Holger Glimm über Personalnot im Gesundheitswesen: Spezialisierung sorgt für neue Berufsbilder. Viele Jobs im Servicebereich.

Abendblatt: Was sind die größten Herausforderungen, die das Personalmanagement im Gesundheitswesen heute bereithält?

Holger Glimm: Die Krankenhäuser sind in einer schwierigen Kostensituation. Viele haben in den letzten Jahren Verlust gemacht und sind gezwungen, sich organisatorisch neu aufzustellen. Das schafft in den Häusern erhebliche Unruhe. Unter anderem entstehen neue Berufsbilder, die nur schwer darzustellen sind.

Abendblatt: Warum braucht man neue Berufsbilder? Im Krankenhaus werden Kranke geheilt, heute wie vor fünfzig Jahren.

Glimm: Die Aufgabenteilung zur Genesung eines Patienten ist heute anders als früher. Es ist nicht mehr so, dass alles beim Arzt und den Schwestern liegt. Teile des Genesungsprozesses werden heute von sogenannten Servicekräften begeleitet. Das sind zum Beispiel Routinetätigkeiten wie Essensausgabe, Sterilisation, der interne Krankentransport und dergleichen mehr.

Abendblatt: Diese Servicetätigkeiten gab es früher auch schon.

Glimm: Nur heute werden sie nicht mehr von Akademikern oder examinierten Kräften durchgeführt, sondern von speziell dafür angestellten Kräften. Da entstehen die neuen Jobs. Ich schätze, dass allein in Norddeutschland noch ein Bedarf von 1000 Mitarbeitern in diesem Sektor besteht. Schichtbetrieb und Wochenenddienst sind typisch. Die Anforderungen an die Qualifikation sind unterschiedlich. Aber grundsätzlich kann man das alles sehr schnell in Weiterbildungskursen lernen.

Abendblatt: Man trennt also die therapeutischen und Pflegeberufe von den Servicetätigkeiten?

Glimm: Genau. Das soll zur Kostenersparnis und zur Erhöhung des Qualitätslevels in den Krankenhäusern führen. Und man erhofft sich zu Recht, dass sich das Pflegepersonal noch intensiver um die Patienten kümmert.

Abendblatt: Was sind die typischen Probleme, die bei diesem Umbau entstehen?

Glimm: Grundsätzlich gilt, wenn man eine neue Idee hat, muss man auch für die entsprechenden Ressourcen sorgen. In diesem Fall ist das aber problematisch. Man findet diese Arbeitskräfte nicht auf der Straße. Wenn zum Beispiel Service-Assistenten noch nicht am Arbeitsmarkt verfügbar sind, muss ich mir etwas einfallen lassen oder ich muss mein Modell wieder kippen. Das sind genau die Themen, die heute die Schwierigkeiten in den Krankenhäusern verursachen. Das Konzept ist ganz gut. Aber in der Umsetzung taucht dann doch das ein oder andere Problem auf.

Abendblatt: Das heißt, es fehlen die Servicekräfte für die Krankenhäuser?

Glimm: Ja, es gibt ganz simpel die Schwierigkeit der Personalbeschaffung. Lesen Sie die Job-Portale, die Stellenanzeigen und Sie werden sehen, wie häufig bestimmte Berufsbilder immer wieder gesucht werden. Entsprechende Resonanz scheint es ja nicht zu geben, sonst würde nicht ein und dieselbe Anzeige mehrfach auftauchen.

Abendblatt: Wie sieht Ihre Lösung aus? Was tun Sie, wenn die konventionellen Wege der Personalrekrutierung versagen?

Glimm: Wir beschäftigen uns etwas intensiver mit dem Arbeitsplatz, der zu besetzen ist. Wir überlegen, was für eine Kraft muss das eigentlich sein? Natürlich gibt es Mindestanforderungen, die erfüllt sein müssen. Das ist keine Frage. Aber man muss unter den Zwängen des Arbeitsmarktes auch in der Lage sein, Alternativen zu entwickeln. Sonst ist man irgendwann an dem Punkt angekommen, an dem das Krankenhaus nicht mehr funktionstüchtig ist.