Viele Probleme entstehen, weil es in Ämtern zu wenig Impulse von außen gibt, meint der Personalberater.

Abendblatt:

Herr Ickert, Sie sind Coach und Berater und arbeiten vor allem für den öffentlichen Dienst. Wie modern ist dort das Management?

Frank Ickert:

Behörden haben alles, was man an modernen Management-Instrumenten haben kann - strukturierte Interviews, Assessment-Center, Beurteilungssysteme. Man fängt an, leistungsorientiert zu bezahlen. Nur die Ausformung der Instrumente ist meiner Ansicht nach nicht zielführend. Die Mitarbeitergespräche etwa: Ich stelle oft fest, dass da nicht Tacheles geredet wird. Führungskräfte haben wenig Mut zum offenen Gespräch. Außerdem ist die Organisation sehr kleinteilig. Gucken Sie sich die Mini-Referate an! Oft hat ein Vorgesetzter in seinem Verantwortungsbereich nur zwei, drei Mitarbeiter. Man braucht eben viele Beförderungspositionen.

Abendblatt:

Warum hapert es bei den Mitarbeitergesprächen?

Ickert:

Viele Vorgesetzte haben Angst vor Konsequenzen. Wenn ich einem Mitarbeiter zu deutlich die Meinung sage oder ihn zu stark fordere, dann geht er in die innere Emigration oder lässt sich krankschreiben, so die Befürchtung. Aber das ist nicht nur im öffentlichen Dienst so. Viele Menschen haben eine Scheu, andere zu bewerten. Im Anschluss an Assessment-Center, die ich in Behörden veranstalte, höre ich aber oft, dass dies das erste klare Feedback seit Jahren gewesen sei. In öffentlichen Verwaltungen herrscht eine Kultur, vieles durch die Blume zu sagen, nicht klarzumachen, was man vom Mitarbeiter erwartet und bis wann.

Abendblatt:

Wie läuft es mit der leistungsgerechten Bezahlung?

Ickert:

Der Abteilungsleiter verfügt über einen Topf X. Aber statt die besten Mitarbeiter zu belohnen, schütten viele den Topf über alle aus. Zum einen, weil die Zielvereinbarungen nicht so richtig überprüfbar sind, zum anderen scheuen sich Führungskräfte, Position zu beziehen und zu sagen: Du bist gut, das honoriere ich. Zwar geht es nur um geringe Beträge, aber ein Signal wäre es.

Abendblatt:

Fehlen die Quereinsteiger in der Verwaltung, die frischen Wind mitbringen?

Ickert:

Ja, das System rekrutiert sich aus sich selbst. Es kommen keine Leute von außen, und die, die da sind, haben keine Wechselmöglichkeiten. Vielleicht gehen sie mal von Schleswig-Holstein nach Bremen. Aber es gibt sehr häufig Kaminaufstiege.

Abendblatt:

Wie ist denn die Führungsmentalität im öffentlichen Dienst?

Ickert:

Zum einen ist sie stark fachlich orientiert. Führungskräfte sind oft ihre besten Sachbearbeiter und glauben auch, dass das so sein muss. Sie tun sich schwer mit dem Delegieren. So fehlt ihnen der Raum, über den Tag hinaus zu denken. Zum anderen herrscht eine starke Konsensorientierung. Es wird selten polarisiert. Dadurch nimmt man Behördenmitarbeitern aber die Möglichkeit zu lernen. Denn lernen kann man nur, wenn es auch mal wehtut, wenn man merkt, etwas klappt nicht.

Abendblatt:

Sie sagten, Zielvereinbarungen seien nicht überprüfbar. Warum?

Ickert:

Weil oft schon die Ziele nicht richtig formuliert sind. Es gilt als verpönt, offen Leistungserwartungen auszusprechen. Indirekt tut man das schon: Wir müssen besser werden, kundenorientierter, bürgernäher. Aber wenn es dann daran geht zu sagen: Sie Frau Meier, ganz persönlich - mit diesem Verhalten oder Vorgehen bin ich nicht einverstanden, was wollen Sie tun, um das zu ändern? Damit tun sich Führungskräfte in der Verwaltung schwer. Es gibt viele weichgespülte Leute, die "wir" und "man" sagen. Ein Wortschatz, hinter dem man sich wunderbar verstecken kann.

Abendblatt:

Was sehen Sie denn Positives?

Ickert:

Ich kenne viele engagierte, hoch motivierte Führungskräfte. Und es gibt im neuen Laufbahnrecht in Norddeutschland gute Ansätze. Da ist zum Beispiel festgeschrieben, dass Führungskräfte eine bestimmte Anzahl Stunden an Weiterbildung in Themen wie Management und Führung machen müssen. Dafür gibt es Creditpoints, die nachgewiesen werden müssen. Wünschen würde ich mir mehr Selbstbewusstsein und Mut in den Verwaltungen. Mut, auch selbst Managementideen zu entwickeln und nicht nur Instrumente aus der Wirtschaft zu adaptieren. Mut, Mitarbeiter zu bewerten und eine interne Bestenauslese zu machen. Außerdem wünsche ich mir mehr Stolz. Mitarbeiter sind stolz, wenn sie bei VW arbeiten. Oder bei Daimler. Aber wenn man Behördenmitarbeiter fragt, sagt niemand: Hey, ich finde es geil, im Innenministerium zu sein und an der Sicherheit im Staat mitzuwirken. Oder für die Straßen im Lande zu sorgen. Ich habe immer den Eindruck, dort herrscht ein Minderwertigkeitsgefühl.

Abendblatt:

Behörden gelten eben nicht als sexy ...

Ickert:

Warum eigentlich nicht? Die öffentliche Verwaltung hätte so irre Möglichkeiten, sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren. Wer hindert sie denn daran, von morgens sechs bis abends 22 Uhr zu öffnen? Vielen, die Familie haben, käme es entgegen, die Arbeitszeiten noch viel flexibler zu gestalten. Kindergartenplätze schaffen, Sabbatjahre ermöglichen - das wird alles viel zu wenig genutzt. Ich bin sicher, es gäbe viele, die dann gerne in die Verwaltung gehen und sich dort engagieren würden. Heute kenne ich leider viele, die sagen: Hätte ich eine Alternative, würde ich weggehen.