Mainz (dpa/lrs). Reparatur statt Shopping: Steigende Preise und wachsendes Umweltbewusstsein kurbeln nach Einschätzung von Verbraucherschützern ein Umdenken an. Die Landesregierung unterstützt den Trend.

Ilsegret Schweitzer kommt mit ihrer kaputten Kaffeemaschine. Michael Jarczyk hat das ferngesteuerte Auto seines kleinen Sohns dabei, das keinen Mucks mehr macht.

Andere Verbraucher haben wackelige Möbel, stehengebliebene Uhren, defekte Lampen, Wasserkocher und Plattenspieler oder fahruntüchtige Räder und Kleidungsstücke mit Löchern ins Mainzer Repair Café mitgebracht. Die temporären Selbsthilfewerkstätten sind in Rheinland-Pfalz zunehmend gefragt.

„Die Anzahl von Repair Cafés und anderen Reparaturinitiativen scheint zuzunehmen. Viele der Einrichtungen berichten auch, dass die Nachfrage zunimmt“, sagt Projektkoordinatorin Ruth Preywisch von der Verbraucherzentrale. Genaue Zahlen gibt es allerdings nicht. Ein Grund für den Zulauf ist nach Einschätzung von Preywisch, dass viele Verbraucher beim Kauf von Geräten sparen müssen. Aber auch der Grundgedanke, dass das Reparieren von Geräten Ressourcen schont und zu mehr Nachhaltigkeit beiträgt, verankere sich in der Gesellschaft immer mehr.

„Ich habe etwas dagegen, das Auto einfach wegzuschmeißen“, sagt auch Jarczyk. „Es geht weniger um das Finanzielle als um die Ressourcenschonung.“ Schweitzer ärgert, „dass immer mehr Kleinteile nach kurzer Zeit kaputt gehen“ - oft kurz nach Ablauf der Garantie-Frist, wie ihre Kaffeemaschine, die sich nicht mehr einschalten lässt.

Reparierbarkeit sollte Standard sein

„Haltbare und reparierfähige Produkte sind ausdrücklich gewollt“, stellt Verbraucherschutzministerin Katharina Binz (Grüne) fest und beruft sich dabei auf eine Umfrage des Bundesverbands der Verbraucherzentralen im Januar. „Hierzu gehört auch, dass man beim Kauf erkennen kann, dass ein Produkt repariert werden kann und dass Haltbarkeit und Reparierbarkeit über alle Produktkategorien hinweg zum Standard wird.“

Die Grünen-Politikerin betont: „Um zu einem nachhaltigen, ressourcenschonenden Konsum zu kommen, ist das Recht auf Reparatur ein wichtiger Baustein.“

Auch längst nicht alle Verbraucher und Verbraucherinnen können oder wollen defekte Geräte selbst reparieren. Kostenlose Hilfe Ehrenamtlicher können sie aber in den Selbsthilfewerkstätten finden. Die Leute, die ihre kaputten Alltags- und Gebrauchsgegenstände zur Reparatur bringen, seien völlig unterschiedlich, stammten aus allen gesellschaftlichen Schichten und kämen oft zu zweit oder brächten ihre Kinder mit, berichtet der Vorsitzende der Mainzer Initiative, Fabian Garbe.

Ehrenamtliche packen in Selbsthilfewerkstätten an

„Es ist oft eine Kleinigkeit“, sagt der 31-Jährige, während er einen wackligen Holzstuhl leimt. „Die Leute sind dankbar und freuen sich.“ Der Unternehmensberater und „passionierte Tüftler“ genießt es, bei seinem Ehrenamt Leute zu treffen, mit denen er sonst nie zusammenkäme. „Ich komme immer total erfrischt von den Terminen nach Hause.“

Ganz unterschiedlich sind auch die Ehrenamtlichen, die in den Selbsthilfewerkstätten anpacken: Ausgebildete Informatiker, Elektriker, Hobbytüftler, Rentner und Studierende sind darunter. „Wir geben keine Garantie, dass wir es hinkriegen, aber wir versuchen es halt“, sagt der ausgebildete Fernmeldetechniker Reinhard Wenselowski. „Es macht Spaß. Wenn die Reparatur gelingt, habe ich ein Glücksgefühl - und die Leute auch.“ Wenselowski gibt auch Tipps, worauf Verbraucher beim Kauf - etwa von Stabmixern - achten sollten, damit sie auch repariert werden können.

Thema Reparatur weiter voranbringen

Die Repair Cafés arbeiteten an einigen Orten bereits mit Handwerkern zusammen, berichtet Ministerin Binz. In Mainz ist auch immer mal wieder eine Uhrmacherin dabei. Ein Runder Tisch, den Binz' Ministerium zusammen mit dem Klimaschutzministerium von Katrin Eder (Grüne) ins Leben gerufen hat, soll das Thema Reparatur weiter voranbringen.

Am Auftakttreffen im Oktober nahmen 15 Akteurinnen und Akteure teil, darunter Repair Cafés, Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer, kommunale Spitzenverbände, Bildungseinrichtungen, Verbraucherzentrale und private Reparaturunternehmen. Ergebnisse gibt es noch nicht, aber das Ziel steht fest: „Gemeinsam mit diesen Multiplikatoren auf Fachebene mögliche gemeinsame Ansatzpunkte, Lösungsideen und die damit verbundenen Herausforderungen zu diskutieren und zu entwickeln“.

Um Geräte vor dem Sperrmüll zu retten, produziert Carsten Kroll mit einem 3D-Drucker Einzelteile, die nicht mehr zu kaufen sind - wie etwa Schaltknöpfe einer Stereoanlage. Wenselowski hat inzwischen Schweitzers Kaffeemaschine auseinander genommen und untersucht, einen Defekt am Schalter festgestellt und diesen ausgebaut. Jetzt versucht Schweitzer in einem Elektrogeschäft Ersatz zu bekommen. Dann kommt sie wieder, damit er eingebaut werden kann.