Mit einer gesunden Mischung in der Belegschaft stellt sich laut Studien der Erfolg wie von selbst ein. Die Chef-Etage soll jünger, internationaler und weiblicher werden.

Hamburg. "Jünger, internationaler und weiblicher sollten die Führungsetagen der deutschen Unternehmen werden. Dann bilden wir als Exportnation die Globalisierung optimal im Topmanagement ab", sagt Dr. Tiemo Kracht, Geschäftsführer bei der Personalberatung Kienbaum in Hamburg. Das Stichwort dazu heißt Diversity. Der Begriff steht für eine größere Vielfalt an Meinungen, Lebensweisen und Kulturen in der Belegschaft, für Chancengerechtigkeit, Respekt und Toleranz im Arbeitsleben. In Deutschland werden unter dem Begriff Diversity allerdings noch immer vor allem Karriere und Jobchancen von Frauen diskutiert. Doch für den langfristigen Unternehmenserfolg ist es wichtig, Diversity weiter zu fassen.

"Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass gemischte Teams besser funktionieren. Sie finden andere Lösungswege. Allerdings benötigen sie häufig ein Training beziehungsweise Coaching oder etwas mehr Zeit, um besser zu funktionieren", resümiert Catrin Hinkel, bei den Beratern von Accenture für Diversity verantwortlich. Diese Erfahrung lässt sich auch auf das Top-Management übertragen. Für den Unternehmenserfolg ist es wichtig, dort die richtige Mischung aus Erfahrungen, Persönlichkeiten und Kompetenzen zusammenzubringen. Eine aktuelle Accenture-Studie zeigt, das Unternehmen mit Frauen auf der obersten Führungsebene eine höhere Rendite erwirtschaften und am Kapitalmarkt erfolgreicher sind. Zudem wird der Wettbewerb um hoch qualifiziertes Personal immer intensiver. Deshalb kann es sich eigentlich kein Unternehmen mehr leisten, wertvolle, unternehmerisch orientierte Fach- und Führungskräftepotenziale links liegen zu lassen.

Tiemo Kracht von Kienbaum: "Mit Blick auf die Zeitachse 2015 bis 2030, in der die Baby-Boomer in die Rente gehen und Riesenlöcher in die Personalorganismen der Unternehmen reißen, muss man Unternehmen heute demografiefest aufstellen. Das heißt in erster Linie, das gesamtgesellschaftliche Kreativpotenzial, welches auch über Frauen bestimmt wird, zu mobilisieren."

Doch der Teufel steckt im Detail und damit in der Umsetzung. "Die Führungskarriere in einem Unternehmen gleicht einem Marathonlauf", sagt Personalberater Kracht. "Sie müssen die 42 Kilometer durchhalten, um letztlich auch in Top-Positionen aufsteigen zu können." Bei Frauen verändern sich häufig um das 30. bis 35. Lebensjahr die Lebensentwürfe. Kinder und Familienverantwortung treten in den Mittelpunkt. "Im Bild des Marathonlaufes bleibend, steigen die Frauen bei Kilometer 22 aus. Nach Mutterschutz und Familienmanagement starten sie dann wieder bei Kilometer 10 oder 15", erläutert Kracht. Hier müssten die Unternehmen noch einige kulturelle Sprünge machen, damit sie die Rahmenbedingungen schaffen, um einigermaßen gradlinige Karrieren von Frauen zuzulassen. Und die weiblichen Führungskräfte müssen auch wollen.

Doch auch wenn niemand ernsthaft behaupten wollte, dass Frauen per se die besseren Führungskräfte wären, haben sie in Führungsfunktionen einen nachweisbar positiven Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. In einer einschlägigen McKinsey-Studie bringt es der Vorstand einer internationalen Bank so auf den Punkt: "Wenn eine Frau mit am Tisch sitzt, ändert sich die Kommunikation. (...) Aber eine Frau ist nicht genug. Man braucht mehr davon." "Der eigentliche Nutzen von in Bezug auf Geschlecht und Kultur gemischten Führungsteams sind der breitere Horizont und die besseren Ideen. Ich denke, es gibt einen direkten Zusammenhang von Performance und der Zusammensetzung des Teams, welches im Idealfall die besten Talente vereint", fasst an gleicher Stelle der Europachef eines führenden globalen Pharmaunternehmens zusammen.

Tatsächlich sind die global aufgestellten Unternehmen auch die Vorreiter in Sachen Diversity. Ein gutes Beispiel ist der Beratungs- und Outsourcing Spezialist Accenture. 176 000 Mitarbeiter arbeiten für Kunden in 120 Ländern. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Irland, ist an der New York Stock Exchange gelistet und hat die meisten Mitarbeiter in Indien. Ist Accenture jetzt ein amerikanisches, irisches oder indisches Unternehmen? Die kulturelle DNA der Firma ist vielfältig und global. Die Erfahrungen mit gemischten Teams, die virtuell rund um den Globus zusammenarbeiten, sind durchweg positiv. Ein Blick auf die Bilanzen bestätigt diesen Eindruck.

Accenture gilt aber auch als ein Unternehmen, welches bei aller Vielfalt und Globalität eine sehr homogene Unternehmenskultur hat. Viele interkulturelle Trainings, klar beschriebene Vorgehensmodelle und die Alltagserfahrung in der Zusammenarbeit führen dazu, dass die Denkweise überall im Unternehmen sehr ähnlich ist. Das Modell ist erfolgreich. Allein in Deutschland sind über die nächsten fünf Monate 500 Neueinstellungen geplant. In Indien kommt eine fünfstellige Anzahl neuer Mitarbeiter zu den schon an Bord befindlichen 40 000 hinzu.

Nach einer generellen Einschätzung befragt, konstatiert Kienbaum-Berater Tiemo Kracht: "Im internationalen Vergleich hat Deutschland die Relevanz des Themas erkannt, hinkt aber in der Umsetzung struktureller Anpassungen hinterher. Im Bereich Internationalität ist die DNA vieler Unternehmen noch unterentwickelt. Da bewegen wir uns in einer nationalen Komfortzone und haben viele Führungsfunktionen in der Breite der Unternehmen in Deutschland rein deutsch besetzt und Englisch noch nicht als gleichberechtigte Unternehmenssprache zugelassen."