Jedes siebte Paar lebt heute schon auf Distanz. Experten raten Betroffenen, über den PC und per Telefon intensiv am Alltag des anderen teilzunehmen.

Seit 13 Jahren sind Alexander Jarka und seine Freundin Stefanie ein Paar. Doch zusammengelebt haben sie bislang nur vier Jahre. Er studierte Sozialwissenschaften in Göttingen, sie Kunst in Berlin und Leipzig. Seinen ersten Job trat der Werbetexter in Hamburg an, während die Fotografin ihren Abschluss in der Hauptstadt machte. Momentan leben sie in einer gemeinsamen Wohnung in Berlin-Mitte.

Doch ein Ende der Zweisamkeit ist nah: Noch im Laufe des Oktobers zieht der 31-Jährige zurück nach Hamburg, um eine Akademie für Werbetexter zu besuchen. "Wochenendbeziehungen sind anstrengend. Schließlich geht ein großer Teil der Freizeit für die Organisation und die Fahrerei drauf", bilanziert Alexander Jarka.

Die Zahl der Deutschen, deren Partner in einer anderen Stadt wohnt, nimmt seit Jahren zu. Einer der Hauptgründe: Arbeitgeber verlangen von ihren Mitarbeitern Flexibilität und Mobilität. Von Arbeitgebern wird solch ein Engagement gern gesehen und im Lebenslauf macht es sich später prächtig. Gerade Konzerne verlangen von ihren Angestellten, dass sie bereit sind, verschiedene Niederlassungen und Unternehmenszweige gründlich kennenzulernen. Vergangenes Jahr Hamburg, jetzt München, nächstes Jahr Brüssel - so ähnlich sieht die Realität für viele aus, die Karriere machen wollen.

Verbreitet sind Fernbeziehungen auch bei Studenten, die häufig Auslandssemester und Praktika in verschiedenen Städten absolvieren. "Seriösen Schätzungen zufolge ist derzeit jede siebte Beziehung in Deutschland eine Fernbeziehung. Außerdem geht man davon aus, dass ein Viertel aller Akademiker im Laufe des Berufslebens mehrfach jahrelang eine Partnerschaft auf Distanz führen muss", sagt Peter Wendl, Projektleiter am Zentralinstitut für Ehe und Familie an der Uni Eichstätt-Ingolstadt. "Die Bereitschaft, sich auf eine Fernbeziehung einzulassen, ist im Allgemeinen gestiegen", weiß der Projektleiter. "Das liegt daran, dass zwischen vielen Städten preisgünstige Flugverbindungen oder schnelle Bahnverbindungen existieren. Auch moderne Kommunikationsmittel helfen dabei, Fernbeziehungen erträglicher zu machen." "Wir bemühen uns, mindestens einmal am Tag miteinander zu telefonieren. Es ist wichtig, dass man am Alltag des anderen teilhaben kann", bestätigt Katja von Eysmondt. Sie lebt und arbeitet in der Nähe von Düsseldorf, ihr Mann in den USA. Fast alle Paare erleben eine Beziehung in zwei Haushalten zunächst als Belastungsprobe für die Liebe. Sieht man sich nach mehrtägiger oder monatelanger Pause wieder, dann stellt sich die gewohnte Nähe nicht schlagartig wieder ein. "In solchen Situationen ist die gegenseitige Erwartungshaltung riesengroß", sagt Katja von Eysmondt. "Man muss erst mühsam lernen, dass es völlig normal ist, wenn man sich in der kostbaren gemeinsamen Zeit auch einmal streitet."

Das Gelingen einer Fernbeziehung ist eben von vielen Faktoren abhängig. "Wichtig ist, dass beide in der Lage sind, auch getrennt einen erfüllenden Alltag zu leben", sagt Peter Wendl, der auch für die Katholische Militärseelsorge tätig ist und Seminare für Bundeswehrsoldaten abhält, die vor mehrmonatigen Auslandseinsätzen stehen. "Außerdem brauchen Paare mittelfristige Perspektiven wie gemeinsame Urlaube", erklärt er. "Es reicht nicht, wenn man nur das nächste gemeinsame Wochenende herbeisehnt und ansonsten davon ausgeht, dass man nach der Pensionierung miteinander lebt."

Die einzige Alternative zu einer Partnerschaft auf Distanz ist meistens der gemeinsame Umzug in eine andere Stadt. "Die gewohnte Umgebung trägt bei den meisten Menschen erheblich zum Wohlbefinden bei", sagt Wendl. "Untersuchungen zeigen, dass die Scheidungsrate nach dem dritten gemeinsamen Umzug ansteigt - das ist ein klares Argument für die Fernbeziehung."

Rund 9000 Flugkilometer und eine Zeitverschiebung von neun Stunden liegen derzeit zwischen Katja von Eysmondt in Langenfeld bei Düsseldorf und ihrem Mann in Arizona. Es ist eine Trennung, die seit anderthalb Jahren andauert und Ende Oktober beendet sein wird. "Wir standen vor der Entscheidung, entweder mit der ganzen Familie in die USA zu gehen oder in diesem Zeitraum eine Fernbeziehung zu führen", berichtet die Rheinländerin, die Kindern privaten Englisch-Unterricht erteilt. "Nach langer Überlegung, bei der auch unsere Kinder ein Wörtchen mitzureden hatten, haben wir uns für die Fernbeziehung entschieden. Einer der Hauptgründe war, dass ich meine berufliche Selbstständigkeit nicht aufgeben wollte."

Die Konsequenz: Haushalt, Gartenarbeit, Erziehung der Kinder - alles musste plötzlich von ihr alleine bewältigt werden. Oft wurde sie gefragt, ob sie keine Angst davor habe, dass ihr Mann im Ausland fremdgehen könnte. "Als ob man dafür in die USA gehen muss", sagt die 44-Jährige. "Trotzdem: Man braucht ein Riesenvertrauen - zueinander und auch in die Beziehung." Katja von Eysmondt ist gerade dabei, die Erlebnisse des letzten Jahres in einem Buch zu verarbeiten.

Die Fernbeziehung hat sie nicht nur negativ erlebt. "Ich habe es auch genossen, Zeit für mich alleine zu haben", berichtet sie. Und ihr Mann konnte sich in Arizona seinem Hobby, dem Motorradfahren, widmen. "Eine Fernbeziehung ist auch eine Chance: Man lernt, sich wieder gegenseitig stärker wertzuschätzen", sagt von Eysmondt.