Bonn. Wer sich im Internet Kleidung oder Elektronik bestellt, wird mitunter gefragt, welchen Paketdienst er nehmen will. Bei der Wahl spielt der Klimaschutz eher eine untergeordnete Rolle. Das könnte sich ändern.

Deutschlands Paketfirmen sollten aus Sicht der Post verpflichtet werden, ihre Klimabilanz pro Paket verbrauchernah darzustellen. So eine Vorschrift wäre sinnvoll, um den Menschen „den CO2-Ausstoß ihrer Pakete transparent zu machen“, sagte der zuständige Geschäftsbereichsleiter der Deutschen Post, Ole Nordhoff.

Er verwies dabei auf Tierhaltungsklassen bei Fleischprodukten und das Nährwert-Logo Nutri-Score, bei dem Angaben zu Zucker, Fett und Salz ausgewertet und in einer Skala von A bis E eingestuft werden. „Etwas Vergleichbares können wir uns gut in der Paketbranche vorstellen.“

Die Forderung der Post nach einem Umwelt-Label bezieht sich auf die Postgesetzreform, die bis Ende dieses Jahres beschlossen sein soll. In einem Eckpunktepapier hatte das Bundeswirtschaftsministerium unlängst noch recht vage vorgeschlagen, beim Thema CO2-Fußabdruck „Transparenz und Vergleichbarkeit für die Nutzerinnen und Nutzer“ zu schaffen. Nun macht die Post einen Vorstoß, wie dies konkretisiert werden sollte.

Bisher kein Überblick über Kohlendioxid-Ausstoß

Bisher haben Verbraucher bei Online-Bestellungen keinen Überblick über den Kohlendioxid-Ausstoß pro Paket. Künftig könnte sich das ändern: Verbraucher könnten beim Bestellvorgang sehen, wie viel Gramm CO2 im Schnitt beim Paketversand je nach Anbieter freigesetzt werden. Das könnte die Wahl des Versenders beeinflussen.

Eine Kennzeichnungspflicht wäre Rückenwind für die Post. Denn der Bonner Konzern hat deutlich stärker in die Elektromobilität investiert als seine Wettbewerber Hermes, DPD und GLS und hat daher eine relativ gute Treibhausgas-Bilanz. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben rund 23.000 Elektrotransporter im Einsatz und damit viel mehr als die Konkurrenz.

Die CO2-Angaben pro Paket sollten nach klar definierten Standards berechnet werden, damit „nicht jedes Unternehmen kreative Angaben machen kann, um einen klimafreundlichen Eindruck zu erwecken“, sagt Nordhoff, der bei Post & Paket Deutschland für Produktmanagement, Marketing und Filialen verantwortlich ist.

Mehr Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher

Aus dem Bundestag kommen unterschiedliche Reaktionen. Der SPD-Abgeordnete Sebastian Roloff hält den Vorschlag der Post für „interessant“. „Alles, was das Augenmerk auf mehr Klimaschutz bei der Paketzustellung richtet, ist eine Überlegung wert.“ Die konkrete Ausgestaltung sei noch offen. „Mehr Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher sollte es aber geben.“

Reinhard Houben von der FDP hat bei dem Post-Vorschlag hingegen ein „Störgefühl“. Er befürchtet, dass der Marktführer Deutsche Post DHL durch die Klimakennzeichnung einen deutlichen Vorteil gegenüber den kleineren Konkurrenten bekommt. „Wenn der Große immer größer wird und die Kleinen immer kleiner, ist das schlecht für den Wettbewerb und damit auch schlecht für die Verbraucherinnen und Verbraucher.“

Houben bezweifelt, dass die CO2-Bilanz der unterschiedlichen Firmen tatsächlich eins zu eins miteinander vergleichbar wäre. Durch die Verbundzustellung hätte die Post ohnehin einen Vorteil gegenüber reinen Paketfirmen. Damit ist gemeint, dass Post-Mitarbeiter mancherorts sowohl Briefe als auch Pakete ausliefern - hierdurch befürchtet der Liberale eine Verzerrung der CO2-Paket-Berechnung.

Konkurrenz hält von Kennzeichnungspflicht wenig

Und was sagt die Konkurrenz? Ein Hermes-Sprecher begrüßt zwar grundsätzlich ein Mehr an Transparenz. Er findet, dass sich Angaben zum CO2-Fußabdruck den Nachhaltigkeitsberichten der Firmen entnehmen lassen sollten. Die von der Post geforderte Kennzeichnungspflicht sei allerdings „nicht sinnvoll“.

Nutri-Score sei angelehnt an eine Messgröße für Produkte aus dem Lebensmittelbereich und suggeriere eine Transparenz, „die es übertragen auf Pakete so nicht geben kann“, sagt der Hermes-Sprecher. Eine konkrete Prognose für ein individuelles Paket zu erstellen, bevor es den Logistikprozess durchläuft, sei aktuell so nicht umsetzbar.

Tatsächlich ist die Frage, wie viel Kohlendioxid bei einer Paketbeförderung freigesetzt werden, eine schwierige Sache. Die Post teilt mit, dass pro DHL-Paket in Deutschland zwischen 400 und 500 Gramm entstehen und damit schätzungsweise mindestens 30 Prozent weniger als bei Wettbewerbern. Allerdings ist die Gramm-Angabe nur ein Durchschnittswert.

Wie viel CO2 ein Paket wirklich verursacht, hängt von einer Vielzahl an Faktoren ab - etwa der Distanz der Strecke und der Frage, ob auf der letzten Meile ein Elektrofahrzeug genutzt wird oder ein Verbrenner-Transporter.

Auch die Auslastung der Transporter und die Energienutzung von Logistik-Standorten spielten eine Rolle, gibt der Hermes-Sprecher zu bedenken. All das seien „Parameter, welche beim Checkout-Prozess im Webshop schlicht nicht feststehen können“. Nehme man hingegen Durchschnittswerte, so wären diese „nur bedingt aussagekräftig“ und könnten nicht in einen wirklichen CO2-Score überführt werden.

Schließlich könne bei einem Lebensmittel schon vorher genau gesagt werden, welche Inhalte enthalten seien. Bei der Paketbeförderung sei das anders. Ähnlich wie Hermes äußert sich der Verband Biek, der die Interessen der Post-Konkurrenz vertritt.

Selbst bei Umweltschützern kommt kaum Begeisterung auf

Dass Post-Wettbewerber den Kopf schütteln über den Bonner Vorschlag, ist wenig überraschend. Aber selbst bei Umweltschützern kommt keine große Begeisterung auf. „Das wahre Problem beim boomenden Online-Handel ist nicht der Versand in Deutschland, sondern die Klimabelastung und Ressourcenverschwendung durch die Herstellung des Produkts an sich“, sagt Viola Wohlgemuth von Greenpeace.

Schnelllebige Produkte hinterließen einen riesigen CO2-Fußabdruck. Bekämen Verbraucherinnen und Verbraucher nur einen Überblick über den durchschnittlichen Treibhausgas-Ausstoß von Paketen, so würden sie in den meisten Fällen den Dienstleister mit dem niedrigsten CO2-Ausstoß anklicken und dann ein gutes Gefühl haben.

Das aber wäre falsch, sagt Wohlgemuth. „Gut für das Klima ist ein nachhaltiger Konsum - also wenige Pakete mit Produkten, die man lange nutzt und die im Umlauf bleiben, anstatt schon nach kurzer Zeit weggeworfen zu werden.“