich ein ähnliches Problem wie bei Persönlichkeitstests auf. Psychologe Diesbrock: "Der Bewerber weiß heute doch bestens, was in standardisierten Gesprächen gefragt wird und wie er darauf antworten soll. Am Ende geht es nur noch darum: Wer hat die beste Show abgegeben?" Seine Lösung: mehr individuelle Gespräche mit Themen, die nicht in den standardisierten Fragen auftauchen. "Wenn der Kandidat selbst Fragen stellen darf, wenn er Raum bekommt, sich zu zeigen - da lerne ich als Personaler sehr viel mehr, als wenn ich den Bewerber nur in eine reaktive Rolle bringe, sagt Diesbrock.

Claus Peter Müller-Thurau schwört auf Small Talk, um Bewerber aus der Reserve zu locken. Ein Gespräch über die Hobbys des Kandidaten oder seine Reaktion auf eine Bemerkung ("Und, waren Sie beim Alstereisvergnügen?") gebe am besten Aufschluss über dessen Eigenheiten. "Doch bei strukturierten Interviews ist kein Platz für Small Talk." Wolle der Personaler wirklich etwas über den Bewerber erfahren, müsse er ihn vom "eingeübten Rollenspiel" wegführen und freier Unterhaltung viel mehr Raum geben. "Ein ehrliches Gespräch führen", rät er. "Eine Situation schaffen, in der der Kandidat halbwegs authentisch sein kann." Und die Ergebnisse der Tests? "Die kann man als eine gute Gesprächsgrundlage nutzen."