Die Mundart ist ein Stück persönliche Identität. Doch im Job kann zu viel Lokalkolorit auch der Karriere schaden, sagen Experten.

Hamburg. Die junge Bankangestellte hatte gute Manieren und beste Noten. Doch ihren Wunsch, ins Vermögensmanagement der Bank zu wechseln, ignorierte der Chef. Denn das Nachwuchstalent sächselte, was nach Ansicht des Bankleiters die betuchte Hamburger Kundschaft zu sehr irritieren würde - obwohl diese doch selbst gern mal über den spitzen Stein stolpert.

Begebenheiten wie diese bekommt die Hamburger Kommunikationsexpertin Isabel Garcia regelmäßig zu hören. "Mit einem ausgeprägten Dialekt schwächen Sie im beruflichen Umfeld schnell Ihre Position", sagt die Sprachtrainerin und Hörbuch-Autorin. Wer sächselt, schwäbelt oder berlinert, muss damit rechnen, von seinen Gesprächspartnern nicht für voll genommen zu werden - frei nach dem Motto: "Der kann es wohl nicht besser."

Für viele Menschen gehört gepflegtes Hochdeutsch genauso zur Job-Etikette wie gepflegte, angemessene Kleidung. Ein breiter Dialekt wirkt dagegen tendenziell nachlässig. Wer das nicht glauben will, dem schlägt Isabel Garcia in Beratungsgesprächen gern vor, doch einfach mal den nächsten Marketing-Prospekt im Dialekt zu verfassen. "Da heißt es dann sofort: Das geht doch nicht. Für mich gehören Schreibweise und Aussprache aber untrennbar zusammen", sagt die 42-Jährige, die jahrelang Mitarbeiter großer Unternehmen in Kommunikationsfragen geschult hat.

"Die vordergründige Gesprächskompetenz entscheidet heute oft über Karrieren", bestätigt Karriereberater Thomas Röbel vom Büro für Berufsstrategie Hesse/Schrader. Angesichts der stetig ansteigenden Informationsflut werde immer stärker unbewusst anhand von schnell wahrnehmbaren Äußerlichkeiten vorsortiert: Wem höre ich zu? Wen kann ich verstehen? Wem glaube und vertraue ich?

"Im TV-Duell hätte der Hamburger Altkanzler Helmut Schmidt schon allein wegen seiner gestochenen Aussprache heute einen erheblichen Vorteil gegenüber seinem Konkurrenten Helmut Kohl", ist Thomas Röbel überzeugt. Kohls weicher Pfälzer Dialekt dagegen wirke immer etwas behäbig und provinziell und mache den Politiker zur beliebten Zielscheibe vieler Parodien. "In einer repräsentativen Stellung kann man sich keinen Dialekt leisten", sagt der Karrierecoach. Das betrifft nicht nur Spitzenpolitiker oder Top-Manager, sondern zum Beispiel auch Kundenberater, Pressesprecher oder Key-Account-Manager, die ihr Unternehmen überregional oder sogar international vertreten.

Das gilt auch für angehende Popstars: Deutschland beim Eurovision Song Contest 2012 zu vertreten lautete bis vor Kurzem das Ziel von Vera Reissmüller. Doch trotz ihrer tollen Stimme flog die 26-jährige Studentin aus Schwaben in der Castingshow "Unser Star für Baku" schon in der ersten Runde raus. Gut möglich, dass ihr ausgeprägter Dialekt ihr zum Verhängnis wurde, denn kurz vor der Publikums-Abstimmung war Juror Stefan Raab ("Du kannst vermutlich alles außer Hochdeutsch") noch auf ihrer unverständlichen Aussprache herumgeritten. Für viele Zuschauer wohl zumindest unterschwellig ein Grund, sich nicht mit der Kandidatin zu identifizieren und lieber jemand anderen zu wählen.

"Ein Dialekt unterstreicht die Andersartigkeit, das kann für Distanz sorgen und bestehende Animositäten noch verstärken", sagt Thomas Röbel. So wie bei der Projektmanagerin eines Hamburger Technologieunternehmens: "Der österreichische Dialekt meiner Kollegin nervt mich total, ich finde, sie könnte sich mehr Mühe geben", sagt die Angestellte. Die Dialekt sprechende Kollegin trete sehr selbstbewusst auf, auch wenn ihr öfter einmal Hintergrundwissen fehle und sie wichtige Punkte übersehe, kritisiert die Projektmanagerin. Kein Wunder, dass die detailorientierte Managerin inzwischen sogar den unbekümmert ausgelebten Dialekt der anderen als Provokation empfindet.

"Sonst greift in solchen Fällen oft der Ausländer-Bonus" sagt Karriereberater Röbel. Bei Schweizern und Österreichern fänden viele Deutsche eine deutliche Sprachfärbung sogar sympathischer als bei den eigenen Landsleuten. Auch andere Europäer dürfen gern sprechen wie in deutschen Werbespots für schwedische Möbel, französischen Käse oder italienischen Espresso.

Der Sprachwissenschaftler Markus Hundt von der Universität Kiel und seine Mitarbeiterin Christina Anders haben in Studien festgestellt, dass Dialekte sowohl positiv als auch negativ belegt sein können: "Bayrisch oder Sächsisch tauchen in den Hitlisten der beliebtesten Dialekte sowohl auf den vordersten als auch den hintersten Plätzen auf", sagt Anders.

Nicht nur privat, sondern auch beruflich kann ein gemeinsamer Dialekt also auch förderlich wirken, beispielsweise, wenn ein Therapeut, ein Verkäufer oder ein Anwalt Nähe und Vertrauen zu einem Kunden aus derselben Region aufbauen möchte.

Auch Isabel Garcia geht es keineswegs darum, Dialekte auszumerzen. "Die Aussprache ist ein schöner Bestandteil der Sprache, den wir bewusst einsetzen sollten", sagt sie. In vielen Jobs werden heute Fremdsprachenkenntnisse verlangt - wer nicht nur Hochdeutsch, sondern auch noch einen Dialekt perfekt beherrscht und nach Belieben damit spielen kann, der ist klar im Vorteil.