Wie führt man ohne Worte? Indem man klarmacht, was man will, und intensiv gemeinsam arbeitet, sagt der Fregattenkapitän.

Kiel. Das Büro atmet den gebohnerten Charme einheitlicher militärischer Standardausstattung. Kasernen sind austauschbar - egal, ob sie in Kiel oder Garmisch-Partenkirchen stehen. Schön sein darf hier nichts, es muss nur funktionieren. Ich nehme Platz in einem Sessel mit abgewetztem Bezug aus meliertem Stoff. Dessen niedrige Sitzhöhe zwingt mich aufzusehen zu dem Mann hinter dem Schreibtisch. Mein Blick fällt auf ein Schild an der Wand: "Nimm Rücksicht auf Wartende. Fasse dich kurz!"

So halte ich mich gegenüber Fregattenkapitän Friedrich Szepansky auch nicht mit Smalltalk auf. Der drahtige 50-Jährige wirkt durch und durch schneidig, befehlsgewohnt und präzise. Seine Antworten sind klar abgemessen und druckreif. Wir sprechen über das Thema "Führen ohne Worte". Szepansky wird darüber im Juni vor Personalentscheidern referieren. Der Kapitän ist der geeignete Mann für dieses Thema, denn er ist der Chef des Marinemusikkorps Ostsee.

Seit 1956 vertritt das rund 60-köpfige Ensemble die Deutsche Marine als "Botschafter in Blau". Von seinem Heimathafen Kiel aus bereist es Deutschland und die ganze Welt und begeistert in unzähligen Konzerten und bei Festivals sein Publikum. Und das ist keineswegs nur auf zackige Marschmusik geeicht.

Auf den Pulten im Übungssaal des Orchesters liegen die Partituren von Rossinis Arie "Largo al factotum" neben Auszügen aus dem Musical "König der Löwen" und aus dem Film "Hook"; dazwischen finden sich die Noten der Jazz-Suite Nr.2 von Schostakowitsch. "Mit einem breiten Repertoire von Klassik bis Pop holen wir die Leute an ihrem geschmacklichen Standort ab", erklärt Szepansky. Aus dem großen Blasorchester formieren sich daher auch die unterschiedlichsten kleineren Besetzungen, wie etwa Egerländer, Tanzbands, Jazztrio, Blech- und Holzbläserquintette.

Drei bis dreieinhalb Stunden proben die 48 Berufsunteroffiziere und zehn bis 15 Grundwehrdienstleistenden werktäglich im Orchester. "Mehr geht nicht, dann sind die Ohren dicht. Sie können dann nichts mehr aufnehmen. Erst nach einer Pause wird dann geübt", sagt Szepansky. Er hat klare Vorstellungen, wie eine Komposition zu klingen hat. "Das sind 1000 Neins und ein Ja. Musik ist kein demokratischer Prozess. Als Dirigent muss ich klar sagen, was ich will. Musiker wollen geführt werden, dafür haben sie ihren Dirigenten."

Ob ihm die militärische Befehlshierarchie dabei helfe, seinen Sound durchzusetzen? Der Fregattenkapitän überlegt nur kurz: "Streifen erleichtern a priori das Befehlen, aber nicht das Führen. Sie helfen mir nicht dabei, gemeinsam mit den Musikern den angestrebten Klang zu erarbeiten." Eine Führungskraft - egal, ob in der Armee oder in der Wirtschaft - müsse ein klares Bild davon vermitteln, was genau sie wolle. "Dafür braucht es nicht viele Worte", meint Szepansky. "Entscheidend ist, wie Sie es sagen, wie Sie Ihre Vorstellung des Ziels deutlich machen."

Der größte Fehler, den eine Führungskraft machen könne, sei, nicht authentisch zu sein. "Gerade junge Menschen haben oft große Angst davor, sie selbst zu sein, und setzen sich irgendetwas auf, was sie an Führungstheorie gelernt haben. Doch aufgesetztes Verhalten geht bei einem Orchester sofort daneben."

Doch wie geht das mit dem Führen ohne Worte? Ein Lächeln huscht über Szepanskys Gesicht, als er an sein Vorbild Sergiu Celibidache erinnert: "Er konnte mit den Augen dirigieren. Und wenn er zwei Finger auseinanderspreizte, explodierte das Blech." Dafür müssten sich das Team und der Chef aber genau kennenlernen. Am Anfang seiner Zeit in Kiel hätten die Musiker ganz oft gefragt: "Wie meinen Sie das?" Jetzt, nach 20 gemeinsamen Monaten, hätte der erste Trompeter in der Messe gesagt: "Ich habe jetzt all seine Gesten aufgenommen. Ich weiß jetzt, was er will, wenn der zuckt." Wenn so ein Verständnis zwischen der Führungskraft und den Mitarbeitern entstehe, dann sei es möglich, wirklich erfolgreich zu arbeiten. Und mit dem eigenen Orchester kein Nein mehr zu haben, sondern nur das eine Ja.