Massives Mobbing ist heute eher selten. Dennoch müssen schwule und lesbische Bewerber besser sein als andere, glaubt die Sprecherin des Verbands LSVD.

In der Politik sind sie präsent, in der Medienbranche, in der Mode sowieso - Männer und Frauen, die schwul oder lesbisch leben. Aber in der Wirtschaft? "Im Top-Management ist keiner offen schwul", sagt Christian D. Weis von arco, dem schwul-lesbischen Mitarbeiter-Netzwerk der Commerzbank. "Harald Christ mal ausgenommen." Aber der Ex-Banker habe als inzwischen selbstständiger Unternehmer ja auch leichtere Bedingungen. Ansonsten? Fehlanzeige. Dabei ist es doch eher unwahrscheinlich, im Top-Management so gar keinen Homosexuellen anzutreffen.

Bernd Schachtsiek, Vorsitzender des Völklinger Kreises, einem Berufsverband für schwule Führungskräfte glaubt, dass es an der Gefahr des "Zwangs-geoutet-Werdens" in der Politik liegt, dass dort relativ viele Menschen zu ihrer Homosexualität stehen. "Auch vor Wowereits Outing war von Gegnern eine Kampagne geplant worden. Dann entschloss er sich zum Schritt an die Öffentlichkeit", erinnert Schachtsiek an das "Ich bin schwul - und das ist auch gut so" des heutigen Berliner Bürgermeisters im Jahr 2001. Es gebe zwar auch geoutete Dax-Vorstände, sagt der Vorsitzende des Völklinger Kreises. "Aber da wollen die Firmen, dass sie sich in der Öffentlichkeit mit Informationen über ihr Privatleben zurückhalten." Schachtsiek bedauert, dass es nicht mehr positive Beispiele in der Wirtschaft gibt.

Angst vor internen Konflikten oder der Reaktion von Kunden und Geschäftspartnern ist oft der Grund für Vorbehalte der Personalentscheider, meint Renate Rampf, Sprecherin des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD). Wobei sie aber auch unterstreicht, dass die gesellschaftliche Akzeptanz von Homosexuellen heute deutlich gestiegen sei und dass durch die rechtliche Anerkennung von Partnerschaften und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetzt (AGG) auch im beruflichen Rahmen viel gewonnen sei.

"Aber Verbesserung heißt ja nicht, dass alles okay ist", schränkt sie ein. Sie sieht ein Problem zum Beispiel im Bewerbungsprozess: "Ausschreibungen richten sich an heterosexuelle Bewerber. Diese Anforderung wird nicht extra erwähnt, weil es die Norm ist", erklärt Rampf. Und wenn sich dann ein Schwuler oder eine Lesbe bewerbe, seien die Personalchefs überrascht, vielleicht sogar brüskiert. "Daher reicht die gleiche Qualifikation in aller Regel nicht. Homosexuelle müssen besser sein als andere, wenn sie eine gute Chance haben wollen."

Marc Lienow vom Arbeitskreis Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender in der Gewerkschaft Ver.di sieht beim Bewerben vor allem ein Hindernis darin, dass dem Kandidaten oft Vorgesetzte aus einer älteren Generation gegenübersitzen. Sie sind zum Teil sogar noch in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass Homosexuelle strafrechtlich verfolgt werden konnten (bis 1969). "Und sie haben immer noch Vorurteile", sagt Lienow.

Besser also, man versteckt sich? Eher nicht: "Laut einer Studie sagen zwei Drittel der Betroffenen, dass sich ihr Coming Out am Arbeitsplatz positiv ausgewirkt habe", betont Renate Rampf vom LSVD. Darum empfiehlt sie Homosexuellen auch, sich in ihrer Firma zu outen. "Die Belastung ist sonst zu hoch." Da gebe es zum Beispiel "das Problem des Montags", sagt Bernd Schachtsiek vom Völklinger Kreis. Nämlich die Frage: Und was hast du am Wochenende gemacht? "Da werden zum Teil riesige Lügenkonstrukte über ein heterosexuelles Leben aufgebaut", weiß Christian D. Weis vom Netzwerk arco.

Eine Verschwendung von Ressourcen: Wer seine Lügen sortieren muss und überlegen, was er wann wem erzählt hat, verbraucht Zeit und Energie, die ihm für die eigentliche Arbeit fehlt. Das ist ein Argument für Unternehmen, eine tolerante Unternehmenskultur zu pflegen, findet Weis. Versteckspielen sorge für Stress, sagt auch Sina Vogt von den Wirtschaftsweibern, einem Netzwerk für lesbische Fach- und Führungskräfte. "Und damit gehen oft auch psychosomatische Beschwerden einher."

Doch wie offen man wirklich sein kann, hängt auch an der Branche, in der man tätig ist. "Ich kenne zwei Frauen, die als Führungskräfte bei einem Automobilhersteller arbeiten", erzählt Vogt. "Sie outen sich nicht. Sie sagen, das wollen sie sich nicht antun." Sie halte das auch für legitim, meint Sina Vogt. "Man sollte das eigene Gefühl als Richtschnur dafür nehmen, ob es ein guter Schritt wäre, sich zu outen."

Wirklich massives Mobbing gegen Homosexuelle komme nur noch selten vor, sagt die Sprecherin der Wirtschaftsweiber. Dennoch gebe es weiter andere Diskriminierungen, Gerede unter den Kollegen etwa. "Oder die Personalverantwortlichen haben Angst vor Konflikten und wollen lieber Kollegen, die so sind wie sie", sagt Renate Rampf vom LSVD. "Eine betriebswirtschaftlich total überholte Einstellung." Diese "gläserne Decke" sei eine subtile Form der Diskriminierung. "Und sie ist leider selbst in den Betrieben zu finden ist, in denen Akzeptanz verbal vollzogen wurde."