Karlsruhe. Bei Geldanlagen kann man aufs falsche Pferd setzen. Opfer bestimmter Geschäftsmodelle haben oft nicht die nötigen Einblicke hinter die Kulissen. Um ihre Rechte bei Betrügereien einzuklagen, brauchen sie die auch nicht - das hat jetzt der BGH entschieden.

Wer Geld über ein sogenanntes Schneeballsystem anlegt und dabei Schaden nimmt, braucht nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zunächst keine Beweise für ein Gerichtsverfahren vorlegen.

Es genüge, wenn der Geschädigte Umstände vorträgt, die das Betreiben eines Schneeballsystems "als naheliegend erscheinen lassen", heißt es in einer nun veröffentlichten sogenannten Leitsatzentscheidung der Karlsruher Richter. Es sei dann Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen ihrer Erklärungspflicht zu äußern. Erst wenn dies den Anforderungen genüge, müsse der Kläger Beweise für seine Behauptung vorbringen (Az.: III ZR 7/20 vom 4. Februar 2021).

Generell seien die Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung regelmäßig erfüllt, wenn bei einem Anlagemodell die versprochene Rendite aus den Einlagen weiterer Anleger bedient werde. "In Fällen sogenannter Schneeballsysteme ist die Absicht des Täters, Anleger zu schädigen, so greifbar, dass der Sittenverstoß unmittelbar aus dem Gegenstand der Anlage selbst abgeleitet werden kann", heißt es in dem Urteil. Die Rendite der Anleger hänge davon ab, dass fortwährend neue Anleger für das System gefunden würden - und zwar in einem Maß, das wegen der Marktverhältnisse vernünftigerweise nicht zu erwarten sei.

Nach Paragraf 826 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sei derjenige zum Schadenersatz verpflichtet, "der einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt". Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder einer Gesellschaft haften gemäß der BGH-Rechtsprechung auf Schadenersatz, wenn ihr Geschäftsmodell von vornherein auf Täuschung und Schädigung der Kunden angelegt ist. Man spricht von "Schwindelunternehmen".

Im konkreten Fall ging es um einen Alleinaktionär, der auch alleiniges Mitglied des Verwaltungsrats und Hauptentscheidungsträger eines Schweizer Unternehmens war. Das Anlagemodell sah den Angaben nach vor, dass Anleger ihre Versicherungen, Bausparverträge und ähnliche Kapitalanlagen kündigen, um die Rückkaufswerte dann der AG zur Verfügung zu stellen. Das Geld sollte gewinnbringend zuletzt in Unternehmen aus der Branche der erneuerbaren Energien investiert werden. Die Verträge sahen als Kaufpreis spätere Auszahlungen der AG vor, die je nach Preismodell entweder in Raten oder als einmalige Zahlung geleistet werden sollten - samt erheblicher Verzinsung.

Ein Mann aus Bayern nutzte das Modell für seine Lebensversicherung. Doch die Schweizer Finanzmarktaufsicht untersagte der AG den Vertrieb. Eine in Deutschland neu gegründete Gesellschaft, die die Verträge übernahm, ging insolvent. Das Landgericht München I verurteilte den Anbieter und Komplizen 2018 zu mehreren Jahren Gefängnis. Der Anleger sah kein Geld, scheiterte mit seiner Forderung nach Erstattung von mehr als 60 000 Euro aber vor dem Landgericht Schweinfurt und dem Oberlandesgericht (OLG) Bamberg. Die obersten Zivilrichter entschieden nun, dass das OLG neu verhandeln muss.

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