Exotische Masterstudiengänge: Absolventen fällt der Berufseinstieg oft leicht - wenn es in ihrer Nische genug Jobs gibt

Hamburg. So viel Vielfalt war noch nie: Sage und schreibe 2977 Masterstudiengänge von "Abenteuer- und Erlebnispädagogik" bis "Zukunftssicher Bauen" verzeichnet studieren.de. Der Großteil der Studiengänge ist erst in den Jahren nach der Bologna-Reform entstanden und trägt exotische Namen wie "Neogräzistik und Byzantinistik", "Anglophone Literaturen", "Tanzpädagogik für Zeitgenössischen Tanz" oder "Biodiversität, Evolution und Ökologie".

Ein Grund für das wachsende Angebot sehen Experten in dem zunehmenden Wettbewerb unter den Hochschulen, der die Fachbereiche zwingt, sich durch ihr inhaltliches Profil abzuheben. Doch so breit das Angebot auch sein mag, die Anzahl der Studenten ist oft überschaubar - viele der neuen Masterstudiengänge entlassen weniger als ein Dutzend Absolventen jährlich.

Wer Lateinische Philologie der Antike studiert, will in die Wissenschaft

Drei Studenten sind aktuell für "Lateinische Philologie der Antike und ihre Rezeption" an der Uni Münster immatrikuliert. Während knapp 40 ihrer ehemaligen Kommilitonen sich aktuell zum Master of Education mit der schlichten Bezeichnung "Latein" entschlossen haben und eine Laufbahn als Studienrat anstreben, setzen sie auf eine wissenschaftliche Karriere: "Wer einen Master in solch einem hoch spezialisierten Fach macht, will in der Regel promovieren", erklärt Alexander Arweiler, Professor für Klassische Philologie mit Schwerpunkt Latinistik an der Uni Münster. "Berufschancen haben die Absolventen in der Forschung, im Bibliothekswesen und in den Medien."

Ein Großteil der Masterstudiengänge schließt sich jeweils an ein bestimmtes Bachelorstudium an. Zusätzlich entstehen jedoch immer mehr Angebote, die sich bewusst an die Absolventen verschiedenster Fächer richten. Der Studiengang "Consumer Health Care", den man in Berlin belegen kann, beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Arzneimittelversorgung. Zugelassen werden nicht nur Mediziner und Pharmazeuten, sondern auch Absolventen von Studiengängen wie Rechts-, Wirtschafts- oder Pflegewissenschaften oder Sozialpädagogik. "Je spezialisierter man ist, desto leichter fällt der Einstieg in einen speziellen Sektor", hebt Stephan Löw, Geschäftsführer der Topos Personalberatung in Hamburg, hervor. Vor allem im technischen und betriebswirtschaftlichen Bereich sei das so.

"Bei Geisteswissenschaftlern fällt es Unternehmen aber oft nicht leicht, zu erkennen, wo sie einsetzbar sind", sagt Löw. Dabei hält er Leute, die "etwas bunter studiert haben", generell für einen Gewinn für Arbeitgeber. "Darunter gibt es sehr spannende Profile", sagt der Personalberater. "Es ist immer wichtig, nicht zu mono-ausgebildet zu sein", findet er. Was einem Mitarbeiter fachlich fehle, könne oft nachgeschult werden. "Viel schwieriger ist es für einen Arbeitgeber, die richtige Persönlichkeit für den Job zu finden", erklärt Stephan Löw. Ebenfalls aus diesem Grund sei nicht mehr so stark wie früher ein stringenter Werdegang gefordert.

Auch Renate E. Stoetzer, Personalberaterin und Inhaberin von "My first Coach" in Hamburg, sieht die Berufschancen für Geisteswissenschaftler in der Wirtschaft wachsen. "Die Unternehmen sind heute schon wesentlich aufgeschlossener den Absolventen geistes- und sozialwissenschaftlicher Fächer gegenüber."

Sie bringen ja auch so einiges mit. Stoetzer: "Geisteswissenschaftler sind analytisch, sprachbegabt - im Ausdruck und in der Interpretation - und sehr ideenreich. Das schätzen die Unternehmen heute sehr." Wo es um Kreativität und Kommunikation geht, finden auch Philologen und Historiker ihren Platz, zum Beispiel in den Bereichen Marketing, Personal, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Viele Quereinsteiger gebe es auch nach wie vor in den Neuen Medien, sagt Renate E. Stoetzer. Die Chancen stiegen langsam, aber stetig. "Ich kenne zum Beispiel einen Theologen, der sehr erfolgreich im Beschwerdemanagement eines Call-Centers arbeitet", sagt die Personalberaterin. "Inzwischen hat er dort eine Leitungsfunktion."

"Exoten" müssen über alternative Berufsmöglichkeiten nachdenken

Für Karl-Heinz Minks, Experte für Absolventenforschung beim Hochschul-Informations-System in Hannover (HIS), sind die Auswirkungen des Trends zur Spezialisierung auf dem Arbeitsmarkt noch unklar. "Für die Berufsaussichten der neuen Studienangebote liegt bislang noch kein valides empirisches Material vor", sagt er. Zu wenige Absolventen der geisteswissenschaftlichen Bachelorstudiengänge gebe es bislang. Insbesondere bei den "Orchideenfächern" sei es schwer, eine Einschätzung zu geben, sagt Minks. "Klar ist, dass von zehn Absolventen in einem Fach wie Assyriologie nicht alle in der Forschung Platz finden können."

