Die aktuellen Aufträge der Hamburger Sietas-Werft reichen nur bis zum Frühjahr 2011. Es droht wieder Kurzarbeit.

Hamburg. Auf der Brücke der "Uthlande" wird es eng. Zahlreiche Gäste drängen sich oben auf der neuen Fähre für die Inseln Föhr und Amrum. Am Donnerstagabend hat der Neubau der Neuenfelder Sietas-Werft an den Landungsbrücken festgemacht, am Freitag beginnt die Jungfernfahrt in die Nordsee. Doch vorher muss das Schiff übergeben werden, von Werftchef Rüdiger Fuchs an Axel Meynköhn, den Chef der Wyker Dampfschiffs-Reederei (WDR).

Den Namen des neuen Schiffes kenne er zwar, sagt Fuchs, es stehe ihm aber nicht zu, den Namen zu nennen, bevor das Schiff offiziell getauft sei. Deshalb spricht er vom "Neubau 1228" der Sietas-Werft: "Dieses Schiff war nach dem Beginn der Weltwirtschaftskrise der erste Auftrag, der an die deutsche Schiffbauindustrie neu vergeben wurde", sagt er. "Das war im April 2009. Zuvor hatte es neun Monate lang keinen einzigen Neubauauftrag für ein Seeschiff gegeben. Für unsere Werft ist es das erste Schiff gewesen, bei dem wir unser neues industrielles Konzept angewandt haben."

Die "Uthlande" ist das größte Fährschiff, das in der 125-jährigen Geschichte der Föhrer Reederei im Liniendienst zu den beiden Nordseeinseln bislang eingesetzt wird. Reedereichef Meynköhn schwärmt von der Qualität des Neubaus, in den das Unternehmen mehr als 20 Millionen Euro investiert - inklusive der Kosten für den Umbau der Hafenanlagen auf Amrum und Föhr sowie in Dagebüll am Festland. Das Schiff ist rund 76 Meter lang, es kann 1200 Passagiere und bis zu 75 Autos transportieren. Besonders hebt Meynköhn den geringen Tiefgang von nur 1,75 Metern hervor. In den flachen Gewässern zwischen dem Festland und den beiden nordfriesischen Inseln sei das ein enormer Vorteil: "Das Schiff kann in einer Tiefe fahren, in der mein Kopf noch aus dem Wasser ragen würde", sagt Meynköhn. "Das ist spielentscheidend."

Für die Reederei in Wyk ist das Schiff eine willkommene Ergänzung und Modernisierung, um ihren Passagieren mehr Komfort und mehr Platzkapazität zu bieten. Für die Sietas-Werft wiederum war und ist das Projekt der kombinierten Auto- und Passagierfähre überlebenswichtig. Als der Welthandel 2008 und 2009 einbrach, wurden bei deutschen Werften vor allem Containerschiffe reihenweise storniert. Auch bei Sietas. Das Familienunternehmen, gegründet 1635, stand am Abgrund.

Rüdiger Fuchs übernahm als erster familienfremder Manager das Ruder in Neuenfelde. Der frühere Airbus-Manager und sein Geschäftsführer Rüdiger Wolf richteten die Werft mit rationelleren Fertigungsabläufen neu aus. Und sie akquirierten einen neuen Auftragsbestand mit einer größeren Vielfalt von Schiffstypen, um die Abhängigkeit vom Containerschiffbau zu beenden. Im Orderbuch stehen derzeit noch zwei Saugbagger, zwei Massengutfrachter und eine kleinere Fähre. Die Stammbelegschaft der Sietas-Werft haben Fuchs und Wolf bei rund 640 Mitarbeitern stabilisiert. Hinzu kommen 350 Personen bei den Sietas-Tochterfirmen, der Neuenfelder Maschinenfabrik und der Reparaturwerft Norderwerft im Hamburger Hafen. Doch die aktuellen Aufträge bei Sietas reichen nur bis ins Frühjahr 2011. "Wir brauchen dringend Folgeaufträge", sagt Fuchs, "sonst laufen wir wieder in eine Lücke hinein." Am Jahresende, das sei jetzt bereits absehbar, werde ein Drittel der Sietas-Belegschaft erneut in Kurzarbeit gehen müssen.

Die Werft ist noch längst nicht auf der sicheren Seite. Doch die Chancen stünden gut, sagt Fuchs, dass Sietas Aufträge aus neuen Martktsegmenten bekomme. "Die Fähre für WDR hat uns einen enormen Erfahrungsschatz für diesen Schiffstyp gebracht. Wir haben in einem Zeitraum von wenig mehr als 13 Monaten geliefert." Das sei ein "Referenzprojekt". Interessant sei für Sietas auch der Bau von Versorgungs- und Montageschiffen für die Errichtung von Offshore-Windparks. Der norwegische Schiffs-TÜV Det Norske Veritas, Spezialist für Offshore-Installationen, schätzt, dass die Betreiberunternehmen für die derzeit geplanten Meereswindparks in Europa 20 bis 30 Montageschiffe sowie etliche Versorgungsfahrzeuge brauchen werden. "Wir wollen in dieses Geschäft hineinkommen", sagt Fuchs, ohne Details zu nennen. Die neue Passagierfähre wie auch Offshore-Montageschiffe entsprächen genau dem neuen Sietas-Konzept, Schiffe für hoch spezialisierte Anwendungen zu bauen.

Der Auftrag der Wyker Dampfschiffs-Reederei an Sietas zeigt fast idealtypisch, wie so etwas in regionaler Kooperation funktionieren kann. Das Schifffahrtsunternehmen SAL im Alten Land setzt als langjähriger Stammkunde ausschließlich auf Sietas-Schiffe. Doch regionale Verbindungen sind kein Selbstläufer, um die Sietas-Werft langfristig profitabel zu betreiben. Die Konkurrenz der Schiffbauunternehmen vor allem in Südkorea und in China ist härter denn je. Das RWE-Tochterunternehmen Innogy, das unter anderem Windparks auf See errichtet, hat Aufträge für zwei Montageschiffe an die südkoreanische Großwerft Daewoo vergeben. Die Begründungen dafür klingen sehr verschieden. Der Schiffbauverband VSM argwöhnt, die Koreaner drängten mit "Dumpingpreisen" in das neue Segment am Schiffbaumarkt hinein. Innogy-Chef Fritz Vahrenholt wiederum unterstellt den deutschen Werften mit Blick auf Offshore-Montageschiffe, dass sie "das nicht können".