Warum Unternehmen soziale Netzwerke brauchen: Gute Ideen hat auch der Praktikant - Firmen müssen sie nur wahrnehmen.

Abendblatt:

Herr Buhse, Sie sind Experte für den Einsatz von sogenannter Sozialer Software in Unternehmen. Warum sollten sich Firmen mit Wikis, Blogs, Netzwerken & Co. beschäftigen?

Willms Buhse:

Die Märkte werden immer komplexer. Der Prozess ist nicht mehr aufzuhalten. Unternehmen sehen sich hohen Anforderungen am Markt in puncto Schnelligkeit, Dynamik und Transparenz gegenüber. Doch sie haben intern oft noch nicht die Strukturen ausgebildet, mit denen sie auf diese Entwicklung reagieren können. Dabei besteht ihre große Chance darin, Leute im Unternehmen zu vernetzen. Ich rede nicht von Leuten, die heute schon im gleichen Büro sitzen und sich permanent austauschen. Die können nicht mehr viel voneinander lernen. Das Veränderungspotenzial, das kreative Potenzial ist viel, viel größer bei Leuten, die sich wenig kennen. Die sich heute vielleicht noch gar nicht kennen. Wenn die sich im Enterprise 2.0 unter der Maßgabe der steigenden Vernetzung kennenlernen, dann passiert Innovation, Kreativität, aber auch Effizienz.

Abendblatt:

Wie ändert sich die Führungsrolle in einer vernetzten Organisation?

Buhse:

Im Gegensatz zur klassischen Organisation basiert sie nicht auf Autorität und Macht, sondern auf Reputation. Es kann passieren, da zitiere ich den Harvard-Professor David Weinberger, dass ein Praktikant zu einem gewissen Zeitpunkt wichtiger für das Unternehmen ist als der CEO. Weil er in dem Moment etwas auf den Punkt gebracht hat, was für das Unternehmen essenziell ist. Manager müssen lernen, damit umzugehen.

Abendblatt:

Der Führungsstil ändert sich?

Buhse:

Ja, in Richtung Coaching. Der Entscheider ist nicht mehr im tayloristischen Sinne der, der das Denken übernimmt, einen Informationsvorsprung hat, der über Macht entscheidet. Sondern er ist derjenige, der Verantwortung hat. Eine Verantwortung, unter der viele Manager heute übrigens leiden. Diese Verantwortung kann er leben, indem er Kompetenzen an die Mitarbeiter übergibt und loslässt. So können die Mitarbeiter selber stärker entscheiden, sie sind dadurch auch schneller. Aber natürlich liegt die Gesamtverantwortung weiter bei der Führungskraft. Offenheit, Transparenz und Vernetzung - das sind die Werte, nach denen man im Enterprise 2.0 lebt. Das, was die Führungskräfte können müssen, ist tatsächlich loslassen. Da ist Fingerspitzengefühl und Coaching gefragt. Die Führungskraft braucht ein Gefühl dafür, wie man Hochleistungsteams aufbaut und führt. Es geht darum, als Persönlichkeit dazustehen und nicht über Macht und Titel zu argumentieren.

Abendblatt: Wie lernen Führungskräfte das?

Buhse:

Ich veranstalte mit Managern häufig sogenannte OpenSpaces. Das sind Veranstaltungen, bei denen wir Führungskräfte mit "Digital Natives" zusammenbringen. So treffen zum Beispiel 100 Manager auf 50 junge Leute, die mit dem Internet groß geworden sind, und arbeiten einen Tag lang in einer nicht hierarchischen Form. Man steht im Kreis. Jeder, der ein Thema hat, kann es vorschlagen. Ein Manager genauso wie ein Praktikant. Wenn der Praktikant ein Thema hat, bei dem viele sagen, da möchte ich jetzt mitarbeiten, dann sortieren sich die Manager im Zweifelsfall dem Praktikanten zu. Es ist schon faszinierend, welche Kraft entsteht, wenn Menschen von unten sagen können, welches die Themen sind, die sie gerade bewegen.

Abendblatt:

Das klingt nach einem Kulturwechsel.

Buhse:

Absolut.