Dauernörgler und Kritiker im Team machen vielen das Berufsleben schwer. Wie entwaffnet man sie?

Als wären die Informationsüberflutung und der Leistungsdruck nicht schon quälend genug: In fast jedem größeren Team findet sich dazu noch der eine oder andere Energievampir. Die anschauliche Bezeichnung ist den Amerikanern eingefallen. Gemeint sind überaus anstrengende Zeitgenossen, die bei ihren "Opfern" einen Nerv treffen und sie ausgelaugt, frustriert und manchmal sogar aggressiv zurücklassen.

Experten haben eine Systematisierung für die Energieräuber entwickelt: Da gibt es den Tätertyp: Das ist zum Beispiel ein machtbesessener Chef, der seine Mitarbeiter ständig niedermacht und jede Motivation im Keim erstickt. Und als Gegenstück den Opfertyp, den stets klagenden Zeitgenossen, der sich immer und überall schlecht behandelt und überfordert fühlt.

Und schließlich gibt es den immerwährenden Nörgler. Auf ihn reagieren wir leider fast reflexartig, weiß Trainerin Meike Müller. "Wenn der Kollege beim Mittagessen etwa kritisiert, ein wichtiges Projekt sei völlig falsch angepackt worden und somit zum Scheitern verurteilt, antworten wir meist ganz automatisch "Aber nein, so schlimm ist es doch gar nicht" - und sitzen schon in der Falle." Denn natürlich wolle der Nörgler gar nicht überzeugt werden oder auch nur eine realistische Sichtweise einnehmen. "Er will nur seinen Frust abladen, der dann auch prompt am Ende des Gesprächs auf uns übergegangen ist."

Schluss mit dem offenen Blick, mit der Freundlichkeit

Müller, Autorin von "Nervensägen im Griff", findet den Begriff Energievampir passend, denn es gehe "wortwörtlich um den Raub von Energie, und das sogar in Abwesenheit des Betreffenden." Nehmen wir den überkritischen Chef: "Wir hören ihn im Flur kommen, und schon versteifen wir uns. Im Kopf bleibt nur Raum für 'O bitte, lass ihn nicht zu mir kommen' - und das ist natürlich das Ende jeder Konzentration oder gar Kreativität." Ähnliches gelte für die zeitraubenden Jammer- oder Schimpf-Litaneien der Opfer- oder Nörglertypen. Müller rät deshalb, es Energievampiren generell "nicht zu nett" zu machen. "Schluss mit dem offenen Blick, dem freundlichen Lächeln." Sie rät vielmehr zum Abstandhalten. "Tritt ein Energievampir ein, greifen Sie zum Telefon oder stehen gerade auf, um aus dem Raum zu gehen. So läuft ihr ungebetener Gast ins Leere."

Egal, ob Täter, Opfer oder Nörgler - "allen gemein ist, dass sie eine Art Spiel spielen, das naturgemäß einen Mit- oder Gegenspieler braucht. "Spielen Sie nicht mit, sucht sich der Energievampir jemand anderes", erklärt Businesscoach Anabel Schröder. Doch auch wenn sie von einem Spiel spricht, das Thema gehöre ernst genommen: "Energievampire lösen bei ihren Opfern Stress aus, weil sie sich einem zielführenden Umgang verweigern." Nun sei kurzfristiger Stress durchaus nichts Schlimmes. "Er bringt uns auf Touren und dazu, ausgesprochen effektiv zu arbeiten", sagt Schröder. Nur dürfe der Stress eben nicht anhalten. Doch Energievampiren sei mit konstruktiven Lösungen nicht beizukommen. Sie sorgen für Dauerstress. "Und der führt zu einem Gefühl der Macht- und Kraftlosigkeit." Außerdem vergiften Energievampire das Betriebsklima. Anabel Schröder: "Denken Sie etwa an das Thema Flurfunk und den Nörgler, der die Unternehmenskultur runtermacht, die Entscheidungen des Chefs anzweifelt und bereits das Ende der Firma ausruft." Ganz schnell werde so ein Energievampir zum 1-a-Motivationskiller.

Zu einem "Killer" muss man nicht nett sein

Da man einem "Killer" aber nicht freundlich gegenübertreten muss, rät Professor Jens Weidner von der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften zum Gegenangriff. Der Energievampir solle als Feindbild gesehen werden. "Diese 'böse Sicht' bewahrt einen schon mal vor weiteren Enttäuschungen, denn man erwartet von seinem Feind eh nichts Gutes", erklärt Weidner. Wohlwollenden Menschen falle diese Haltung naturgemäß schwer, doch da gerade sie die bevorzugte Beute der Energieräuber sind, müssten sie lernen, ihre freundliche Weltsicht in Bezug auf Energievampire ruhen zu lassen. Der Aggressionsforscher und Autor von "Die Peperoni-Strategie" rät deshalb zu einem kontrollierten und wohldosierten Einsatz positiver, also konstruktiver Aggression. Zum Beispiel in Bezug auf den Opfertyp, "den Meistern im Wecken von Schuldgefühlen. Ihnen treten Sie mit einem unerbittlichen "NEIN!" entgegen und zwar ohne Begründung oder gar Entschuldigung!"

Weidner rät auch deshalb zu hartem Durchgreifen, weil ohne Gegenwehr der Umgang mit Energievampiren langfristig beim Opfer selbst in Aggression umschlagen kann. Der Experte kennt zwei Möglichkeiten: Zum einen könne es zu Autoaggression kommen. Dabei richtet das Opfer seine Aggressionen gegen sich selbst, indem es mutlos zu dem Schluss kommt: "Ich bin der geborene Opfertyp." In diesem Falle schafft der Energievampir tatsächlich seinesgleichen - fast wie der Blutsauger im Gruselgenre. Zum anderen besteht die Möglichkeit, dass das Opfer rachsüchtig reagiert - und nun seine aggressive Energie darauf verwendet, den Energievampir für das zugefügte Leid büßen zu lassen. In der Folge ist er mit der langfristigen Planung des Gegenschlags beschäftigt "und baut über die Planungsfeinheiten sein angeschlagenes Selbstbewusstsein wieder auf." Gesund sind beide Varianten nicht.