Celle. Wer bekommt das Erbe? Diese Frage kann sehr umstritten sein. Ein Urteil zeigt nun: Wer einen leicht beeinflussbaren Erblasser ausnutzt, geht am Ende einfach leer aus.

Seine Erben kann jeder frei bestimmen. Doch in manchen Fällen steht die Wahl unter dem Einfluss Dritter mit Eigeninteressen. Vor diesem Hintergrund kann ein notarielles Testament zugunsten einer Berufsbetreuerin sittenwidrig sein, wie ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Celle zeigt (Az.: 6 U 22/20).

Das ist laut Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) der Fall, wenn eine Berufsbetreuerin ihre gerichtlich verliehene Stellung und ihren Einfluss auf den älteren, kranken und alleinstehenden Erblasser dazu benutzt, gezielt auf ihn einzuwirken.

Der Fall: Der 1929 geborene Erblasser verstarb 2012. Er war nicht verheiratet und hatte keine Abkömmlinge. Schon im Dezember 2004 war er infolge einer neu aufgetretenen Gangunsicherheit und zunehmender Verwirrtheit stationär und von dort in ein Pflegeheim aufgenommen worden. Für ihn wurde eine Berufsbetreuerin bestellt.

Die Berufsbetreuerin bestellt am 4. Mai 2005 einen Notar in das Pflegeheim ein und überzeugte den Erblasser davon, dass er sie zur Erbin einsetzen solle. Den Wert seines Vermögens gab er mit 350 000 Euro an. Nach dem Tod des Mannes beantragte die Betreuerin einen Erbschein zu ihren Gunsten.

Das Urteil: Das Gericht erklärte das notarielle Testament für sittenwidrig . Der Leitung, den Beschäftigten oder sonstigen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern eines Heims sei es gesetzlich untersagt, sich von Bewohnerinnen und Bewohnern Geld- oder geldwerte Leistungen für die Erfüllung der Pflichten aus dem Heimvertrag versprechen zu lassen.

Der Grund für dieses Verbot ist laut Urteil das besondere Näheverhältnis zwischen Heimbewohner und Pflegepersonal und die damit verbundene Möglichkeit der Ausnutzung dieses Verhältnisses. Die Betreuung begründet ein ähnliches Näheverhältnis. Auch ein Betreuer dürfe seine Vertrauensstellung und seinen persönlichen Einfluss auf den Betreuten nicht ausnutzen.

Für den Vorwurf der Sittenwidrigkeit reicht es dabei aus, dass sich der Betreuer der Tatumstände bewusst ist, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt.

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