Die meisten Unternehmen versäumen es, ihre Belegschaft offen über Probleme und Strategien zu informieren.

Abendblatt: Es gibt erste positive Signale bei einzelnen Hamburger Unternehmen, die wieder von Kurzarbeit auf Vollbeschäftigung umschalten. Ist in dieser Krise das Ende der Fahnenstange abzusehen?

Uwe Kern: Nein, bestimmt nicht. Es kommt entscheidend auf die Branchen an, die wir betrachten. Im Automobil- und Flugzeugbau sowie der Hafenwirtschaft ist die Talsohle zum Beispiel noch nicht erreicht. In anderen Sektoren hat sich die Auftragslage bereits wieder stabilisiert, es werden sogar wieder Mitarbeiter gesucht.

Abendblatt: In welchen Branchen erkennen Sie positive Signale?

Kern: Die Branchen Handel, Nahrungs- und Genussmittel, Energiewirtschaft, insbesondere die regenerativen Energien, IT, Chemie und Pharma suchen wieder verstärkt Personal. Die Fachleute in unseren Niederlassungen berichten auch einhellig, dass die Sektoren Logistik, Banken und Finanzdienstleister bereits wieder Mitarbeiter einstellen.

Abendblatt: Nun ist Ihr Kerngeschäft Outplacement, also die Qualifizierung und Vermittlung von Menschen, die ihren Job verloren haben oder in absehbarer Zeit verlieren werden. Sie profitieren also vom Personalabbau in anderen Unternehmen. Sind Sie ein Krisengewinnler, Herr Kern?

Kern: Diesen Vorwurf höre ich immer wieder. Aber es stimmt einfach nicht. Unternehmen bauen Mitarbeiter ab, das ist klar. Und sie wollen dabei möglichst wenig Geld ausgeben, auch das ist klar. Eigentlich wünschen sich Unternehmen eine komplette Beratung der von Kündigung betroffenen Mitarbeiter für deren rasche berufliche Neuorientierung - und das möglichst billig. Genau das schließt sich aus.

Abendblatt: Warum?

Kern: Sie können betroffene Menschen nur dann qualifiziert beraten und ihnen Wege zu einem neuen Job ebnen, wenn Sie sich auf jeden Einzelnen einstellen. Eine Schemaberatung nach Handbuch funktioniert nicht. Jeder Fall ist anders, jeder hat andere Qualifikationen, die er für den Arbeitsmarkt mitbringt. Da muss ich als Berater genau hinschauen und mit dem Klienten gemeinsam berufliche Alternativen entwickeln. Das kostet Zeit - und Zeit kostet Geld. Das sind viele Unternehmen aber in der Krise zunehmend weniger bereit auszugeben. Und gleichzeitig ist es derzeit auch schwieriger, Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Beides sind limitierende Faktoren für unser Geschäft.

Abendblatt: Aber schlecht geht es Ihnen dabei nicht, oder?

Kern: Nein, wir haben gut zu tun. Wir verzeichnen über die Jahre ein gesundes Wachstum, aber keinen Boom. Wir machen kein Massengeschäft. Wir werden nie eine Beratungsfabrik sein, weil das unserem Anspruch widerspricht, für den Einzelnen eine wirkliche Hilfe bei der beruflichen Neupositionierung zu sein.

Abendblatt: Mal zum Begriff selbst - Outplacement. Das klingt immer nach Rauswurf. Sind Sie mit diesem Begriff eigentlich ...?

Kern: ... glücklich? (lacht) Nein, überhaupt nicht. Wir haben x-mal versucht, diesen Begriff zu ändern. Manche Unternehmen sprechen auch von Newplacement. Das ist alles Augenwischerei. Outplacement ist der internationale Fachterminus für diese Beratungsleistung. Nur muss man sich fragen, ob das "Out" dabei der zentrale Punkt ist. Denn es geht um deutlich mehr. Es geht um den gesamten Trennungsprozess - und der beginnt mit der Kommunikation von Kündigungen im Unternehmen. Schon da beginnt unsere Aufgabe als Berater. Wir begleiten das Unternehmen von der Sozialplanverhandlung bis zur Motivierung der verbleibenden Mitarbeiter.

Abendblatt: Inwiefern sorgt Outplacement für die verbleibende Belegschaft?

Kern: Oft wird die Frage gestellt, warum Mitarbeiter, die mit einer Abfindung gehen, noch eine Beratung erhalten sollen. Ich antworte immer: Das ist eine Investition in diejenigen, die bleiben.

Abendblatt: Warum?

Kern: Diese Mitarbeiter sehen, dass ihr Unternehmen um einen fairen Umgang mit den ausscheidenden Kollegen bemüht ist. Sie übertragen das auf sich selbst, denn vielleicht müssen sie ja bei der nächsten Entlassungswelle gehen. Leider übersehen Unternehmenslenker oft diese große Gruppe der Bleibenden. Sie sagen: "Wir bauen zehn Prozent ab." Anstatt zu denken: "90 Prozent bleiben aber. Mit denen will ich doch die Schlacht morgen gewinnen. Und was machen wir für diese 90 Prozent?" Das ist entscheidend für die Zukunft des Unternehmens. Überlegen Sie nur mal, wie viel Arbeitszeit durch Flurfunkgespräche über schlechte Kommunikation der Firmenleitung oder unfairen Umgang mit Kollegen verschwendet wird.

Abendblatt: Welche Maßnahme wäre denn entscheidend für die 90 Prozent, die bleiben?

Kern: Klare und offene Kommunikation, wohin die Reise des Unternehmens geht. Es wird häufig schöngeredet. Die Mitarbeiter sind doch viel geneigter, der Unternehmensleitung in einer kritischen Phase zu folgen, wenn sie wissen, wo die Unwägbarkeiten sind. Ich möchte doch wissen, wofür ich mich engagiere. Viele Unternehmen haben eine PR-Abteilung, aber die richtet sich meistens nur nach draußen, nicht nach drinnen. Interne Kommunikation wird oft sträflich vernachlässigt. Viele Personalleiter und -entwickler, die dieses Problem erkennen, haben leider in der Hierarchie nicht das Standing, um sich damit in der Firmenleitung durchzusetzen.