Forscher Dr. Carsten Wippermann hat im Auftrag des Bundesministeriums fürFamilie Männer und Frauen in Führungs- positionen befragt.

Abendblatt: Wie ist das Ergebnis Ihrer Studie? Halten Männer Frauen grundsätzlich für ungeeignet für Führungsjobs?

Carsten Wippermann: uf der vordergründigen Ebene zeigen Männer sehr großes Wohlwollen und hohe Wertschätzung gegenüber fachlich hoch qualifizierten Frauen. Im Verlauf der Gespräche mit den Topmanagern war aber auffällig, dass sie immer mehr Gründe nannten, die gegen Frauen in Führungspositionen sprechen.

Abendblatt: Sie haben drei Mentalitätstypen ausgemacht ...

Wippermann: Ja. Diese Typen unterscheiden sich in der Argumentation zwar sehr voneinander, wirken aber in Ergänzung wie ein Sperrriegel gegen Frauen.

Abendblatt: Können Sie die Typen näher beschreiben?

Wippermann: Der erste Typ ist der Konservative, er lehnt Frauen im Topmanagement seines Unternehmens schlichtweg ab, weil sie eine Irritation im "inner circle" wären. Wirtschaftliche Eliten basieren auf einer Kultur des persönlichen Networkings. Es gibt eingeschliffene Rituale, um Zugehörigkeit zu zelebrieren. Allein aufgrund der Tatsache, dass all dies darauf aufsetzt, allein unter Männern zu sein, wäre es eine Irritation, wenn plötzlich eine Frau dabei wäre: Man wäre gehemmt, man wollte und dürfte sich nicht mehr wie bisher ausdrücken und verständigen. Dieser konservative Mentalitätstyp hat ein zweites zentrales Argument: Für Personen in oberen Führungsriegen ist ein heiler familiärer Background unbedingt notwendig. In leitender Position braucht der Mann eine private Sphäre für seine Versorgung und Organisation und zum Auftanken. Familie ist hier ein notwendiger Ort und Symbol für ordentliche Verhältnisse. Wenn eine Frau jedoch in das gehobene Management will, ist für sie einerseits dieses Fundament auch notwendig, andererseits ist es suspekt, wenn sie ihre Familie im Alltag hintenan stellt. Die Umkehrung der traditionellen Rollenteilung wird im Spitzenmanagement der Wirtschaft nicht akzeptiert. Und wenn Frauen die Konsequenz ziehen und zugunsten ihrer Karriere auf Kinder verzichten, haben sie den Makel der radikalen und "unberechenbaren" Einzelkämpferin.

Abendblatt: Das heißt, Frauen können es Männern gar nicht recht machen?

Wippermann: Genau. Es gibt eine Reihe von Führungsqualitäten, und wenn Frauen der einen gerecht werden, dann fallen sie unter das Verdikt der anderen. Das gilt auch für die Haltung der beiden anderen Mentalitätstypen.

Abendblatt: Wie sieht der zweite Typ aus?

Wippermann: Der hat die emanzipierte Grundhaltung und sagt, Frauen und Männer sind gleichberechtigt und müssen in den Spitzen der Unternehmen eigentlich gleich stark vertreten sein. Diese Männer haben große Sympathie für ambitionierte Frauen auf dem Weg nach oben, aber sie zeigen gleichzeitig Skepsis. Denn im Topmanagement geht es einzig um den ökonomischen Erfolg, der in immer kürzer werdenden Intervallen nachzuweisen ist. Ein Vorstand braucht dafür Härte, die man Frauen zwar zutraut, die aber im Widerspruch zum Frauenbild in unserer Gesellschaft steht. Was also bei einem Mann in so einer Position normal ist, gilt bei einer Frau als unpassend, unweiblich, gezwungen männlich. Und folglich ist sie kein positiver Repräsentant für das Unternehmen und würde sogar das Image und die Marke beschädigen.

Abendblatt: Und welche Argumente bringt der dritte Typ?

Wippermann: Der dritte Typ ist ein radikaler Individualist. Er sagt: Es spielt bei uns im Unternehmen überhaupt gar keine Rolle, ob jemand ein Mann oder eine Frau ist, es zählen Qualifikation und Kompetenz. Wenn jemand die hat und eine kontinuierliche berufliche Karriere ohne längere Pausen, dann kann er natürlich auch nach oben kommen. Aber warum schaffen es Frauen dann doch nicht? Die Antwort ist für diesen Mentalitätstyp ganz einfach: Frauen haben keine kontinuierliche Berufsbiografie.

Abendblatt: Aber die hat doch auch nicht jeder Mann ...

Wippermann: Richtig. Wenn man Manager in Führungsebenen repräsentativ nach ihrer Berufsbiografie befragt, hat auch ein erheblicher Anteil der Männer in Führungspositionen seine Berufstätigkeit unterbrochen. Und auch bei den Frauen, die heute in Spitzenpositionen der Wirtschaft sind, haben viele ihre Berufsbiografie schon mal unterbrochen. Insofern erweisen sich Vorbehalte der Männer, "man" bräuchte für eine Führungsposition eine kontinuierliche Berufsbiografie und diese sei in der aktiven Familienphase nicht zu bewältigen, als Schimäre.

Abendblatt: Abgesehen von der Gleichberechtigung: Was hätte es für Vorteile, wenn mehr Frauen in Führungspositionen wären?

Wippermann: Das haben wir die Männer auch gefragt. Sie glauben nicht, dass mehr Frauen im Vorstand den ökonomischen Erfolg eines Unternehmens steigern würde. Das glauben übrigens auch nicht die Frauen, die schon in Führungsposition sind. Es geht nicht um Frauenförderung. Was wir brauchen, ist nach Meinung heutiger Führungskräfte eine Vision von einer veränderten Führungskultur. Das bedeutet vor allem Diversität, eine Vielfalt von Perspektiven in Führungsetagen. Und aus diesem Grund halten es auch Männer für wichtig, dass es gemischte Führungsteams mit Männern und Frauen gibt.