Erstmals wird die Ersparnis durch die Tonnagesteuer beziffert. Ausflaggung der derzeit 440 deutschen Schiffe wird in Betracht gezogen.

Hamburg. Durch die Tonnagesteuer haben die deutschen Reeder zwischen 2004 und 2011 insgesamt rund fünf Milliarden Euro gespart. Allein im laufenden Jahr werden es nach Regierungsangaben 380 Millionen Euro sein. Das ist das Ergebnis einer Kleinen Anfrage der Fraktion der Grünen im Bundestag. Damit hat die Bundesregierung erstmals die Steuermindereinnahmen durch die Pauschalabgabe geschätzt. Die Höhe der nicht realisierten Einnahmen schwankt nach Schätzungen der Regierung stark. Lag sie 2005 noch bei 1,115 Milliarden Euro, wird sie für 2010 mit 200 Millionen Euro angegeben. Bei der Steuer wird der Gewinn nach der Schiffsgröße und nicht wie eigentlich üblich nach dem Ertrag berechnet. Eine wichtige Bedingung für diesen Steuervorteil ist, dass die Reedereien ihre Geschäfte von Deutschland aus lenken. Die EU möchte zudem Jobs für europäische Seeleute sichern.

Der Verband Deutscher Reeder (VDR) sieht die pauschale Abgabe jedoch nicht als Subvention, sondern vielmehr als Existenzgrundlage der deutschen Schifffahrt. Die Tonnagesteuer existiere weltweit an allen Schifffahrtsstandorten und sei innerhalb Europas überall nahezu gleich hoch. "Wird sie abgeschafft, gibt es innerhalb einer Woche keine deutschen Schiffe mehr", sagt VDR-Sprecher Max Johns. Die Berechnungen der Bundesregierung hätten somit eher eine theoretische Grundlage. "Sobald die Tonnagesteuer wegfiele, würden die Reedereien ins europäische Ausland verlegt, sodass in Deutschland in diesem Bereich gar keine Steuern mehr anfielen", sagte Johns dem Abendblatt. Zwar hatten Politiker immer wieder die Abschaffung der 1999 eingeführten Tonnagesteuer gefordert. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat sich aber klar dafür ausgesprochen, die Regelung beizubehalten.

Doch es rumort zwischen Bundesregierung und den Reedern bei einem anderen, artverwandten Thema. Die Koalition aus Union und FDP hatte jüngst angekündigt, dass die direkten Subventionen für die Branche von zuletzt 56 Millionen Euro im Jahr auf die Hälfte reduziert wird. Nun zeichnet sich sogar ab, dass 2011 gar keine Mittel mehr als Zuschüsse zu den Lohnnebenkosten fließen. Denn sie werden voraussichtlich schon für alle noch 2010 gestellten Anträge verbraucht sein.

Als erste deutsche Reederei hat bereits die Niederelbe Schiffahrtsgesellschaft NSB, eine der drei größten deutschen Containercharterreedereien, mit dem Ausflaggen gedroht. "Die Eigner unserer Schiffe sind nicht bereit, durch die fehlenden Zuschüsse zusätzliche Kosten von 157 000 Euro pro Jahr und Schiff in Kauf zu nehmen", sagte Geschäftsführer Lutz Weber. Die NSB setzt mit 68 Schiffen die größte deutsche Flotte unter deutscher Flagge ein.

Auch grundsätzlich werde in der Branche für jedes einzelne der derzeit 440 deutschen Schiffe über eine Ausflaggung nachgedacht, sagte Verbandssprecher Johns. "Keiner geht aber diesen Schritt leichten Herzens." Insgesamt verursache ein Schiff unter deutscher verglichen mit einer ausländischen Flagge 300 000 bis 500 000 Euro Mehrkosten. Die Flucht der Reedereien weg von der deutschen Flagge wollen die Grünen nicht hinnehmen. "Es droht ein Ausstieg, und die Bundesregierung sieht tatenlos zu", kritisierte die Grünen-Sprecherin für maritime Politik, Valerie Wilms. Das maritime Bündnis müsse mit den Reedern neu geschlossen werden. "Drohungen helfen nicht weiter", so Wilms.

Die deutschen Reeder erhalten neben dem Zuschuss für die Lohnnebenkosten weitere Hilfen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Dazu gehören eine verringerte Lohnsteuer und eine Ausbildungsbeihilfe, weil ein Großteil der Ausgebildeten später für Einrichtungen des Bundes arbeitet. Die deutsche Flagge soll zudem dafür sorgen, dass weiter Stellen für deutsche Kapitäne, Offiziere und Ingenieure an Bord angeboten werden. Der Reederverband will nun mit Verkehrsminister Ramsauer verhandeln, um doch noch Mittel für die Unternehmen zu bekommen. Das Gespräch soll bis Mitte Juli stattfinden.