Berlin. In Deutschland pflegen Frauen ihre Angehörigen viel häufiger als Männer. Andere Länder sind da weiter, aber noch längt nicht am Ziel.

Hierzulande leisten Frauen im Vergleich zu Männern deutlich mehr häusliche Altenpflege als in anderen europäischen Staaten. Dies hänge mit einem in Deutschland vergleichsweise schlecht ausgebauten Pflegesystem und der geringeren weiblichen Erwerbsbeteiligung zusammen, heißt es in einer neuen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW, Berlin), die dieser Redaktion vorab vorliegt.

Die Forscherinnen und Forscher haben 17 europäische Länder verglichen. In manchen dieser Staaten ist die Ungleichverteilung der privaten Pflegeleistungen zwischen den Geschlechtern weniger stark ausgeprägt als in Deutschland. Dazu gehören etwa Portugal, Schweden, die Schweiz, Italien, Polen und Frankreich. Insgesamt liegt Deutschland im Mittelfeld.

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Ein typischer Fall ist dieser: Der alte Vater wird pflegebedürftig und kann sich in seiner Wohnung nicht mehr alleine versorgen. Die 50-jährige Tochter reduziert ihre Erwerbsarbeit und kümmert sich fortan täglich um ihn. Als kleinen finanziellen Ausgleich erhält sie über die Pflegeversicherung das Pflegegeld von einigen hundert Euro monatlich.

Großteil der Pflegebedürftigen werden zu Hause betreut

Über 80 Prozent der etwa fünf Millionen Pflegebedürftigen werden in Deutschland zu Hause versorgt – häufig informell, das heißt privat, ohne professionelle Pflegehilfe. Dass Frauen mehr informelle Pflege leisten, ist in allen der untersuchten Länder so. Allerdings sind die Verhältnisse zwischen den Geschlechtern in einigen Staaten wesentlich ausgeglichener als hier.

Eine Pflegerin hält die Hand einer Bewohnerin im Seniorenzentrum Sankt Elisabeth.
Eine Pflegerin hält die Hand einer Bewohnerin im Seniorenzentrum Sankt Elisabeth. © DPA Images | Christophe Gateau

Beispielsweise in Portugal, der Schweiz und Schweden pflegten Frauen nur knapp „doppelt so oft wie Männer“, schreibt das DIW. In Deutschland leisten sie informelle Pflegearbeit dagegen „mehr als doppelt so häufig“, in Griechenland und Kroatien sogar dreimal so viel wie Männer. In der Ungleichverteilung sieht das DIW eine politische Herausforderung. Schließlich dürfte die Zahl der Pflegebedürftigen künftig zunehmen, damit auch der Bedarf an Pflegearbeit. Andererseits wollen und sollen Frauen mehr auskömmlich bezahlter Erwerbsarbeit nachgehen. Wie kann beides zusammenpassen?

So könnte das Pflege-Problem gelöst werden

Die Untersuchung liefert Antworten. Die Ungleichheit der Pflegearbeit zwischen den Geschlechtern „ist in den Ländern kleiner, in denen mehr Geld für das formelle Pflegesystem ausgegeben wird“, sagt DIW-Forscher Peter Haan. Wenn also mehr Finanzmittel in professionelle Altenpflege fließen, müssen Frauen weniger zu Hause pflegen. Mitverantwortlich ist auch der Arbeitsmarkt: In Deutschland „gehen Frauen seltener einer Erwerbsarbeit nach und verdienen weniger, weshalb sie dann öfter als Männer für die Pflege von Angehörigen ihre Arbeitszeit reduzieren oder die Erwerbstätigkeit ganz aufgeben“, erklärt Forscherin Mia Teschner.

Der politische Rat des Instituts lautet demzufolge, mehr Geld in stationäre Pflegeeinrichtungen und mobile professionelle Dienste zu investieren und die Pflegeversicherung auszubauen. Außerdem müsse die Politik die öffentliche Kinderbetreuung verbessern, um Frauen die Erwerbstätigkeit zu erleichtern. Andererseits sollten Männer auch mehr informelle Pflegearbeit übernehmen. Ökonomisch würde das bedeuten, dass die Kosten des formellen Pflegesystems stiegen, was eine stärkere Finanzierung durch Sozialbeiträge oder Steuern erforderte.