Ab nächster Woche wird in den Unternehmen gewählt. Das Zusammenspiel mit der Geschäftsleitung klappt mal mehr, mal weniger. Welche Fehler werden auf beiden Seiten gemacht?

Hamburg. Im Krisenjahr 2009 gab es viel zu tun für Betriebsräte. Kurzarbeit, neue Arbeitszeitregelungen, Abstriche beim Gehalt - mit den Maßnahmen wurde und wird versucht, Arbeitsplätze trotz Wirtschaftsflaute zu halten. Das alles sind - genauso wie Entlassungen - Themen für den Betriebsrat. Laut Betriebsverfassungsgesetz hat das Gremium das Recht, informiert zu werden, beraten zu können, Widerspruch einzulegen oder die Zustimmung zu verweigern - je nachdem, um welches Thema es geht.

Die Erwartungen der Beschäftigten an ihre Betriebsräte sind gewachsen. "Auch das unter anderem krisenbedingt", sagt Dr. Andreas Priebe, Referatsleiter Arbeitsrecht im Bereich Mitbestimmungsförderung bei der Hans-Böckler-Stiftung. Die Lust am Wählen hängt mit der Art des Betriebs zusammen. Priebe: "In Großunternehmen ist die Akzeptanz von Betriebsräten größer als in kleineren Firmen mit 100 Leuten - wo der Unternehmer selbst der Chef ist und dem einzelnen Mitarbeiter noch näher steht." Es gebe einerseits Wahlbeteiligungen von 80 Prozent, etwa in der Verwaltung. "Manchmal sind es aber auch nur zehn bis 15 Prozent", weiß der Arbeitsrechtler. Stefan Langens, Betriebsrat beim Cinemaxx Hamburg, war jedenfalls 2006 mit einer Beteiligung von 60 bis 65 Prozent der rund 200 Mitarbeiter sehr zufrieden.

Über die allgemeinen Krisenthemen der vergangenen Monate hinaus hat jedes Unternehmen seine eigenen kritischen Punkte. Beim Cinemaxx dreht sich viel um die Kontrolle der Arbeitszeiten. "Kino ist ein sehr flexibles Geschäft. Da hätte unser Arbeitgeber am liebsten Mitarbeiter, die auf Abruf bereitstehen und auch ganz kurzfristig Einsätze übernehmen", sagt Stefan Langens. Wie sinnvoll ein Betriebsrat ist, belegt er damit, dass es an Cinemaxx-Standorten ohne solches Organ deutlich mehr befristete Verträge gebe.

Bei E.ON Hanse (vor 2003 bei Hein Gas) ist Thies Hansen seit 1994 im Betriebsrat aktiv, heute als Vorsitzender. "Die Geschwindigkeit und Komplexität unserer Arbeit hat zugenommen", sagt er. Wichtiges Thema der vergangenen Jahre sei die Großfusion von Hein Gas, Schleswag und Hanse Gas zur E.ON Hanse AG und die darauf folgende Trennung von Netz und Vertrieb in zwei Gesellschaften. Kurzarbeit war für keinen der 2500 Mitarbeiter - trotz Wirtschaftskrise - ein Thema. Hansen ist zufrieden mit der Zusammenarbeit von Mitarbeitervertretern und Arbeitgeber. "Wir als Betriebsrat werden in alle Veränderungsmaßnahmen frühzeitig eingebunden, sogar über das vom Betriebsverfassungsgesetz geforderte Maß hinaus", erklärt er. "So haben wir die Möglichkeit, geplante Maßnahmen anzupassen und gegebenenfalls abzufedern." Die Beteiligung an Betriebsratswahlen lag bei E.ON Hanse bislang bei 70 bis 75 Prozent.

Knackpunkte für Betriebsräte sind immer wieder Firmenübernahmen. Auch Christa Scheidweiler von der Siemens Wind Power in Bremen kann ein Lied davon singen. Als Betriebsratsvorsitzende begleitete sie 2005 die Übernahme ihres Arbeitgebers AN Windenergie durch Siemens. "Die Firmenstruktur veränderte sich dadurch stark", sagt sie. Und hatte einen "Wildwuchs an tariflichen Eingruppierungen" zur Folge. Die Zusammenarbeit mit der Arbeitgeberseite hat Betriebsrätin Scheidweiler als "sehr unterschiedlich" empfunden. "Wenn es ihnen in den Kram passte, wurden wir gut unterstützt, wenn nicht, dann weniger." Man müsse "frustfrei" sein, um Betriebsratsarbeit leisten zu können, sagt die Bremerin.

Von Unternehmen werden Betriebsräte nicht selten als Behinderer angesehen. Dann versuchen sie zum Beispiel, die Wahl des Gremiums zu verhindern oder nehmen es mit der Informationspflicht nicht so genau. Dabei sind Betriebsräte im günstigen Fall nicht nur Sprachrohr der Mitarbeiter, sondern haben auch Vorteile für die Firmenseite. "Aktuelles Beispiel ist bei uns die Einführung der Kurzarbeit im Mai 2009", sagt Oliver Franke, Geschäftsführer des Technik-Dienstleisters Franke + Pahl. "Wir sind auf den Betriebsrat zugegangen, der hat gefordert, das Kurzarbeitergeld noch aufzustocken, wir haben akzeptiert - und so konnten wir uns schnell auf eine Betriebsvereinbarung einigen", erzählt Franke. "Ohne Betriebsrat hätten wir mit jedem Mitarbeiter einzeln sprechen müssen."

"Hapert es im Zusammenspiel von Betriebsrat und Unternehmensleitung, ist das Problem dahinter eigentlich immer ein psychologisches", erklärt Unternehmensberaterin Maren Lehky. Der Betriebsrat fühle sich nicht einbezogen, der Arbeitgeber wiederum nehme die Arbeitnehmervertretung nicht ernst. "Und dann ist das Vertrauen verspielt." Diese Situation lasse sich gar nicht mehr auffangen, sagt Unternehmensberaterin Christine S. Hartmann - und koste ein Heidengeld. "Ich empfehle Arbeitgebern darum immer, ihren Informationspflichten nachzukommen", sagt Hartmann. "Nicht zuletzt verhindert man so auch, dass die Gerüchte hochkochen."

"Es gibt aber auch Betriebsräte, die mauern und Veränderungen blockieren", sagt Roger Henrichs, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens 2coach. "Das kann bis zur Gefährdung des Unternehmens gehen." Oder jemand lässt sich nur aus strategischen Gründen aufstellen, weil er durch den garantierten Kündigungsschutz seinen Job sichern kann. "Es gibt auch Leute, die über diese Schiene Karriere machen wollen", sagt Betriebsrätin Scheidweiler. "Das alles ist menschlich." Ihre Motivation findet sie woanders: "Ich will einfach nicht, dass Kollegen über den Tisch gezogen werden."