Ihre Alternativen? "Außerhalb der Universität sind auch Tätigkeiten an Museen oder im Bibliotheksdienst möglich", sagt Renate E. Stoetzer. "Möglichkeiten bestehen ferner im Verlagswesen, im diplomatischen Dienst, bei Presse, Funk, Fernsehen und wissenschaftlichen Reiseunternehmen." Jedoch seien auch dies nur vereinzelte Chancen, schränkt Beraterin Stoetzer ein. "Sie beruhen stets auf der persönlichen Initiative der Studierenden."

Der Master erhöht die Berufschancen

Überhaupt einen Master zu machen, dazu rät Stoetzer den Bachelorabsolventen, vor allem den Geisteswissenschaftlern, aber ganz eindeutig: "Gerade der Mittelstand tut sich noch schwer mit dem Bachelor of Arts", ist ihre Erfahrung. Das Masterstudium dürfe dann auch gern wirtschaftswissenschaftlich ausgerichtet sein. "So erhöhen sich die Berufsmöglichkeiten sehr deutlich", betont sie.

Denn der Start ins Berufsleben gilt für Geisteswissenschaftler generell als oft schwierig und holprig. "Dennoch finden 80 bis 90 Prozent nach einer gewissen Anlaufzeit eine Stelle", erklärt Absolventenforscher Karl-Heinz Minks vom HIS. "Mit der Arbeit ist die Mehrheit der Absolventen zufrieden, mit dem Einkommen weniger."

Seiner Einschätzung nach würden geisteswissenschaftliche Fächer von den meisten Studenten eher aus einem persönlichen Interesse heraus belegt. Die späteren Berufsaussichten und Verdienstmöglichkeiten stünden bei der Entscheidung für einen solchen Studiengang nur selten im Fokus, was auch daran liege, dass überwiegend Frauen Geisteswissenschaften studieren, die meist weniger karriereorientiert als Männer vorgehen.

Doch auch, wer gar nicht im engeren Sinn "Karriere machen" will, sollte sich bei der Studienwahl seine Gedanken machen. "Ich empfehle jedem, sich vor dem Bachelor- wie auch noch mal vor dem Masterstudium zu fragen, wo er damit eigentlich hinwill", sagt Karriereberaterin Renate E. Stoetzer. Und dann für die entsprechende Zusatzqualifikation zu sorgen. "Wenn ich als Geisteswissenschaftler eine Position in einem wissenschaftlichen Verlag anstrebe", gibt Stoetzer ein Beispiel, "dann stimme ich schon meine Seminararbeiten darauf ab und sehe zu, dass ich Praktika und Ferienjobs in einem solchen Verlag mache."

Wer einen Masterabschluss hat, kann auch mit höherem Gehalt rechnen

Wer sich zu einem Masterabschluss in "Galloromanistik" oder "Gender Studies" entschließt, weiß in der Regel, dass Stellen für diese Qualifikation äußerst selten sind. "Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt können durch einen Masterabschluss erheblich steigen, insbesondere wenn es um die Realisierung eines hohen Einstiegsgehaltes oder um eine Führungsposition geht. Diese Aussage lässt sich für fast jedes Studienfach treffen", erklärt Steffan Baron, Leiter der Studienabteilung der Humboldt-Universität zu Berlin.

Bleibt nur noch die Frage: Wie viel Neigung, wie viel Vernunft sollten Exoten wie auch Studenten "traditioneller" Studiengänge bei der Wahl ihres Masterstudiums eigentlich walten lassen? "Ich halte nicht viel davon zu fragen, wie man mit seinem Abschluss am besten am Markt ankommt", sagt Stephan Löw von der Topos Personalberatung. "In meinen Karriereberatungen und Gesprächen mit Führungskräften wird immer wieder deutlich: Man ist nur gut in seinem Job, wenn er einem auch Spaß macht."

Er sieht weniger die Gefahr eines zu vernunftorientierten Studiums als vielmehr einer zu gedankenlosen Wahl. "Viele Menschen machen sich zu wenig Gedanken darüber, welche Studien- und Berufswahl überhaupt ihrer Persönlichkeit entspricht", sagt Löw.

Und was, wenn man sich erst nach dem Studium noch einmal umorientieren möchte? Wenn man voll auf den Weg in die Forschung gesetzt hat und schließlich feststellt, dass es dort gar keinen Job mehr für einen gibt? "Dann kann man das erworbene Wissen doch trotzdem nutzen", macht Berater Stephan Löw Mut. "Vielleicht kann derjenige gut mit Menschen arbeiten und stellt fest, dass er Spaß am Verkaufen hat?" Dann könne er gut in Richtung Vertrieb gehen. "Er muss sich nur eine Branche suchen, die sehr forschungslastig ist." Wichtig sei es dann eben, kreativ zu werden und sich seine Spielfelder selbst zu suchen.